Ist die Schweiz bereit für IPv6?

2011 werden uns die IPv4-Adressen ausgehen. Doch die nächste Generation, IPv6, ist bei den ISP und ihren Kunden noch kein Thema.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2008/09

     

Letzte Woche fand in Berlin das 56. RIPE-Treffen statt, an dem sich Internet Service Provider (ISP) und IT-Unternehmen aus ganz Europa versammelten. Dabei ging es vor allem um IPv6. Zeitgleich fand am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam ein IPv6-Gipfel statt. Das Thema, dass schon seit Jahren aktuell ist, scheint also neuen Schwung zu erhalten.


In weniger als 1000 Tagen oder bis 2011, und das betonte im Rahmen der oben erwähnten Veranstaltungen der Internet­pionier Vint Cerf ein weiteres Mal, werden uns die IPv4-Adressen ausgehen. Ein Szenario, das auch für die Schweizer IT-Fachfrau und IPv6-Spezialistin Silvia Hagen realistisch ist: «Wenn Nachfrage und Bedarf so bleiben wie in den letzten Jahren, dann sind 2011 tatsächlich alle IPv4-Adressen vergeben.» Neue, heute unbekannte Produkte oder Trends, könnten das ganze natürlich beschleunigen. Aber auch das Gegenteil wäre möglich: «Steigen bereits 2008/2009 viele auf IPv6 um, könnte es natürlich länger IPv4-Adressen geben», so Hagen.



Der neue Adressraum soll über 340 Sextillionen Netzanschlüsse umfassen und damit mehr als ausreichen. Ist die Schweiz bereit für IPv6? Bei den Carriern und ISP hält man sich noch etwas zurück. «Es gibt vor allem bei kleineren ISP Initiativen», erklärt uns Marco D’Alessandro, Marketing- & PR-Beauftragter von Switch. Tatsächlich haben kleinere ISP wie Init7 oder Cyberlink ihre Netze umgestellt oder arbeiten daran. Aktiv vermarkten sie ihre IPv6-Fähigkeit allerdings noch nicht. Wieso erklärt Markus Definti von Cyberlink, wo man bereits sehr früh IPv6-ready war wie folgt: «Kundenseitig ist die Nachfrage noch nicht da. Primär geht es den Kunden darum, genügen IP-Adressen zu erhalten und solange wir die bieten können, spielt IPv6 für sie keine Rolle». Man geht bei Cyberlink davon aus, dass das neue Protokoll erst in zwei, drei Jahren Realität sein werde.


Auch Business-Kunden vom grössten Schweizer ISP, der Swisscom, erhalten laut dem Netzwerkentwicklungsingenieur Martin Gysi, seines Zeichens ehemaliger Chairman der zurzeit inaktiven Schweizer IPv6-Taskforce, auf Anfrage IPv6-Dienste. Die Nachfrage sei allerdings sehr gering. Für Gysi ist klar wieso: Wenn, dann müsste IPv6 direkt End-To-End verfügbar sein, das ist es aber noch nicht. Das neue Protokoll ist laut Gysi vor allem Bestandteil der Planung und des Baus der nächsten Generation des Swisscom-Netzwerks, das man in ein bis zwei Jahren starte.


Doch nicht nur die ISP müssen sich vorbereiten, auch die Unternehmen selbst. Doch dort heisst es heute in der Regel «Never change a running system». Dazu gesellt sich auch folgende Meinung von Martin Gysi: «IPv6 bringt ausser dem grösseren Adressraum keinen Vorteil gegenüber seinem Vorgänger.» Laut Silvia Hagen gibt es aber dennoch keinen Grund, das Thema nicht schon heute anzugehen, denn ein Wechsel sei ohnehin unausweichlich. Konkret soll man sich eine Strategie für den Umstieg zulegen, sich mit dem neuen Protokoll auseinandersetzen und bei Hardware-Anschaffungen auf deren IPv6-Tauglichkeit achten.


Zwei Beispiele zeigen, dass IPv6 tatsächlich noch etwas Zeit braucht: Bei der Schweizerischen Post ist es laut Mediensprecher Oliver Flüeler noch kein Thema. Man werde erst handeln, sobald wirklich definitiv klar sei, wann es keine IPv4-Adressen mehr gebe. Auch an den Schweizer Hochschulen gibt’s kein anderes Bild. Dazu Marco D’Alessandro von Switch: «Nur wenige haben IPv6 campus-weit eingeführt, viele haben noch gar kein IPv6.» Fazit: Wir sind also noch nicht bereit für IPv6, sollten uns aber langsam vorbereiten.

(mv)


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