Klaffende Schlucht trennt Hardware und Software
Mein Freund O. ist verwirrt. Er ist totaler IT-Laie, möchte aber gelegentlich im Web surfen, ohne jedesmal das sündteure Internet-Café zu beanspruchen. Ein eigener Computer muss her. Da war doch kürzlich der Dell mit 1,7 GHz für 2000 Franken im Angebot, und jetzt gibt es schon das 2-Giga-Modell für weniger? Wie kommt das? Die Sache wird umso pikanter, als der Kauf erst auf Ende Jahr vorgesehen ist. Die Wahl zwischen immer schneller und gleich schnell, aber viel günstiger, wird zur Qual: Wenn es schon 2 Gigahertz gibt, dann brauche ich die doch auch, oder etwa nicht?
Hardware mit Siebenmeilenstiefeln
Das Beispiel zeigt eines: Ungeachtet der Anwenderbedürfnisse grassiert die Hardwareleistung krebsartig. Dies gilt sowohl für Mikroprozessoren - gemäss Intel-Vice-President Paul Otellini darf man bis 2006 mit Taktfrequenzen von 10 Gigahertz auf Basis der aktuellen P4-Architektur rechnen, von anderen Prozessortypen ganz zu schweigen - als auch beim Speicher: 120-Giga-Harddisks werden einem nachgeschmissen, und das IBM-Forschungslabor im schönen Rüschlikon bringt mit der Millipede-Speichertechnologie einerseits den Inhalt von 25 DVD-Scheiben auf eine briefmarkengrosse Nano-Lochkarte und läuft damit andererseits Gefahr, schon wieder mit Nobelpreisen belästigt zu werden.
Es dürfte also auch mittelfristig so weitergehen, wie wir es uns seit Jahren gewohnt sind: Das frisch gekaufte IT-Gerät ist schon hoffnungslos veraltet. Die explosive Evolution der Hardware, gepaart mit Marketing-Überlegungen und Just-In-Time-Produktionsstrategien, hat zur Folge, dass schon wenige Jahre nach Einführung die meisten Komponenten nicht mehr erhältlich sind. Ich zum Beispiel hatte die Illusion, ich könne meine Workstation (ein 866-Megahertz-Pentium-III-Modell mit Dual-Processor-Board) mit einem zweiten Prozessor ergänzen. Das ist, Hersteller sei Dank, drei Jahre nach dem Kauf nicht mehr möglich: Intel stellt den Prozessor nicht mehr her, und HP hat kein einziges Upgrade-Kit mehr am Lager. Nur als "Ersatzteil" wäre der PIII noch zu haben, Kostenpunkt: Viertausend Franken. Soviel zum Investitionsschutz bei Markenprodukten.