Der PC bekommt Vögel
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/05
Wenn es nach dem Willen von Richard Wool geht, werden die in elektronischen Geräten allgegenwärtigen Leiterplatten dereinst nicht mehr aus Erdöl-Substraten, sondern aus Hühnerfedern gefertigt. An Stelle der heutzutage verwendeten Epoxy-Fiberglas-Verbindungen setzt er auf ein Gemisch von Soia-Öl und Keratin-Fasern. Wool ist Chemieprofessor an der Universität von Delaware und überzeugt davon, dass er mit seiner Entwicklung gleich drei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann: Erstens sei die Einführung neuer «grüner» Materialien umweltschonend, zweitens hätten die Geflügelzüchter einen neuen Absatzmarkt für ihr Federzeug, und drittens könne auch die Qualität der Platinen verbessert werden.
Dass Wool nicht einfach einen Vogel hat, glauben auch die Halbleiterkönige von Intel. Sie unterstützen seine Anstrengungen – allerdings nicht finanziell. Diesbezüglich hofft der Chemiker auf Beiträge des US-Landwirtschaftsministeriums. Kürzlich hat Wool daselbst einen Antrag für 500’000 Dollar über die nächsten vier Jahre gestellt. Möglicherweise stehen seine Chancen gar nicht schlecht. Denn gegenwärtig werden die jährlich in den USA anfallenden zwei Millionen Tonnen Hühnerfedern noch zu Mehl verarbeitet und als «feather meal» dem Rindvieh verfüttert. Angesichts der Risiken im Zusammenhang mit BSE klärt das Landwirtschaftsministerium gemeinsam mit der Food and Drug Administration jetzt aber ab, ob es noch opportun ist, Pflanzenfressern tierische Abfallprodukte wie Federn zu verabreichen. In Europa ist dies verboten.
Auf Wools Entwicklung setzt auch der Ingenieur David Emery, der im US-Bundesstaat Missouri bereits eine Pilotfabrik für die Verarbeitung der Federn in Betrieb genommen hat. Hier werden sie mehrmals gewaschen, dann getrocknet und schliesslich vom Federkiel getrennt. Emery presst daraufhin aus den weichen Fasern Keratinmatten, die, in Soia-Ol getränkt, verfestigt werden und nun als Grundmaterial für Platinen dienen können. Neben Leiterplatten sehen Wool und Emery noch zahlreiche weitere Anwendungsfelder für ihr Vogelmaterial – von termitenresistenten Hausbauteilen über Autokarosserien bis hin zu Tennis- und Golfschlägern.