Knochenarbeit gegen Osteoporose
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/11
Osteoporose ist eine heimtückische Krankheit. Am häufigsten tritt der Knochenabbau, der zu ermüdungs- und altersbedingten Brüchen führt, bei Frauen nach der Menopause auf. Allerdings kann er auch jüngere Leute beiderlei Geschlechts treffen. Einer, der schon seit Jahren im Hinblick auf entsprechende Heilungs- und Linderungsmöglichkeiten Knochenstrukturen erforscht, ist ETH-Professor Ralph Müller. Er leitet seit 2000 die Fachgruppe Bioelektrik am Institut für Biomedizinische Technik (IBT) der ETH und der Uni Zürich. Vorher spielte er eine Pionierrolle an der Harvard-Universität, wo er erste Experimente mit Desktop-Mikrocomputertomografie durchführte. Damit können Knochenstrukturen dreidimensional visualisiert werden, die bis zu hundertmal feiner sind als ein menschliches Haar.
Auf die Osteoporose-Forschung bezogen bedeutet dies, dass die sogenannten Trabekel, die feinen Knochenbälkchen, aus denen sich das Schwammgewebe – die Spongiosa – des Knochens zusammensetzt, dreidimensional und in hoher Auflösung sichtbar gemacht werden können. Dadurch lässt sich der Grad an Knochenschwund exakt bestimmen. Allerdings sind für die Stabilität eines Knochens nicht nur die Dichte und Zusammensetzung der Spongiosa entscheidend. Ebenso wichtig ist deren Architektur, also die Art und Weise, wie sich die vorhandenen Trabekel gerüstartig stützen – oder sich nach einem Bruch respektive Haarriss wieder neu bilden.
Im Rahmen des 6. EU-Forschungsprogramms, an dem sich neben dem IBT noch 50 Forschergruppen aus verschiedenen Ländern beteiligen, bringen die Zürcher um Ralph Müller jetzt ihr Know-how in quantitativer Mikrocomputertomografie ein. Ausserdem sind sie daran, einen Software-Algorithmus zu erarbeiten, mit dessen Hilfe aufgrund von bislang erhobenen tomografischen Daten die künftige Entwicklung von Knochenstrukturen realistisch und in 3D simuliert werden kann. Damit und mit weiteren selber entwickelten Softwaresystemen wollen Müller und seine Leute herausfinden, wann und wie genau ein Knochen bei zunehmender Belastung bricht. Ausserdem wollen sie die Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei Brüchen simulieren und analysieren. Die grossen Mengen an 3D-Bilddaten, die dabei anfallen, sollen gleichzeitig an verschiedenen Orten in Europa von Spezialisten eingesehen und diskutiert werden können.
Ein wichtiges Werkzeug für die Forschung stellt dabei der Scanco-Mikrotomograf dar, mit dem periphere Körperteile wie Handgelenke, Unterarme, Unterschenkel und Fussgelenke hochauflösend untersucht werden können. Dabei spürt der Patient praktisch nichts – und die Belastung mit Röntgenstrahlen soll auch nicht stärker sein als bei herkömmlichen Aufnahmen. Trotz all dieser Fortschritte bei Visualisierung und Simulation: Bis nachhaltige Therapien gegen Osteoporose, Osteoarthrose und rheumatische Arthritis realisiert sind, ist laut Müller noch «viel Knochenarbeit» vonnöten.