Intelligenz für den Mittelstand

Ein Datawarehouse ist keine zwingende Voraussetzung für Business Intelligence. Ein strukturierter Evaluationsprozess ist aber ratsam.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/06

     

Business Intelligence (BI) war bis vor wenigen Jahren fast ausschliesslich den Grossunternehmen vorbehalten. In jüngster Zeit interessiert sich aber auch der gehobene Mittelstand vermehrt für integrierte Planungs- und Analyse-Systeme. So haben im deutschsprachigen Raum auf den Mittelstand ausgerichtete BI-Software-Evaluations-Seminare des deutschen Beratungsunternehmens BARC (Business Application Research Center) regen Zulauf.
Die zunehmenden regulatorischen Auflagen (IAS/IFRS, GAAP, Sarbanes-Oxley-Act, Basel II) kombiniert mit einem wachsenden Kontrollbedürfnis der Unternehmensführung in einem globalisierten und damit immer dynamischeren Umfeld gelten als Hauptgründe für die steigende BI-Nachfrage. Dazu kommt die steigende Professionalisierung auf der Geschäftsleitungsebene vieler KMU, die den Einsatz entsprechend professioneller Führungsinstrumente nach sich zieht. Eine kürzliche Studie der Meta Group zum BI-Markt Schweiz zeigt allerdings, dass sich die geplanten BI-Investitionen von mittelgrossen Unternehmen im Gegensatz zum Informationsbedürfnis derzeit noch in Grenzen halten. Erst 29 Prozent der Unternehmen mit zwischen 200 und 499 Mitarbeitern respektive 39 Prozent derjenigen mit 500 bis 999 Mitarbeitern haben heute bereits BI-Lösungen im Einsatz oder planen die Einführung.





Patrick Keller, BI-Spezialist von BARC, sieht zwei Hauptgründe, die Mittelstandsbetriebe vom BI-Einsatz abhalten: Zum einen seien vielen KMU die Vorteile solcher Systeme nicht transparent. Zum anderen leide Business Intelligence noch am schlechten Ruf, der durch die vielen gescheiterten Projekte rund um die Jahrtausendwende entstanden sei. Dazu kommt, dass sich sehr viele Unternehmen über die Jahre selber Excel-basierte Lösungen zusammengezimmert haben, mit denen sie bisher auch ganz ordentlich funktionieren. In diesen steckt oft sehr viel Arbeitszeit und auch Know-how der Finanzabteilung, so dass man sich nur schwer von diesen gewohnten Instrumenten trennt.





Business-Intelligence-Investitionen in der Schweiz


BI als Grössenfrage

BI ist allerdings auch nicht für jedes KMU sinnvoll. Patrick Keller setzt die Grenze, ab der ein Einsatz von dezidierten BI-Systemen Sinn macht, mit dem Vorhandensein einer Controlling-Abteilung gleich. Für kleinere Firmen lassen sich die Kosten heute noch kaum rechtfertigen. Sie können ihr Geschäft mit Hilfe von Excel-Tabellen oder Access führen. Dies könnte sich ändern, wenn Microsoft seine BI-Angebote ausweitet. Die Reporting- und Analysefähigkeiten des SQL-Servers wurden schon in den vergangenen Monaten sukzessive ausgebaut. Mit der kommenden Version 2005 sollen weitere Schritte in dieser Richtung gemacht werden. Was Microsoft derzeit noch nicht bietet, ist ein mit den spezialisierten Angeboten vergleichbares Front-end. Entscheidet sich der Softwareriese, auch diesen Teil selber abzudecken, dürften die derzeit noch hohen bis sehr hohen Preise für BI-Software ins Rutschen geraten, bauen doch viele Spezialanbieter ihre Front-ends auf Microsofts SQL Server auf.


Warehouse muss nicht sein

BI versucht, aus den im Unternehmen anfallenden Daten Erkenntnisse zu gewinnen und diese in Form von Kennzahlen den Entscheidern in den Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Dies erfordert einen möglichst zeitnahen Zugriff auf die Daten, die vorher integriert und validiert werden müssen. Um diese Aufgaben zu bewältigen, setzt BI im Wesentlichen bekannte Techniken ein. Diese werden zu einer Lösung kombiniert und in die Informationsflüsse des Unternehmens integriert. Die Integration der Daten und die Sicherstellung ihrer Qualität sind dabei die zentralen Punkte, an denen sich der Nutzen von Business Intelligence entscheidet. Grössere Unternehmen zentralisieren ihre Datenquellen für die Analyse in speziellen Datawarehouses (DW). Deren Aufbau galt lange Zeit als schwierig. Während der Boomjahre um das Jahr 2000 sind viele BI-Initiativen an diesem Punkt gescheitert. Heute stehen aber ausgereiftere Techniken und auch «Best Practices» zur Verfügung, mit deren Hilfe der Erfolg eines DW-Projekts beherrschbar geworden ist.






Viele Mittelständler haben aber noch die Misserfolgsmeldungen in den Ohren und scheuen darum den Einstieg in die DW-Technik. Zudem sind die ETL-Tools (Extraction, Transformation and Load), mit deren Hilfe die Daten aus den unterschiedlichen Quellsystemen in das DW geladen werden, vergleichsweise teuer. BI kann aber auch ohne DW betrieben werden, denn grundsätzlich kann jede Datenintegrationstechnik als BI-Grundlage dienen, solange die IT-Landschaft nicht allzu komplex ist. So kann die IT-Abteilung den Anwendern auch Flatfiles zur Verfügung stellen, die diese dann in eine multidimensionale Datenbank für die OLAP-Analyse (Online Analytical Processing) einfliessen lassen können. Andererseits liefern IBM, Microsoft und Oracle mit ihren Datenbanken gratis integrierte ETL-Tools mit.


Evaluation lohnt sich

BI-Projekte gehören zu den schwierigeren Software-Aufgaben. Keller siedelt ihre Komplexität knapp unterhalb von CRM-Installationen an. Dies bedeutet, dass der Evaluation eine grosse Bedeutung zukommt, zumal der Markt sehr fragmentiert ist und die verschiedenen Anbieter auf unterschiedliche Teilgebiete spezialisiert sind. Als wichtigsten Punkt, der bei der Evaluation beachtet werden muss, nennt BARC einen strukturierten Auswahlprozess, bei dem vorab das Ziel und die Anforderungen sauber definiert werden. Danach sollte eine möglichst umfassende Markterhebung vorgenommen werden. Dann grenzt man den Kreis der potentiellen Lieferanten in etwa vier Hersteller ein. Diese werden dann einer Detailprüfung unterzogen.





Studien zeigen, dass eine vergleichende Evaluation, bei der man die Anbieter gegeneinander antreten lässt, die grösste Erfolgssicherheit und Zielerreichung bietet. Ein solches strukturiertes Evaluationsverfahren ist aber sehr zeit- und kostenintensiv, und es besteht die Gefahr, dass man sich verliert. Damit das Auswahlprozedere nicht noch zusätzlich durch neue Releases verkompliziert wird, sollte die Evaluationsphase nicht länger als drei Monate dauern. Wie in allen Projekten muss auch in diesem Fall der Pragmatismus vor der Perfektion (80-Prozent-Regel) stehen.




Anbieter von Business-Intelligence-Lösungen für den Mittelstand


Der Anbietermarkt

Der Mittelstand gilt als grosses Wachstumspotential für die BI-Hersteller. Als erster der weltweit tätigen Anbieter hat Business Objects ein spezielles Paket für KMUs geschnürt, während Cognos versucht, mittelgrosse Unternehmen über Partner zu erreichen. Schon länger hat sich eine ganze Reihe von kleineren, in einem engeren geographischen Rahmen tätigen Anbietern auf den Mittelstand spezialisiert. Sie kommen zum Teil aus der Planungsecke oder bauen ihre Lösungen auf einer eigenen OLAP-Datenbank auf. Dazu kommen die grossen Datenbankhersteller, die heute alle integrierte BI-Funktionalitäten ausliefern.






Aber auch viele ERP-Hersteller reklamieren BI als integrierten Bestandteil ihrer Angebote für sich. Viele vor allem kleinere Unternehmen beschränken sich denn auch bei ihren BI-Aktivitäten auf die Tools, die ihnen das ERP-System zur Verfügung stellt. Viele stossen dabei aber an Grenzen, da die meisten ERP-Systeme weder funktional noch in Sachen Performance an die spezialisierten Lösungen herankommen. So kann in Einzelfällen eine komplexe Anfrage das ganze ERP-System lahmlegen, wie Keller aus Erfahrung weiss.


Die Business-Intelligence-Disziplinen

Business Intelligence kann grob in vier Software-Disziplinen aufgeteilt werden. Bei der Anbieter-Evaluation ist es wichtig, zu beachten, dass die meisten Hersteller auf Grund ihrer Herkunft in einem Bereich besonders stark sind.






Enterprise Reporting:
Moderne Reporting-Tools stellen von Quellsystemen generierte Reports den einzelnen Anwendern Browser-basiert zur Verfügung.




Ad-hoc Query/Analyse:
Diese Tools setzen auf relationalen oder mehrdimensionalen Datenbanken auf und bieten analytische Auswertungen über Reports, die vom Anwender gestaltet werden können.





OLAP-Analyse:
Online Analytical Processing (OLAP) ermöglicht die interaktive Datenanalyse auf der Basis von Data Warehouses, die zeitnah durch ETL-Werkzeuge (Extract, Transform, Load) mit aktuellen Unternehmensdaten geladen werden. Häufig sind OLAP-Projekte auf bestimmte Geschäftsanwendungen (CRM, Marketing, Finanzwesen) zugeschnitten.






Analytic Scorecards/Dashboards:
Dashboard und Scorecards bieten eine grafische Visualisierung von Analysen und Daten. Sie wollen eine zentrale Steuerung der Schlüsselkennzahlen eines Unternehmens ermöglichen.




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