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WinHEC und der blinkende PC

An der Entwicklerkonferenz WinHEC präsentierte Microsoft ein neues PC-Konzept mit dem Codenamen «Athens» und veröffentlichte Details zu «Longhorn» und «Palladium».

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/10

     

Im Süden der USA, in New Orleans, hat Microsoft zu Beginn des Monats zur Windows Hardware Engineering Conference (WinHEC) geladen. Die Konferenz ist Microsofts wichtigste Veranstaltung im Hardware- und Treiberbereich und wird von Bill Gates und Konsorten traditionell auch dazu verwendet, um den PC jährlich neu zu erfinden.



So wurde auch in diesem Jahr ein Computer präsentiert, der weit mehr als nur ein einfacher Rechenknecht sein soll. Vielmehr soll es sich um eine Kommunikationszentrale handeln, deren 23-Zoll-Flachbildschirmgehäuse - man höre und staune - sogar blinkt, wenn eine E-Mail im Postfach ankommt.


Longhorn erst 2005

Das neue PC-Konzept nennt sich "Athens" und wurde in Zusammenarbeit mit HP entworfen. Der Rechner soll unter anderem IP-Telefoniefunktionen beinhalten und bietet eine integrierte Webcam. "Athens" wird neue Funktionen von "Longhorn", dem nächsten Windows-Betriebssystem nutzen und deshalb noch einige Zeit auf sich warten lassen. Jedoch will HP gewisse "Athens"-Komponenten bereits in diesem Jahr in einigen seiner Rechner anbieten.



"Longhorn" seinerseits war ein grosses Thema an der WinHEC. So wurde beispielsweise offiziell verkündet, dass das Betriebssystem erst 2005 erscheinen wird, nachdem bereits Gerüchte im Umlauf waren, dass Microsoft mit den Arbeiten weiter sei als erwartet und das OS so bereits im Oktober 2004 erscheinen könnte. Ein Interims-Windows zwischen Windows XP und "Longhorn" werde es übrigens auch nicht geben, 2004 soll aber eine Reihe von "Longhorn"-Betas erscheinen. Ausserdem werde es Ende Jahr eine Version 2 der Windows XP Tablet PC Edition geben, Anfang 2004 kommt zudem die zweite Version der Windows XP Media Center Edition.




Im Verlauf dieses Jahres kommt des weiteren das zweite Service Pack für Windows XP. Nach der Installation desselben soll es möglich sein, dass zwei Personen gleichzeitig einen Rechner nutzen - eine direkt am PC und die andere via Smart Display (bekannt unter dem Codenamen "Mira"). So wird es möglich, dass ein User beispielsweise am Keyboard einen Brief verfasst, während ein anderer User über das Smart Display Bilder betrachten, oder im Web surft. Dies könnte den Smart Displays, den mobilen TFT-Screens, mit denen man via WLAN direkt auf einen PC zugreifen kann, Auftrieb geben, nachdem die Verkäufe in den ersten Monaten seit dem Erscheinen eher schleppend liefen.



Der PC muss sicherer werden

Erstmals gab es auch visuelle Details zu Microsofts Sicherheits-Initiative mit dem einprägsamen Namen Next-Generation Secure Computing Base, kurz NGSCB, zuvor unter dem Codenamen "Palladium" geläufig. Eine erste Version von NGSCB - das System soll sowohl auf Software- wie auch auf Hardwarebasis mit speziellen Chips für Sicherheit sorgen - wird aus vier wesentlichen Funktionalitäten bestehen:




Strong Process Isolation: Diese Technologie soll dafür sorgen, dass Applikationen isoliert vom System in einem eigenen Adressbereich laufen und so nicht angegriffen werden können. Microsoft spricht von einer "rechten" und einer "linken" Seite des Computers, wobei die linke Seite mit dem PC von heute vergleichbar ist, während die rechte Seite abgekoppelt davon unantastbar von aussen sein soll.





Sealed Storage: Ein gesicherter Speicherbereich soll gewährleisten, dass der User Informationen verschlüsselt abspeichern kann. Auf die chiffrierten Daten können wiederum nur Applikationen zugreifen, die der User als vertrauenswürdig erachtet.




Secure Input Output: Mit diesem System sollen die Daten verschlüsselt zwischen Rechner und Peripheriegeräten hin- und hergeschickt werden.




Attestation: Mit dieser Technik lassen sich Applikationen, aber auch Anwender oder Dokumente zertifizieren.



Die ganze Initiative macht bislang den Anschein, als hätte sie wirklich das Potential, Computer sicherer zu machen. Handkehrum macht sie auch den Anschein nach viel zusätzlicher Arbeit und mutet ähnlich kompliziert an, wie der Name impliziert. Deshalb ist fraglich, wie konsequent die Anwender mit sicheren und unsicheren Segmenten und linken und rechten Seiten und zertifizierten und nicht zertifizierten Applikationen verfahren werden. Erstmals wird man NGSCB wohl in "Longhorn" vorfinden.

Kommentar: Gates' Umarmung

Microsoft steht unverhohlen zu seiner Geldgier. So erklärte Bill Gates an der WinHEC, das Hauptproblem der Computerindustrie seien die länger werdenden Investitionszyklen. Die an sich positive Tatsache also, dass sich Firmen und Private nicht mehr alle zwei bis drei Jahre neue PCs anschaffen müssen, um mit den steigenden Anforderungen der Software fertig zu werden. Gates' Lösung des "Problems": Microsoft solle noch enger mit den Hardware-Herstellern zusammenarbeiten und die künftigen PCs auf einer sehr tiefen Ebene mit dem Betriebssystem verknüpfen. Mit "Athens", dem PC-Prototypen von HP, zeigte der Microsoft-Guru auch gleich ein erstes Resultat seiner Strategie.



Setzt sich Microsoft durch, wird die Folge eine regelrechte Entmachtung des Users sein: PCs aufrüsten oder die freie Wahl des Betriebssystems werden zumindest massiv erschwert.




Christoph Hugenschmidt



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