Lüftung für den Mac

Mit Boot Camp hat Apple ein Werkzeug zum Download bereitgestellt, mit dem selbst Laien im Handumdrehen Windows XP auf ihrem Mac installieren können.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/08

     

Seit Steve Jobs den Wechsel von PowerPC auf x86 angekündigt hat, war klar, dass Windows irgendwann auf den Maschinen von Apple laufen würde. Doch dass ausgerechnet Apple, wenn vorerst auch nur als Beta, ein Werkzeug bereitstellt, mit dem sich Windows auf einem Mac installieren lässt, hielten viele auf den ersten Blick für einen verspäteten, aber äusserst gelungenen April-Scherz. Dabei handelt es sich nicht nur um Realität, sondern auch um einen logischen und fast schon brillanten Schachzug. Denn Apple räumt mit Boot Camp im Handumdrehen eines der grössten Migrationshindernisse vom PC auf den Mac aus.


Verriegelte Fenster

Dass sich Windows nicht schon von Anfang an auf iMac, MacBook Pro und Mac mini installieren liess, lag vor allem daran, dass Apple kein BIOS verwendet, sondern statt dessen auf EFI setzt, was für Extensible Firmware Interface steht. EFI ist ein Industriestandard und stellt eine Umgebung für das Laden von Betriebssystemen und die Ausführung von Pre-Boot-Applikationen bereit. Es ist aus der Intel Boot Initiative hervorgegangen, die 1998 gestartet wurde, und soll das BIOS auf der x86-Plattform ersetzen. Allerdings wird EFI von Windows nicht unterstützt, woran sich gemäss Aussagen von Microsoft auch mit Vista nichts ändern wird. Damit EFI das BIOS auch ohne Betriebssystem-Support ersetzen kann, besitzt es einen BIOS-Emulator namens CSM (Compatibility Support Module). Dieser fehlte aber den Macs. Ein weiteres Problem waren die fehlenden Treiber, die für Tastatur (wegen des unterschiedlichen Tasten-Layouts) und sämtliche Chipsätze (Bluetooth, Grafik, Netzwerk, Mainboard) benötigt werden. Das EFI-Problem konnte der private Programmier-Wettbewerb OnMac.net bereits Mitte März lösen, bei dem knapp 14‘000 Dollar für die Erstellung einer Lösung ausgelobt wurden, mit deren Hilfe sich Windows auf einem Mac booten lässt. Dies, indem die «siegreichen» Programmierer selber einen BIOS-Emulator für EFI geschrieben haben. Doch brauchbare Treiber konnten auch sie nicht liefern.
Diese stehen nun aber zusammen mit einem offiziell inoffiziellen BIOS-Emulator, einem Boot Loader und einigen anderen Werkzeugen in Form von Boot Camp und Firmware-Upgrades für sämtliche Intel-Macs bereit. Doch funktioniert Windows auf einem Mac und vor allem, wie einfach ist die Installation? Um das herauszufinden, haben wir mit einem jungfräulichen MacBook Pro Mythbusters gespielt.


Vorbereitungen

Um Windows XP auf einem Mac installieren zu können, werden mehrere Komponenten benötigt:



- Ein Mac mit Intel-Prozessor und CD-Brenner. InfoWeek stand ein freundlicherweise von Apple zur Verfügung gestelltes MacBook Pro mit Intel Core Duo 2,0 GHz, 2 GB DDR-RAM und 100 GB grosser Festplatte zur Verfügung. Ebenfalls geeignet sind ein aktueller iMac oder Mac mini.




- MacOS X 10.4.6.



- Ein Firmware-Upgrade für den jeweiligen Intel-Mac von den Apple-Support-Seiten. Für das MacBook Pro von Anfang 2006 wird mindestens das Firmware-Update 1.0 benötigt.



- Boot Camp selber kann als knapp 90 MB grosses Disk Image heruntergeladen
werden.



- Eine CD mit Windows XP Home oder Professional und SP2. Frühere Versionen von Windows XP lassen sich (noch) nicht einsetzen, ebenfalls wird im Internet über Probleme mit CDs berichtet, auf denen nachträglich das SP2 hinzugefügt wurde.



- Ebenfalls empfiehlt es sich, ein Komplett-Backup anzulegen oder Boot Camp nur auf einer Testmaschine zu verwenden. Denn auch wenn all unsere Aktivitäten mit Boot Camp reibungslos verlaufen sind, gibt es auch hier Berichte im Internet, wonach Boot Camp die MacOS-X-Partition unbrauchbar machen kann.



Nachdem man MacOS X gegebenenfalls via Software-Aktualisierung auf Version 10.4.6 gebracht hat, gilt es, das Firmware-Upgrade durchzuführen, welches den Mac mit dem BIOS-Emulator ausstattet. Dabei ist es ganz wichtig, die Instruktionen des Firmware-Updaters zu befolgen, da sonst unter Umständen der Mac beschädigt werden kann. Nachdem man diesen etwas heiklen Schritt überstanden hat, kann Boot Camp installiert und der Boot-Camp-Assistent gestartet werden. Mit dessen Hilfe wird der Intel-Mac in wenigen Schritten auf Windows XP vorbereitet. So gilt es zuerst eine Treiber-CD zu brennen, auf der sich sämtliche benötigten Treiber für Windows XP befinden, und dann die Festplatte so aufzuteilen, dass auch Windows XP sein Plätzchen findet (siehe Screen-shots). Nachdem dies geschafft ist, braucht man nur noch die Windows-XP-CD einzulegen und auf «Installation starten» zu klicken. OS X fährt herunter, das MacBook Pro startet neu und der erste blaue Bildschirm erscheint...


Die Hölle friert zu

Der Installer von Windows XP legt los wie auf jedem Standard-PC, und nach etwa 40 bis 50 Minuten Geduld ist Windows XP installiert. Wie das zu erwarten war, funktioniert wegen der fehlenden Treiber noch relativ wenig. Diese lassen sich aber dank einer einfachen Setup-Routine im Handumdrehen von der CD nachinstallieren, und nach einem weiteren Reboot ist Windows XP auf dem Intel-Mac einsatzfähig. Sowohl der WLAN- als auch der ATI-Treiber funktionieren einwandfrei. Das Fehlen der Delete-Taste (sehr wichtig wegen Ctrl+Alt+Del) lässt sich mit einer Umbelegung des Tastaturlayouts korrigieren, indem man die Delete-Taste z.B. auf die rechte Option-Taste legt. Für einen Eindruck der Leistungsfähigkeit und Stabilität von Windows XP auf dem MacBook Pro haben wir einige Testläufe mit PCMark05 und diversen 3DMark-Versionen von Futuremark durchgeführt. PCMark05 testet die Leistungsfähigkeit eines Computers beim Alltagseinsatz, unter anderem beim Codieren und Abspielen von Windows, dem Rendering von Webseiten oder bei der Darstellung von Grafik. Das MacBook Pro hat es auf stolze 3376 Punkte gebracht, während der schnellste unserer Standard-PCs (Athlon XP 3200+, GeForce Ti 4200, 1 GB RAM) es gerade einmal auf 2059 PCMarks gebracht hat. 3DMark testet die Performance beim Spielen. Bei 3DMark 06 erreichte das MacBook Pro 1518 Punkte, bei 3DMark05 2876 Punkte und bei 3DMark03 4950 Punkte. Auch hier liess es den Athlon weit hinter sich, vor allem, da die Grafikkarte des Athlon ziemlich angestaubt und für 3DMark05 und 06 nicht mehr geeignet ist. Stellt man dagegen dem Athlon XP 3200+ eine ATI Radeon X800 Pro zur Seite, liegt man leicht über der Leistung des MacBook Pro.


Zurück zu X!

Um zurück zu MacOS X zu kommen, kann man entweder in der Systemsteuerung von Windows XP die Startvolume auswählen oder den Rechner neu starten und mittels gedrückter Option-Taste den Boot Manager aufrufen und das Laufwerk auswählen, von dem gebootet werden soll. Einmal zurück in MacOS X lässt sich Windows XP problemlos wieder entfernen, indem man den Boot-Camp-Assistent wieder aufruft und ihn die Windows- mit der MacOS-X-Partition verschmelzen lässt. Nach dem Windows-Test haben wir auch versucht, Linux zu installieren. Positiv ist, dass sowohl der Installer von Ubuntu 5.10 als auch von Fedora Core 5 geladen werden konnten und ihre Arbeit mindestens am Anfang ohne Probleme verrichteten. Während sich Ubuntu 5.10 an der Partitionstabelle verschluckte und manuelle Intervention erfordert hätte, konnte Fedora Core 5 diese Hürde problemlos überspringen und installierte sich komplett. Nach dem obligaten Reboot war leider auch hier Schluss und Grub blieb bei Stage 2 hängen. Allerdings kann davon ausgegangen werden, dass die Linux-Community die Probleme schnell in den Griff bekommt und Linux entweder mit Hilfe des BIOS-Emulators oder gleich via EFI an den Start schickt - Linux enthält bereits seit einiger Zeit experimentellen EFI-Code. Entsprechende Versionen sind beispielsweise von Knoppix bereits in Vorbereitung.


Nur ein halbes Eigelb

Boot Camp soll mit MacOS X 10.5 alias «Leopard» ein fester Bestandteil von Apples Betriebssystem werden. Bis dahin gibt es noch einiges zu tun, so fehlt unter anderem Support für Windows Vista. Doch bereits jetzt bringt Boot Camp allen Mac-Anwendern einen deutlichen Mehrwert. Denn sie können nun Windows-Applikationen verwenden, für die es kein Mac-Pendant gibt, ohne auf einen weiteren Computer zurückgreifen zu müssen. Apple eliminiert damit auch gleich ein grosses Migrationshindernis. Denn ein Switch von Windows auf Mac ist je nach Anwendungsgebiet ziemlich teuer, da nicht nur die Hardware, sondern auch jede Menge Softwarelizenzen und unter Umständen auch Peripherie neu gekauft werden muss. Dank Boot Camp lässt sich dieser Übergang sanfter gestalten. Zumal auch die Herzen der Gelegenheitsspieler befriedigt werden, für die selbst auf einem MacBook Pro ausreichend Leistungsreserven für leistungsmässig anspruchsvolle Spiele zur Verfügung stehen. Einziger Wermutstropfen, wenn man dem überhaupt so sagen will, ist, dass man jedes Mal den Rechner neu starten muss, um eine Windows-Software benutzen zu können. Wer dies nicht will, muss weiterhin auf Virtualisierungsumgebungen wie VirtualPC oder Parallels Workstation setzen oder hoffen, dass Apple irgendwann ein Classic für Windows aus dem Hut zaubert. Danach sieht es zwar bislang nicht aus, aber wer weiss schon, was bis «Leopard» noch alles passieren wird?




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