Blick in die Zukunft per Data Mining

Blick in die Zukunft per Data Mining

9. April 2001 - Das MIT bezeichnet Data Mining als eine jener Technologien, die die Welt massiv verändern werden. InfoWeek präsentiert die Konzepte, Strategien und Lösungen.
Artikel erschienen in IT Magazine 2001/13

Tante Emma - wir müssen die geplagte Dame hier leider aufs neue strapazieren - wusste noch höchstpersönlich, welche Vorlieben und Bedürfnisse jeder einzelne Kunde ihres sprichwörtlichen Ladens hatte. Es fiel ihr leicht, für Herrn Huber und Frau Weber das Gewünschte zu finden, und weil der Service so gut war, kauften die Kunden ihr gerne zusätzlich das passende Accessoire ab. Das Geschäft lief wie geschmiert.



Das durchschnittliche Unternehmen von heute, ganz zu schweigen vom multinationalen Grosskonzern, kennt seine Kunden nicht mehr persönlich. Dies liegt ebenso an der hohen Zahl und der weiten geografischen Verbreitung der Kunden wie daran, dass für einen bestimmten Kunden kaum je während der gesamten Geschäftsbeziehung der gleiche Mitarbeiter zuständig ist. Ganz anonym wird es, wenn Call Center und E-Commerce-Website zum einzigen Kontaktpunkt zwischen Anbieter und Abnehmer werden.



Diesem Informationsdefizit im modernen Geschäftsleben steht diametral ein überwältigender Datenberg gegenüber, der sich mit der IT-gestützten Abwicklung der gesamten Geschäftsbeziehung wie von selbst anhäuft. Die Kundenhistory aus Call-Center- und anderen CRM-Applikationen, Rechnungsdaten von ERP- und Transaktionen von POS-Systemen, Logfiles vom Webserver und viele andere Daten fallen laufend an und bleiben, nur schon aus juristischen und buchhalterischen Gründen, für längere Zeit in den Datenbanken beziehungsweise einem speziell zu diesem Zweck angelegten Data Warehouse gespeichert. Es wäre schön, wenn sich aus diesen ohnehin vorhandenen, an sich aber über die Aufzeichnungspflicht hinaus nutzlos gehorteten Daten, allenfalls ergänzt durch externe Quellen wie demografische Angaben und eingekaufte Adressen, geschäftsfördernde Informationen gewinnen liessen.


Data Mining: Die Definition

Der Prozess, grosse Datenbestände mittels geeigneter Auswahl und systematischer Suche anhand von statistischen Modellen und mit Artificial-Intelligence-Techniken softwaregestützt zu durchforsten, dadurch bisher unbekannte Beziehungen in den Daten zu entdecken und diese in geschäftsrelevante Informationen umzuwandeln, wird als Data Mining bezeichnet. Das Credo der Data-Mining-Experten: Wie Goldadern in einer konventionellen Mine findet man per Data Mining im Datenberg den Schlüssel zur kommerziellen Glückseligkeit. Das SAS Institute, ein langjähriger Hersteller von Data-Mining-Tools, sieht drei Hauptanwendungen von Data Mining im Unternehmen:




• Die profitabelsten Kunden finden und bei der Stange halten: Demografische Daten, gepaart mit dem Kaufverhalten bisheriger Kunden, helfen beim Aufbau einer langfristigen Geschäftsbeziehung durch Erkennen und Erfüllen der Bedürfnisse. So lässt sich zum Beispiel feststellen, dass Käufer eines bestimmten Produkts gleichzeitig oder später meist auch ein anderes Produkt erwerben - der Weg für gezieltes Cross-Selling und mehrstufige Angebotsfolgen steht offen.




• Den Markt für gezieltes Marketing segmentieren: Zielgerichtete Kampagnen kosten bei gleichem Erfolg zwanzig mal weniger als breitgestreute Mailings. Mit Data Mining lässt sich die bestehende und prospektive Kundenbasis in Zielgruppen gliedern. Ein Mailing kann so auf diejenigen Kunden konzentriert werden, die mit der grössten Wahrscheinlichkeit darauf ansprechen.




• Zukünftige Entwicklungen voraussehen und Faktoren identifizieren, die einen gewünschten oder unerwünschten Effekt bewirken: Data-Mining-Techniken ermöglichen die Optimierung von Produktionsprozessen und Geschäftsbeziehungen durch Vorwegnahme von Problemen, bevor diese überhaupt auftauchen. Klassisches Beispiel ist die Churn-Analyse im Telekom-Massengeschäft zur Ermittlung von Kunden, die demnächst abspringen werden.



Mit dem Postulat, dank Data Mining erhalte ein Unternehmen Einsicht in die Gedanken seiner Kunden, geht SAS denn aber doch etwas zu weit. Abgesehen davon, dass Gedankenlesen wohl nicht gerade wünschenswert wäre, haben die aus dem Data-Mining-Prozess resultierenden Erkenntnisse ihre klaren Grenzen. So liefert Data Mining die Information, dass eine berufstätige Hausfrau um die dreissig, die im eigenen Hause lebt und mit zwei Kindern gesegnet ist, im Durchschnitt alle drei Jahre einen neuen Mikrowellenherd mit Grill kauft - aber ob sie bei passendem Budget nicht lieber eine Kombination aus Backofen und Mikrowelle hätte, kann auch der gewiefteste Data-Mining-Anwender nicht herausfinden: Das künftige Kaufverhalten prognostiziert Data Mining auf Basis von Daten aus der Vergangenheit. Um herauszufinden, was ein Kunde wirklich will, kommt man nicht um die direkte Befragung herum.

 
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