Googeln bis zur Intelligenz
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/03
Die Elektronenhirne mit «echter» künstlicher Intelligenz (Artificial Intelligence, AI) auszustatten – das ist seit Jahrzehnten der Traum so manches mehr oder weniger verrückten Digital-Aficionados. Bislang wurden diese Anstrengungen von recht bescheidenem Erfolg gekrönt. Der Grund dafür ist simpel: Die Computer haben sich schlicht «geweigert», die Bedeutung von Wörtern und Sätzen zu begreifen – und ohne Sprachfähigkeit ist Intelligenz nicht zu haben.
Genau das soll sich nun ändern, wenn es nach dem Willen und den Forschungsarbeiten von Paul Vitanyi und Rudi Cilibrasi geht. Die beiden Wissenschaftler sind am Nationalen Institut für Mathematik und Informatik im niederländischen Amsterdam tätig und haben das Internet, genauer die Suchmaschine Google, als veritable AI-Grundlage ausgemacht. Sie haben einen statistischen Indikator entwickelt, mit dem sie die bedeutungsmässige Nähe von Wörtern messen. Als Basis dient eine Google-Suche, beispielsweise durch die gleichzeitige Eingabe von «Hut» und «Kopf». Diese Kombination generiert ein Mehrfaches an Hits, verglichen mit der Eingabe von «Hut» und «Banane». Diese Nähe oder Distanz zwischen den Wortbedeutungen erfassen Vitanyi und Cilibrasi mit der so genannten Normalised Google Distance (NGD). Durch die NGD-Analyse riesiger Mengen von Wortpaaren wollen sie eine «Landkarte» der Bedeutungsdistanzen erstellen, mit deren Hilfe ein Computer dereinst in der Lage sein soll, den Sinn einer Vokabel zu extrahieren. Bislang haben die Forscher ihr Verfahren für die Unterscheidung von Farben, Zahlen, Religionen und niederländischen Malern durchgespielt. Die Resultate sind unter www.arxiv.org/abs/cs.CL/0412098 einzusehen.
Ganz und gar nicht überrascht vom AI-Versuch der beiden Forscher zeigt sich Michael Witbrock. Er arbeitet am Cyc-Projekt im texanischen Austin, das sich die Entwicklung einer enzyklopädischen Wissensdatenbank auf die Fahnen geschrieben hat. Wie Vitanyi und Cilibrasi ist Witbrock überzeugt, dass es das Internet möglich machen wird, Computer mit detaillierten Wissen zu versorgen. «Es hängt einzig und allein am Web, ob wir es schaffen, eine künstliche Intelligenz zu entwickeln oder nicht», konstatiert er.