Universalsuite für die Kreativarbeit

Mit der neuen Anwendung Bridge als Teil der Creative Suite 2 löst Adobe das Integrationsversprechen ein, das in der ersten Version der Suite erst lückenhaft erfüllt wurde.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/12

     

Das grosse Thema der Business-IT heisst Integration. Mit der Creative Suite begann Adobe schon letztes Jahr, seine Grafik- und Webdesign-Anwendungen ebenso eng zu verknüpfen, wie man es von CRM, ERP und anderen geschäftskritischen Applikationen zunehmend kennt. Nun folgt die zweite Ausgabe des Kreativ-Gesamtpakets mit einigen fundamentalen Neuerungen und zahlreichen Verbesserungen im Detail.


Flexible, aber feste Brücke...

Im Zentrum der Creative Suite 2 (CS2) steht Adobe Bridge, simpel betrachtet eine aufgemotzte Version des mit Photoshop 7 eingeführten Dateibrowsers. Die neue Brücke ist aber mehr als ein elektronisches Leuchtpult für Bilder: Sie dient als Schaltzentrale für alle Kreativprojekte mit den Adobe-Programmen, verschafft Direktzugriff auf verschiedene kostenpflichtige Online-Fotodatenbanken sowie RSS-Feeds und andere Informationsressourcen von Adobe, zeigt neben Photoshop-, Illustrator-, GoLive- und InDesign-Files auch mehrseitige PDFs und sogar Dateien von Nicht-Adobe-Programmen an. Das Farbmanagement lässt sich hier für die ganze Suite programmübergreifend festlegen. Unterschiedliche Farbkorrektureinstellungen in Photoshop, Illustrator und InDesign gehören damit der Vergangenheit an.





Der Versions- und Workflow-Manager VersionCue ist direkt in Bridge integriert und macht damit endlich nicht nur im Hintergrund Sinn – Bridge zeigt zu jeder Datei, die mit VersionCue verwaltet wird, alle Versionen mit Name und Vorschaubild an. Mit einem Doppelklick lässt sich jede Version direkt in der passenden Applikation öffnen. Links neben dem Dateibrowser zeigt Bridge einen Bereich mit sämtlichen Metadaten der gewählten Datei an, darüber das Dateisystem des Rechners in Baumdarstellung, ergänzt durch die vorhandenen VersionCue-Arbeitsbereiche. Wer seine Dateien konsequent in Projekte gliedert und diese mit VersionCue verwaltet, profitiert enorm – das gilt nicht nur im mehr oder weniger grossen Team, sondern schon für den kreativen Einzelkämpfer. VersionCue nimmt einem nicht zuletzt die lästige Aufgabe ab, jede neue Version einer Gestaltung mit unterschiedlichen Filenamen zu speichern und sich auch noch zu merken, was wann und wie gesichert wurde.






Der Dateibrowser selbst bietet je nach Geschmack verschiedene Darstellungen, darunter neben den gewohnten Listen- und Icon-Views auch eine Filmstreifenansicht. Sie zeigt im unteren Fensterbereich die Dateien in Form einer scrollbaren Reihe von Vorschaubildern an, das aktuell gewählte Bild erscheint darüber in grösserer Darstellung – ideal, um sich eine rasche Übersicht über den Inhalt eines ganzen Ordners zu verschaffen. Auf Wunsch präsentiert Bridge auch bloss alle in einer von vier Farben beschrifteten Dateien oder solche, die mit einer bestimmten Bewertung versehen sind: Jede Datei lässt sich dazu im Rahmen der Beschriftung mit null bis fünf Sternen kategorisieren.
Bridge wird wahlweise als eigenständige Applikation eingesetzt oder mit dem Befehl «Durchsuchen» aus den CS2-Anwendungen heraus aufgerufen. Neben der Anzeige des gesamten Fensters lässt sich auch nur der Dateibrowser als verkleinerte Palette im Stil der übrigen Werkzeugpaletten darstellen.


...mit grossem Platzbedarf

Das klingt alles wunderbar, hat aber einen Haken: Es braucht Platz. Eine vollständige CS 2 belegt weit über 3 GB. Laut Systemvoraussetzungen benötigt man für die Arbeit mit Bridge und einer Kreativapplikation mindestens 384 MB RAM; empfohlen werden 512 oder mehr. Unser Testsystem mit 512 MB war mit dem gleichzeitigen Betrieb von Photoshop und InDesign sichtlich gefordert – kein Wunder, denn schon die Prozesse von Bridge und VersionCue verlangten nach fast 200 MB, und auch dies erst dann, als wir die Zuteilung an VersionCue, per Default auf 128 MB eingestellt, auf die Hälfte reduzierten. Der Ressourcenhunger dürfte für die Profi-Workstation problemlos zu verkraften sein, bei der Nebenbei-Nutzung auf enem Business-PC jedoch ein grösseres Problem darstellen.


Paradepferd mit zusätzlichem Elan

Photoshop bleibt auch in der jüngsten Version das Nonplusultra der Rasterbildbearbeitung. Adobe hat dennoch diverse Verbesserungen eingebaut, so lassen sich nun beispielsweise Objekte auf mehreren Ebenen gleichzeitig mit der Maus bewegen, gruppieren und transformieren. Dazu kommen mehrere Features, die guten Nutzen bringen, auch wenn sie im Detail noch verbesserungsfähig sind. Man fragt sich nach kurzer Einarbeitung allerdings, wieso es nicht schon immer so war...




Raster- und Vektorelemente lassen sich neu als sogenannte SmartObjects in eine Komposition einfügen, am flexibelsten jeweils auf einer eigenen Ebene. Danach kann man solche Objekte beliebig transformieren und durch Kopieren der jeweiligen Ebene auch mehrfach in unterschiedlich transformierten Varianten einfügen. Der Bezug zu den Originaldaten bleibt dabei immer erhalten; mit einem Befehl im Ebenenmenü lässt sich der Inhalt eines SmartObject jederzeit in der ursprünglichen Applikation bearbeiten – selbst komplizierte Vektorgrafiken aus Illustrator bleiben immer editierbar. Die Änderungen erscheinen danach in der Komposition bei allen transformierten und duplizierten Instanzen des Objekts.
Für die Anpassung eines Bildteils auf räumliche Strukturen stellt Photoshop CS2 zwei neue Mechanismen zur Verfügung: Der Befehl «Verkrümmen» erlaubt den ausgewählten Bildbereich einer gekrümmten Kontur anzupassen – im Gegensatz zum «Verzerren», wo nur geradlinige Kanten möglich sind. Per Verkrümmung lässt sich zum Beispiel eine Flasche mit einem separat erstellten Etikett verzieren.






Der Befehl «Fluchtpunkt» erleichtert perspektivisch korrekte Kompositionen: Durch Angabe von vier Eckpunkten erstellt man zunächst eine Perspektivebene. Objekte aus der Zwischenablage werden beim Einfügen automatisch zurechtverzerrt. Mit dem Stempel- und Pinselwerkzeug im Fluchtpunkt-Dialog lassen sich zudem Bereiche aus dem gleichen Bild perspektivisch korrekt auf die Ebene übertragen. Das User-Interface ist allerdings sperrig: Ele-mente aus anderen Bildern lassen sich nur dann perspektivisch anpassen, wenn man sie vor dem Aufruf des Fluchtpunkt-Dialogfelds in die Zwischenablage kopiert. Das modale Dialogfenster lässt weder einen Wechsel zu anderen Bildern zwecks Copy/Paste zu, noch bietet es eine Importfunktion für externe Dateien.
Als weitere Neuerung bietet Photoshop CS2 die Verarbeitung von mehreren Raw-Digitalfotos im Hintergrund. Dabei wird unter anderem auch das Format DNG (Digital Negative) unterstützt: Das Programm erledigt Anpassungen wie Belichtungs- und Farbkorrektur vollautomatisch im Stapelbetrieb.


Wenig Neues punkto Vektorgrafik

Die Neuerungen in Illustrator beschränken sich auf Verbesserungen in der Bedienung und einige neue Features, darunter «Interaktiv abpausen», mit dem sich Bitmap-Bilder in Vektorgrafiken mit editierbaren Pfaden umwandeln lassen. Das funktioniert rasch und zuverlässig und lässt sich über die zahlreichen Einstellungen exakt anpassen.
Mit «Interaktiv malen» füllt man Bildbereiche mit Farbe aus und erstellt anhand von sich überschneidenden Pfaden neue Formen. Bilder werden so intuitiv koloriert, Lücken automatisch ermittelt und korrigiert. Weitere Detailverbesserungen: einfaches Kolorieren von Graustufen und Schlagschatten, Unterstützung von Photoshop-Ebenenkompositionen, erweiterte Konturoptionen – neu können Konturen auf einem Pfad zentriert, innen oder aussen positioniert werden – sowie Support für zusätzliche Formate wie SVG-t und PDF/X sowie die neuesten Intuos3-Stifte von Wacom mit Druck- und Neigungsempfindlichkeit.






Wie in Photoshop und InDesign prangt nun auch in Illustrator auf Wunsch am oberen Fensterrand eine kontextsensitive Steuerungspalette, die je nach dem aktiven Werkzeug die jeweils passenden Optionen anzeigt. Illustrator CS2 kennt ausserdem benutzerdefinierte Arbeitsbereiche, die nur gerade die Paletten anzeigen, die man für eine bestimmte Aufgabe benötigt. Eine solche Zusammenstellung von Paletten kann jederzeit gespeichert, ausgetauscht oder geöffnet sowie als Vorlage verwendet werden.


Mehr Stil beim Seitenlayout

InDesign, anfangs trotz vollmundiger Ankündigung noch lahm und unausgereift, hat sich spätestens mit Version CS zum veritablen Quark-Killer gemausert. InDesign CS2 setzt noch einen drauf – wie bei den übrigen Komponenten der Suite, mit Ausnahme der revolutionären Bridge, liegt das Schwergewicht jedoch auch hier eher auf kleinen Verbesserungen als auf einer grundsätzlichen Neuausrichtung.





Eine der wichtigsten Neuerungen: Die Grafik-, Text- und Rahmenattribute eines Objekts lassen sich als Objektstil speichern und danach auf beliebige andere Objekte anwenden – eine elegante Alternative dazu, ein Musterobjekt in einer Bibliothek zu speichern und nach dem Einsetzen inhaltlich anzupassen. Mit Objektstilen kann man ausserdem bequem verschiedene Gestaltungen ausprobieren, ohne jedes einzelne betroffene Objekt zu editieren.






Vergleichbaren Komfort bietet die neue Unterstützung für Ebenen und Ebenenkompositionen in Photoshop- und PDF-Dateien: Die einzelnen Ebenen einer importierten Datei lassen sich nach Belieben anzeigen.
Ebenfalls nützlich: Einzelne Objekte können neu an einer bestimmten Stelle im Text verankert werden, so dass sie immer mitlaufen, egal wie sich der Text beim Editieren ändert. Auf diese Weise plaziert man Legenden, Zitate, Grafiken und andere Marginalien mit wenig Aufwand. Text verschiebt man nun auch per Drag&Drop – das gilt nicht nur innerhalb eines Dokuments; auch Textstellen aus anderen Anwendungen lassen sich durch Ziehen ins InDesign-Layout übertragen.
Text- und Grafikrahmen können als Snippets exportiert werden, um sie in anderen Dokumenten zu verwenden oder Teammitgliedern zur Verfügung zu stellen. Dazu zieht man das Objekt per Drag&Drop auf den Desktop, oder man exportiert es via Menübefehl. Technisch gesehen ist jedes Snippet eine XML-Datei im InDesign-Interchange-Format INX, die den vollständigen Inhalt des Objekts inklusive aller Seitenelemente und der auf diese Seitenelemente angewendeten XML-Strukturen enthält. Dieses Format sorgt auch für die Abwärtskompatibilität: Dokumente, die als INX exportiert werden, können auch mit der Vorgängerversion geöffnet werden.


Komplettpaket in zwei Varianten

Die Standardversion von CS2 enthält Photoshop, Illustrator, InDesign und Bridge samt VersionCue in den neuesten Ausgaben. Die getestete Premium Edition umfasst zusätzlich Acrobat 7 Professional – siehe Test in InfoWeek 3/2005 – und den Web-Editor GoLive CS2, der vor allem durch verbesserte Unterstützung für CSS-basiertes Layout glänzt. Die neue GoLive-Version bietet darüber hinaus erweitertes Echtzeit-Rendering auf Basis von Opera-Technologie zum schnellen Testen der erstellten Seiten, visuelle CSS-Authoring-Tools für mobile Endgeräte inklusive Prüfung und Bearbeitung von SVG-t-Inhalten, automatisches Erstellen von Favicons sowie die Möglichkeit, ein Seitenlayout über die InDesign-Funktion «Für GoLive verpacken» direkt zu übernehmen.






Auch mit diesen Neuerungen dürfte es GoLive schwerfallen, die Dominanz von Dreamweaver in der Webdesign-Szene zu brechen, zumal das künftige Schicksal der beiden Applikationen durch die Übernahme von Macromedia durch Adobe sowieso unklar ist. Auf Dauer wird Adobe wohl kaum zwei Webeditoren pflegen. Professionell tätigen Webdesignern stösst bei GoLive vor allem die Benutzeroberfläche mit den zahlreichen Paletten auf, die im Vergleich zum monolithischen Interface von Dreamweaver etwas wirr wirkt. Man darf gespannt sein, welche Philosophie sich dereinst durchsetzen wird.

(ubi)


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wieviele Fliegen erledigte das tapfere Schneiderlein auf einen Streich?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER