Knowledge Management

Das Unternehmen Ernst & Young konnte mit dem Einsatz von Knowledge Management die Effizienz merklich steigern.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/36

     

Die zahlreichen Awards beweisen es: Ernst & Young gehört weltweit zu den anerkanntesten "Knowledge Companies". Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen arbeitet seit über sieben Jahren mit Knowledge-Management-Techniken, die sich von den ersten Anfängen ("zwei Mitarbeiter, ein Aktenschrank") bis zur heutigen, sowohl global als auch länderspezifisch verankerten Intranet-Lösung rasant entwickelt haben.



Unter Knowledge Management (KM) versteht man die Gesamtheit der Prozesse, Werkzeuge und Techniken, die der Entstehung, Verteilung und Nutzung von Wissen dienen. Konkret ausgedrückt, geht es darum, dass alle Mitarbeiter das gesamte in einem Unternehmen erarbeitete Wissen genau dann nutzen können, wenn sie es brauchen. Dabei hilft die Informationstechnologie mit Datenbanken (Information Storage), Suchmaschinen (Information Retrieval) und Groupware (Collaborative Document Processing, Workflow Management).




Knowledge Management umfasst aber weit mehr als den Einsatz irgendwelcher Softwareprodukte: "Die Beziehungen zwischen den Menschen im Unternehmen sind der wesentliche Erfolgsfaktor beim Knowledge Management. Die Technologie dagegen ist einfach die notwendige Basis, um die grosse Informationsmenge überhaupt zu erfassen und zu verarbeiten", betont Christian Tanner, Manager Knowledge Management Services bei der Schweizer Ernst & Young-Niederlassung.


Eigene Knowledge-Organisation

Die Bedeutug von KM für Ernst & Young schlägt sich auch in der Firmenorganisation nieder: Das weltweit tätige Center for Business Knowledge (CBK) beschäftigt 600 Mitarbeiter (in der Schweiz 12), die in erster Linie Informationen aus den verschiedensten firmeninternen und externen Quellen aufbereiten, filtern, klassifizieren, mit dem eigenen branchenspezifischen Wissen anreichern und in Datenbanken ablegen. Daneben versorgt das CBK die Berater mit KM-Dienstleistungen wie beispielsweise Marktstudien, Konkurrenz- und Firmenanalysen, die es zu genau definierten Kosten innert festgelegter Fristen erstellt.



Die Haupttätigkeit von Ernst & Young ist die Wirtschaftsprüfung. Jeder Auditor bearbeitet Kunden einer bestimmten Branche, und für jede Branche existiert ein Knowledge Manager als Bindeglied zwischen dem CBK und den Wirtschaftsprüfern. Er teilt dem CBK die Informationsbedürfnisse der Prüfer mit und koordiniert den Informationsfluss zwischen den Fachgruppen und der KM-Organisation. In Zukunft will Ernst & Young sowohl die Ergebnisse der eigenen KM-Anstrengungen in Form von Studien und Analysen als auch sein technisches und methodisches KM-Know-how nicht nur intern, sondern auch den Kunden direkt anbieten.




Knowledge Management bedeutet jedoch nicht bloss, dass eine Unmenge externer Informationen zum Konsum bereitsteht. Noch viel wichtiger ist, dass auch das in der Praxis erworbene interne Know-how in die Wissensdatenbanken einfliesst. Deshalb sind alle Mitarbeiter verpflichtet, eigene Beiträge zu leisten. Auch umgekehrt gilt eine Pflicht: Informationen werden nicht mehr auf Papier verschickt; die Mitarbeiter müssen sich alle Informationen, zum Beispiel Materialien zu einer Veranstaltung, aus dem Intranet besorgen.




Wissen aus vielen Quellen

Den Mitarbeitern von Ernst & Young stehen verschiedene Werkzeuge zum Abruf der gesammelten Informationen zur Verfügung. Sie liefern sowohl firmenintern erworbenes Wissen als auch Angaben aus externen Datenquellen:




• Die Ernst & Young Connection ist das weltweite Intranet der Firma. Neben News, Telefonverzeichnissen und anderen allgemein benötigten Informationen bietet es Zugang zum E&Y Knowledge Web: Über eine eigenentwickelte leistungsfähige Search Engine lassen sich über 4000 interne Datenbanken mit mehr als einer Million Objekten abfragen. Darunter finden sich Finanz- und Wirtschaftsinformationsdienste wie Dun&Bradstreet, Genios, Standard&Poor's, Gartner Group und Forrester. Der Zugriff ist demokratisch geregelt: "Grundsätzlich haben alle Mitarbeiter Zugang zu den allgemeinen Informationen. Nur bei grosszügiger Handhabung entsteht eine Arbeitskultur, die den Wissensaustausch ermöglicht."





• Die Community Homespaces, ebenfalls Teil des globalen E&Y-Intranet, sind virtuelle Treffpunkte, in denen sich Experten bestimmter Fachgebiete wie zum Beispiel Corporate Finance oder Business Innovation weltweit austauschen können. Die Homespaces sind strukturell identisch aufgebaut und enthalten neben einer Welcome-Seite und dem eigentlichen Diskussionsforum auch eine News- und Link-Sektion.




• Die länderspezifische Intranet-Site bietet kondensiertes, durch die CBK-Mitarbieter aufbereitetes Praxiswissen, eingeteilt nach Branchen und praktischem Nutzen: Die Wirtschaftsprüfer erhalten Leitfäden für den Audit-Prozess, Planungstools, Informationen über die branchenspezifischen Kundenbedürfnisse, Warnhinweise auf speziell zu beachtende Punkte sowie Vorlagen für Offerten und Berichte, die damit nicht für jeden Fall neu erstellt werden müssen.




• Eine Skills-Datenbank liefert detaillierte Informationen über das Know-how der einzelnen Ernst & Young-Mitarbeiter in der Schweiz. Man erhält rasch Kontakt zu einem geeigneten Experten für das gewünschte Fachgebiet und bekommt die benötigten Informationen oft schneller als mit einer Suche in den Wissensdatenbanken. Neben dem in Dokumenten gespeicherten Wissen ist das persönliche interne Beziehungsnetz äusserst wichtig, dessen Aufbau die Skills-Datenbank massgeblich unterstützt.


Standardsoftware als Basis

Für die technische Umsetzung verzichtet Ernst & Young weitgehend auf Spezialsoftware. Die länderspezifischen internen Informationen werden mit Lotus Notes verwaltet, laut Tanner eine geeignete Grundlage für KM: "Lotus Notes ist am Anfang gewöhnungsbedürftig, aber für die Kooperation, zum Beispiel bei der gemeinsamen Arbeit im selben Dokument, sicher eines der geeignetsten Produkte am Markt." Sämtliche Arbeitsplätze werden im Laufe dieses Jahres auf Windows 2000 und Lotus Notes 5 migriert.



Jeder Notes-Datenbank ist ein Owner zugeteilt. Er bestimmt die Berechtigungen, baut die Datenbankstruktur auf und organisiert den Validierungsprozess für die Inhalte, die in die Datenbank aufgenommen werden sollen. Bei Ernst & Young handelt es sich dabei meist um einen Experten aus den Fachbereichen und nicht um einen Techniker; im Fall von technischen Problemen liefern Spezialisten der IT-Abteilung Unterstützung.





Spezielle Search-Engine

Nicht von der Stange ist dagegen die Suchmaschine, mit der die 4000 Datenbanken des Knowledge Web abgesucht werden. Die eingesetzte Software wurde von Ernst & Young selbst entwickelt, da die Features der marktgängigen Produkte den Bedürfnissen nicht völlig genügten.



Zu den produktivitätssteigernden Zusatzfeatures der Eigenentwicklung gehören pro Suchresultat abrufbare Zusammenfassungen in mehreren Ausführlichkeitsstufen. Dasselbe gilt für die Einschränkung der Suche auf Dokumente in bestimmten Sprachen oder aus bestimmten Quellen. Weiter sind die Angabe der Quelle bei jedem Suchresultat sowie umfassende Sortierfunktionen hilfreich.





Der Nutzen von Knowledge Management

Der Nutzen, den KM einem Unternehmen bringt, ist nur teilweise in konkreten Zahlen auszudrücken. Christian Tanner erklärt dazu: "Für die meisten Unternehmen stehen zunächst nur die Einsparungen im Vordergrund, und auch die Hersteller von KMU-Tools argumentieren oft mit dem kurzen Return on Investment. Viel wichtiger ist aber folgender Aspekt: Je mehr ein Unternehmen vom Wissen durchdrungen ist, desto intensiver nimmt es die Umwelt wahr und kann Veränderungen und neue Prozesse schneller umsetzen, was sich massgeblich auf die langfristige Sicherung des Unternehmenserfolgs auswirkt."




Direkt messbare Einsparungen ergeben sich durch die papierlose Informationsverteilung. Ausserdem erhöht sich die Produktivität: Ein Vergleich der weltweiten Zahlen von Ernst & Young zeigt, dass seit 1993 das Unternehmensergebnis rund doppelt so schnell wächst wie die Zahl der Mitarbeiter - ein Faktum, das laut Tanner zu einem guten Teil dem KM-Einsatz zu verdanken ist: "Wir sind wesentlich effizienter geworden. Damit Knowledge Management aber wirklich etwas bringt, braucht es eine Umgebung, in der Wissen sich entwickeln kann. Das Management muss hierzu die richtigen Zeichen setzen und den Mitarbeitern dafür Zeit und Raum geben. Schweizer Unternehmen tun in dieser Beziehung meist noch zu wenig."



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