Surfer's Corner: Spenden Sie Ihren Computer für Krebsforschung

Eine völlig neue Dimension bringt der «Lifesaver Screensaver» von United Devices in die Peer-to-Peer-Diskussion.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/14

     

Peer-to-Peer-Technologie ist ja eigentlich von gestern. Schon Windows for Workgroups ermöglichte den Filetransfer auf P2P-Basis, ganz zu schweigen vom Macintosh System 7 anno 1990. Allerdings bliebendie Freuden des gleichberechtigten Netzwerkens dannzumalen auf den lokalen Bereich beschränkt. Das Internet bringt nun die Technik einerseits auf die gesamte Weltbühne und schafft andererseits die Basis für raffiniertere Anwendungen.


Anarchistisch, kommerziell oder philanthropisch?

Die bisher bekannten P2P-Anwendungen auf Internetbasis teile ich in drei Kategorien ein. Der Surfer hat die Wahl zwischen drei ethisch unterschiedlichen Modellen. Ganz im von Internet-Puristen propagierten vermeintlichen Ursinn des Netzes aller Netze anarchistisch (an dieser Stelle folgt das unweigerliche Notabene: Der wirkliche Ursprung des Internet lag im militärischen Bereich) geben sich Projekte wie Gnutella und Napster.



Kommerziell ist P2P bis anhin wenig gebräuchlich. Doch es zeigen sich erste Ansätze: Lotus-Notes-Vater Ozzi hat mit seiner neuen Firma Groove soeben die kommerzielle Verfügbarkeit einer P2P-basierten, serverlosen Groupware-Plattform angekündigt.




Eine völlig neue Dimension bringt der "Lifesaver Screensaver" von United Devices in die Peer-to-Peer-Diskussion. Die Power eines ans Internet angebundenen PCs soll, sofern er nicht gerade durch den Benutzer selbst beansprucht wird, einem wissenschaftlichen Projekt von allgemeinem Interesse zugute kommen. Teilnehmer des "Think"-Projekts können gewissermassen einen Teil der zur Verfügung stehenden Prozessorleistung einem gemeinnützigen Vorhaben spenden.



Das aktuelle Projekt: Krebsforschung. Eine Unzahl von potentiell gegen Leukämie hilfreichen Molekülen, von denen die wenigsten bisher überhaupt synthetisiert wurden, sollen im Computermodell auf mögliche Interaktionen mit krebsrelevanten Proteinen getestet werden. Zeigt eine Substanz vielversprechende Eigenschaften, könnte sie vielleicht als Basis für ein Mittel gegen Leukämie dienen. Das scheint mir in der Bedeutung dann doch etwas wesentlicher zu sein als die Suche nach ausserirdischem Leben à la Seti-at-Home.



Es dürfte niemanden geben, der dem edlen Zweck grundsätzlichen Widerstand entgegensetzt. Immerhin steckt mit der Universität von Oxford kein böser Pharmamulti dahinter, sondern ein öffentliches Bildungsinstitut. Dass Intel als Sponsor fungiert, braucht in diesem Zusammenhang nur am Rande zu interessieren. Man lade die Software von www.intel.com/cure herunter und installiere sie sofort.




Sexy Screensaver

Abgesehen von der befriedigenden User Experience, auch als Nicht-Multimilliardär philanthropische Tätigkeit zu entfalten, macht sich die Think-Software auf dem Bildschirm ausgesprochen gut. Im Moment läuft bei mir eine spannende Schlacht des Testmoleküls 1-20-21-96 gegen ein Enzym mit dem abenteuerlichen Namen Superoxid-Dismutase, das im dargestellten Modell wie die abgespacte Kreation eines Hippie-Künstlers unter mindestens dreihundert Mikrogramm LSD aussieht.



Die Software läuft übrigens wahlweise permanent, wobei sie die Prozessorbelastung automatisch reduziert, sobald der Benutzer den PC für eigene Zwecke braucht, oder sie wird nur als Screensaver aktiv, wenn der PC ansonsten gar nicht gebraucht wird. Eine ständige Verbindung zum Internet ist nicht nötig: Die errechneten Resultate werden auf dem PC zwischengespeichert - der Benutzer kann den maximal dazu verwendeten Speicherplatz nach Belieben einschränken - und erst nach Abschluss des gesamten Teilprojekts an den United-Devices-Server übermittelt.




Die einzige dissonante Note, die sich nun in das Loblied auf diese fabelhafte Peer-to-Peer-Anwendung einschleicht, stammt aus meinem angekratzten Selbstbewusstsein: Da erreicht doch meine Kayak-Workstation, die ich bisher für das Nonplusultra an Performance hielt, gerade mal 42 von 100 Punkten im Vergleich mit dem "Comparison Device", laut Angaben auf der Informationsseite der Software ein "High-End-Desktop-System". Ob da vielleicht doch Intel seine Finger im Spiel hat und den 1,5-Gigahertz-Pentium-4 propagieren will?



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