Usability vernachlässigt
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/16
In der Regel ist es immer noch so, dass dem User ein Human Computer Interface (HCI) aufgezwungen und dieses von ihm angenommen wird, weil es keine Alternative gibt. Diese Aussage macht Professor Helmut Krüger vom Institut für Hygiene und Arbeitspsychologie IHA. "Die ergonomische Grundlage für dieses Vorgehen ist wenig effektiv".
Um die Interaktion von Computer und Mensch drehte sich Anfang September eine Veranstaltung an der ETH Zürich. An der Interact 2003 trafen sich 480 Teilnehmer - vornehmlich aus Europa -, die sich an 80 Vorträgen zum Thema Human Computer Interaction labten. Schwerpunkt und Ziel der Tagung liegt darin, Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Nutzung von Computern und das Verhalten der Nutzer zu thematisieren. Es geht aber auch darum, eine Problematik ins Gespräch zu bringen, die - vor allem in der Schweiz - bislang kaum Beachtung findet.
Als Beispiel für ein aufgezwungenes HCI nennt Krüger die zum SMS schreiben völlig ungeeignete Handytastatur als Ersatz für eine alphanumerische Tastatur, die der User ohne Murren akzeptiert. Erst durch eine innovative Alternative würde der Benutzer erkennen, welche Vorteile ein durchdachtes HCI bringt. Für einige Firmen auch eine Business-Chance, ist Krüger überzeugt.
Benutzungszentrierte HCI-Entwicklung bezeichnet Krüger als "den goldenen Weg." Technisch könne man heute fast alles realisieren, deshalb sollte nicht mehr die Technik im Mittelpunkt stehen, sondern die Benutzerfreundlichkeit. "In der Schweiz gibt es Nachholbedarf in diesem Bereich." In den USA beispielsweise habe jede grössere Firma ein Usability-Labor.
Dies bestätigt auch Dr. Christopher Müller von der Firma Ergonomie & Technologie (E&T), einem Spin-off der ETH. Es gäbe schon Firmen, die Interesse an HCI haben, jedoch sei der Markt hierzulande sehr klein. Meist würden sich Firmen nach schlechten Erfahrungen melden, oder aber sie möchten eine Qualitätskontrolle, um die Bestätigung zu erhalten, dass ihr Produkt gut bedienbar ist. Leider ist das meist nicht der Fall. Laut Müller müsste der Ansatz dahingehen, dass man bereits von Beginn der Entwicklung Hand in Hand mit Usability-Experten zusammenarbeitet. Das Problem sei nämlich, so Christian Sturm, Diplominformatiker vom Instituit für Informatik und Gesellschaft (IIG) an der Universität Freiburg im Breisgau, dass der Entwickler beim User die gleiche Intelligenz und die gleiche Sichtweise der Dinge voraussetzt, wie bei ihm selbst vorhanden sind. Ein offensichtlicher Trugschluss.
(mw)