Tintenstrahl im Vakuum
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/04
Wenn in einem Vakuum gesprayt wird, schmieren die Tröpfchen nicht. Das haben Sidney Nagel und seine Forscherkollegen an der Universität von Chicago herausgefunden. Ihre Erkenntnisse könnten weitreichende Folgen haben und mittelfristig in zahlreichen Alltagstechniken zur Anwendung kommen – angefangen bei saubereren Tintenstrahl-Ausdrucken bis hin zu gleichmässigerem Besprayen von Oberflächen. Wenn ein Tropfen in einer normalen Umgebung auf eine feste Oberfläche trifft, zerplatzt er richtiggehend und wirft einen kronenförmigen Kranz auf, der sodann in Gestalt von zahlreichen winzigen Tröpfchen herunterfällt. Festgehalten wurde dieses Phänomen erstmals von Harold Edgerton, dem Pionier der Hochgeschwindigkeits-Fotografie. Seine Milchtropfen-Korona ist legendär. Allerdings hat die Schönheit dieser Erscheinung auch ihre buchstäblichen Schattenseiten, wenn die Tröpfchen beim Tintenstrahldrucken keine exakt runden Punkte ergeben, sondern ausgefranste Flecken. Das Resultat sind verschmierte Prints, ein gestochen scharfes Bild ist unmöglich.
Nagel und sein Team haben nun Spray-Experimente unter verschiedenen Umweltbedingungen durchgeführt. Konkret haben sie kontinuierlich den Luftdruck gesenkt und festgestellt: Je geringer der atmosphärische Druck, desto kleiner die Schmierursache, die Korona. Bei einem Drittel des normalen Drucks verschwindet sie völlig. Das liegt laut Nagel daran, dass der seitliche Luftwiderstand für den auftreffenden Tropfen so gering wird, dass dieser sich gleichmässig auf der Oberfläche ausbreiten kann. Der gleiche Effekt lässt sich erzielen, wenn die Umgebung statt aus Luft aus Helium besteht. Da die Heliumatome leichter sind als die Stickstoff- und Sauerstoffverbindungen in der Luft, behindern sie die auftreffenden Tropfen nicht – also kann auch keine Korona entstehen.
Nagel und seine Kollegen rechnen zwar nicht damit, dass die Hersteller von Schreibtischdruckern ihre Erkenntnisse in die kommerzielle Praxis umsetzen – zumindest kurzfristig nicht. Sie sind aber überzeugt, dass sich die Methode bei künftigen Highend-Ink-Jet-Technologien bewähren wird – vor allem, wenn es darum geht, winzige elektronische Schaltkreise mit Flüssigmetall zu sprayen. Weniger Schmiereffekte bedeuten sauberere Schaltkreise, höhere Produktionsgeschwindigkeit und weniger Ausschuss.