Starkes Linux Desktop Publishing

Mit Scribus 1.2 wird Seitenlayout auf Linux-Desktops mit PDF und XML zur Realität.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/20

     

Desktop Publishing auf Linux-Desktops war bis vor kurzem ein Ding der Unmöglichkeit, ausser man editierte die PostScript-Files mit Hilfe rudimentärer Tools von Hand. Scribus 1.2 verschafft nun endlich auch dem Desktop-Linux-Enthusiasten die Möglichkeiten bekannter DTP-Programme wie PageMaker oder InDesign. Als Vorbild diente dem deutschen Scribus-Vater Franz Schmid QuarkXpress. Vom Stand der Technik her gesehen, so die Entwickler, sei die neuste Scribus-Version sogar weiter als die Branchenriesen: Als erste Layoutsoftware biete sie direkten PDF/X-3-Export und nutze XML als Basis-Dateiformat für die eigenen Dokumente.


Installation schnell, aber nicht ganz trivial

Eines vorweg: Scribus läuft momentan nur unter Linux und diversen Unix-Varianten. Wer das Paket auf Windows- oder Mac-OS-Rechnern nutzen will, ist auf Hilfssoftware angewiesen. Ein nativer Port ist zwar angedacht, konkrete Pläne fehlen bislang aber.
Auch auf echten Linux-Systemen hängt Scribus wie fast jede Applikationssoftware von einer Vielzahl von Programm-Libraries ab, ohne die die Software nicht zum Arbeiten zu bewegen ist. Zudem spielt deren Qualität eine entscheidende Rolle, ob man an Scribus seine Freude haben wird oder nicht. So drücken sich aktuelle Libraries bei Scribus in einer schnelleren Arbeitsgeschwindigkeit und besserer Darstellungsqualität aus. Essentiell sind auch möglichst hochwertige Post Script-Schriften, da minderwertige Fonts für eine schlechte Ausgabe sorgen.


Mit Volldampf in die Funktionsvielfalt

Über Feature-Mangel braucht sich der Scribus-Layouter, gerade auch im Vergleich mit anderen DTP-Programmen, kaum zu beklagen. Die Bedienung ist gelungen: Nahezu alle Optionen, die für das gewählte Element eingestellt werden können, sind in einem Eigenschaftsfenster zusammengefasst, gruppiert nach Art der Eigenschaft und mit wenigen Mausklicks erreichbar. Die Elemente können auf verschiedene Ebenen verteilt und wahlweise ein- oder ausgeblendet werden. Textrahmen lassen sich wie gewohnt verknüpfen; ein Story-Editor zum Bearbeiten des gesamten Inhalts mehrerer verknüpfter Rahmen steht ebenso zur Verfügung wie ein Suchen/Ersetzen-Dialog mit umfangreichen Optionen. Auch Nice-to-haves wie Text auf Pfad und Umwandlung von Buchstaben in Pfade existieren.
Eine Besonderheit: Text- und Bildrahmen lassen sich mit einem Editor, der funktional schon fast einem Vektorgrafikprogramm gleichkommt, in jede denkbare Form bringen, umfassende Textfluss-Einstellungen inklusive. Alle Rahmen lassen sich auch frei rotieren.






Nicht minder vielseitig sind die Editoren für Abschnittsformat, Linienstil, Farben und Verläufe – hier kennt Scribus von Haus aus allerdings nur CMYK und RGB; kommerzielle Farbsysteme wie Pantone werden nicht unterstützt. Der integrierte Tabelleneditor genügt jedoch nur den elementarsten Ansprüchen. Automatisches Einfärben der Zeilen mit alternierenden Farben oder irgendwelche Spreadsheet-ähnliche Verarbeitungsfunktionen sucht man vergebens; eine Scribus-Tabelle ist schlicht und einfach ein Zellengitter, in das man Zeichenketten eintragen kann.


Import soso-lala, Export hochwertig

Mit Dateien aus anderen Layoutprogrammen kann Scribus nicht direkt umgehen. Angeblich sollen sich aber EPS-Dateien aus QuarkXpress und Konsorten importieren und innerhalb Scribus weiter editieren lassen. Genau das ist uns aber auch beim x-ten Versuch nicht gelungen – unser InDesign-Dokument liess sich weder als EPS noch als PDF editierbar importieren. Die Übernahme bestehender Layouts ist also problematisch – sie lassen sich in den beiden genannten Formaten nur als Ganzes in einem Bildrahmen plazieren. Auch sonst sind die Importmöglichkeiten eher beschränkt: Neben PDF, EPS, diversen Bildformaten wie SVG, TIFF und PNG kennt Scribus bloss noch nackten Text als Importformat. Bisher gibt es weder einen Word- noch einen OpenOffice-Importfilter.






Dafür klappt es beim Export. Die wenigsten Druckereien dürften Scribus-Dokumente nativ annehmen, das macht aber nichts: Version 1.2 bringt eine ausgewachsene PDF-Export-Engine mit vielen Einstellmöglichkeiten. Einzig Printer, die noch mit älteren PDF-Tools arbeiten, haben ab und zu Probleme. Auf der Scribus-Dokumentations-Site findet sich dazu ein Abschnitt mit Tips und Tricks für die Druckerei zur optimalen Weiterverarbeitung von Scribus-generierten PDFs.
Wir haben ein Dokument erstellt, als PDF exportiert und auf verschiedenen Plattformen mit unterschiedlichen PDF-Viewern betrachtet – es sah überall absolut sauber aus. Scribus erzeugt PDFs wahlweise mit oder ohne die erweiterten Möglichkeiten der PDF-1.4-Spezifikation. Neben gewöhnlichen PDF-Dateien für Screen oder Print lassen sich mit dem Programm auch interaktive PDF-Formulare entwerfen. Scribus macht zumindest für diese Anwendung auch Adobes Acrobat-Vollversion überflüssig.

(ubi)


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