Im Namen der öffentlichen Moral
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/04
Während sich Google das Massengeschäft in China auf keinen Fall entgehen lassen will und deshalb Selbstzensur übt, kommt es für die Bewohner im Reich der Mitte jetzt noch dicker. Ab dem 1. März verschärft die kommunistische Regierung Inhalte und Benimmregeln für Internet-Cafés, Karaoke-Bars und Discos einmal mehr massiv.
Betroffen sind vor allem Jugendliche unter 18 Jahren. Unter dem Deckmantel des Schutzes öffentlicher Moral soll diesen fortan der Einlass in besagte Etablissements untersagt sein. Mit dem pauschalen und deshalb fragwürdigen Hinweis auf besorgte Eltern und Lehrer begründet Aussenminister Liu Jianchao die Jugendschutzmassnahmen folgendermassen: «Mit der Entwicklung des Internet sind immer mehr schädliche, unmoralische und illegale Inhalte aufgetaucht. Die chinesische Regierung hat deshalb die entsprechenden Gegenmassnahmen ergriffen.»
Die verschärften Vorschriften betreffen aber nicht nur Jugendliche. Generell müssen die erwähnten Lokalitäten künftig dafür sorgen, dass sie «keine Audio- und Video-Produkte sowie elektronische Spiele anbieten, welche die nationale Einheit beschädigen und Hass gegenüber anderen Nationalitäten schüren». Der Hinweis auf die nationale Einheit bezieht sich implizit auf Unabhängigkeitsbestrebungen Taiwans, das in Beijing als abtrünnige Provinz gilt.