RFID bei Manor und Migros

Der Detailhandel profitiert von RFID: Manor überwacht die Temperatur aller Kühlgeräte, die Migros Ostschweiz optimiert ihre Kühlkette.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/04

     

Dem breiten Publikum ist die RFID-Technik (Radio Frequency Identification) in erster Linie von der mittlerweile allgegenwärtigen Diebstahlsicherung im Detailhandel bekannt: Eine «Funketikette» piepst am Ausgang, wenn man den Laden ohne zu bezahlen verlässt.
Kontaktlose Datenübermittlung in Verbindung mit serverbasiertem Monitoring lässt sich aber auch anderweitig nutzen – zum Beispiel zur Temperaturüberwachung im Lebensmittelhandel: Bei Manor und bei der Migros-Genossenschaft Ostschweiz stehen RFID-Lösungen für die Kühlkette im Einsatz.


Food-Qualitätskontrolle

Francis Levy, zuständig für Qualitätssicherung und Hygiene in den Lebensmittel-Supermärkten von Manor, ist begeistert: Seit Dezember 2005 wird die Temperatur bei allen 1500 Kühlelementen der Manor-Supermärkte rund um die Uhr automatisch überwacht. Ausserdem wird der Temperaturverlauf aufgezeichnet und während zweier Jahre gespeichert. Levy behält so den Überblick und kann dem Lebensmittelinspektor oder Kantonschemiker jederzeit nachweisen, wann die Ware korrekt gekühlt wurde und wann Pannen aufgetreten sind.






Früher musste das Personal die Temperatur zweimal täglich von einem Thermometer ablesen und in eine Liste eintragen. Das ist erstens arbeitsintensiv, da in den Supermärkten neben den Kühlräumen und Tiefkühlvitrinen immer mehr kleinere, gekühlte Präsentationsflächen für Frischware stehen, die ebenfalls kontrolliert werden müssen. Zweitens lieferte das manuelle Monitoring nur punktuelle Werte, und Fehler vom falsch abgelesenen Thermometer bis hin zum absichtlichen Eintrag fiktiver Werte kamen des öfteren vor.
Die Suche nach einer besseren Lösung nahm zwei Jahre in Anspruch. Das Produkt eines französischen Herstellers erwies sich als zu wenig flexibel, bei einer österreichischen Lösung gab es Probleme mit der Datenübermittlung. Manor entschied sich schliesslich für Securifood von IP01, einem Spin-Off des Instituts für Mikrotechnologie der Uni Neuchâtel.


Schweizer Technik

Securifood basiert auf der RFID-gestützten Datensammlungs- und Übermittlungsplattform von IP01 und ergänzt diese mit Dienstleistungen: Die Temperaturdaten werden durch RFID-Sensoren in den Kühlgeräten erfasst und mit Unterstützung durch sogenannte Relais (Repeater/Hubs) an eine Access Box übermittelt, die via Internet mit einem Server im IP01-Rechenzentrum verbunden ist. Das Netzwerk aus Sensoren und Relais konfiguriert sich im Ad-hoc-Verfahren selbst; die Installation in den Supermärkten ist damit einfach. Das Intervall zwischen den Messungen (bei Manor alle 15 Minuten), die gewünschte Maximal- und Minimaltemperatur und der Überwachungszeitraum im Tagesverlauf lassen sich für jeden Sensor einzeln konfigurieren.





Der Server speichert die Daten in einem Data Warehouse und stellt über eine Web-Oberfläche verschiedene Reports und Analysen bereit. Jeder Supermarktleiter sieht die Daten seiner eigenen Filiale und kann einzelne Sensoren für eine begrenzte Zeit deaktivieren, zum Beispiel für die Reinigung. Weitergehende Konfigurationsänderungen sind ihm nicht möglich – das erhöht die Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit des Systems. Francis Levy als Gesamtverantwortlicher hat dagegen Zugriff auf alle Manor-Supermärkte.
Konkrete Angaben über den finanziellen Nutzen der Lösung kann Levy noch nicht liefern. Die relativ hohe Anzahl von Warnungen und Alarmmeldungen lässt allerdings den Schluss zu, dass die permanente Überwachung wirklich nötig ist. Als Vorteil merkt Levy neben der verbesserten Qualitätskontrolle und der Glaubwürdigkeit gegenüber den Behörden zudem geringere Warenverluste an: Schon die Ware in einem einzigen Kühlgerät, die bei nicht entdeckten Defekten vernichtet werden müsste, kann tausende Franken wert sein.






Auf der Kostenseite rechnet Levy mit Investitionen um die 20’000 Franken pro Filiale – Manor hat die Hardware gekauft. Die laufenden Kosten für die Securifood-Dienstleistung (Monitoring, Unterhalt, Batteriewechsel) richten sich nach der Anzahl eingesetzter Sensoren. Die Sache scheint sich zu rechnen: Manor will noch dieses Jahr auch die Anlieferung abdecken. Dazu wird in jedem Kühl-Lastwagen und auf jeder Palette ein RFID-Temperatursensor installiert. So lässt sich unter anderem Treibstoff sparen: Das Kühlaggregat kann zeitweise abgeschaltet werden, ohne dass der Innenraum zu warm wird.


Migros mit Trucktrack

Die Genossenschaft Migros Ostschweiz (GMOS) betreibt ein Netz von 121 Filialen, die von einer Verteilzentrale bei Gossau aus bedient werden. Auch die GMOS nutzt RFID-Technik zur Überwachung der Kühlkette auf dem Weg zu den Verkaufsstellen.
Der gekühlte Teil der Auflieger und Anhänger der GMOS-Lastwagenflotte wurde dazu mit RFID-Transpondern mit integriertem Sensor ausgerüstet. Diese messen Temperaturen von -20 bis +50 Grad mit einer Genauigkeit von 0,45 Grad, übermitteln die Daten im Frequenzbereich um 868 MHz, funktionieren sechs Jahre lang und kosten je 140 Franken. Die Software, die sich um die Datensammlung und Auswertung kümmert, heisst TruckTrack – eine Entwicklung der 2000 gegründeten St. Galler Intellion AG, die sich auf RFID/Auto-ID-Gesamtlösungen spezialisiert hat.


Auch Fuhrparkverwaltung

TruckTrack überwacht aber nicht bloss die Kühlkette. Das System rationalisiert auch das Fuhrparkmanagement: RFID-Checkpoints mit Richtungserkennung registrieren an vier Lesestellen auf dem Areal alle Ein- und Ausfahrten. Dies hilft bei der Optimierung der Touren und des Werkverkehrs.
Eine zentrale Rolle nimmt dabei eine Basissoftware namens Objectcontrol Suite ein. Der Objectcontrol-Server übernimmt die Scan-Events von der RFID-Hardware, bereitet die Daten mittels Filterung und Aggregation auf, kümmert sich um die Temperaturüberwachung und leitet Informationen wie Fahrzeugidentifikation und Ein-/Ausfahrtszeit an die vorgelagerte Transit-Applikation weiter. Da das System registriert, wann welche Fahrzeuge ein- und ausfahren, kann es im Vergleich mit der bereits festgelegten Grobplanung für Touren, Verlad und Fahrereinsatz auch die geeignete Verladerampe unter Berücksichtigung von Störgrössen wie Staus, besetzten Laderampen und Fahrerausfällen automatisch bestimmen und jeden Fahrer direkt informieren. Hersteller Intellion nennt dies «Realtime-Eventmanagement».





Die einmaligen Gesamtkosten des Systems belaufen sich laut Intellion-COO Stephan Eisen auf 466’000 Franken, 210’000 für Hardware, 26’000 für Software und Projektabwicklung sowie 230’000 Franken für die Anpassung der Dispositionssoftware. Auf der Nutzenseite stehen – neben den klaren Vorteilen der Temperatur­überwachung für die Qualitäts­sicherung – Einsparungen beim Mitarbeitereinsatz: Allein für den weggefallenen Werkverkehr waren früher zwei Mitarbeiter nötig, macht 160’000 Franken pro Jahr. Durch die Optimierung von Touren spart die GMOS jährlich weitere 120’000 Franken. So ist der ROI in weniger als zwei Jahren realisiert.





System-Architektur TruckTrack

(ubi)


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