Browser-Optimierung: Lohnt sich der Mehraufwand?
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/10
Das Internet, wie man es heute kennt, gibt es nun ziemlich genau 10 Jahre. Ungefähr genau so alt ist ein Problem, das die Webentwickler bis heute beschäftigt: Die verschiedenen Browser-Plattformen und deren unrühmliche Eigenschaft, Codes unterschiedlich zu interpretieren. In der InfoWeek-Community wird derzeit eifrigst über dieses Thema diskutiert, und die Meinungen, ob es sich noch lohnt, Seiten für andere Browser als den Internet Explorer zu optimieren, gehen auseinander. Schliesslich ist die Optimierungsfrage bei einem Internet-Explorer-Marktanteil von rund 95 Prozent durchaus berechtigt, denn die Anpassung der Sites kostet - und zwar nicht zu knapp. InfoWeek hat Schweizer Webagenturen zu ihrer Optimierungs-Strategie, den Mehrkosten und den Wünschen ihrer Klientel befragt.
An erster Stelle steht selbstredend die Frage nach den Mehrkosten, um die es sich ja letztlich immer dreht.
Wieviel muss ein Kunde mehr bezahlen, damit seine Site auch auf Netscape, Opera, Mozilla und Co. läuft? "Die anfallenden Kosten betragen in der Regel zwischen 5 und 10 Prozent des Betrages für die reine Programmierung auf HTML-Ebene; oder - je nach Auftragstiefe - zwischen 1 und 3 Prozent des Gesamtbetrages inklusive Konzept, Content-Bearbeitung, Art-Work, Technik usw.", so Hans Ott, Creative Director der Firma Update. Auch andere Webagenturen beziffern den Mehraufwand irgendwo im Bereich von 5 bis 20 Prozent, je nach Umfang und Art des Projekts.
Es kann aber auch Ausnahmen geben. In bestimmten Fällen kann der Mehraufwand beträchtlich höher liegen, berichtet beispielsweise Andreas Graf, Managing Partner bei Xiag: "Je nach Projekt reicht der Faktor von 0 bis 100 Prozent Mehraufwand. Es tönt paradox, aber es kann auch über 100 Prozent gehen."
Bei solchen Beträgen ist eine reifliche Überlegung für den Kunden ein Muss. Graf dazu: "Im professionellen Bereich hat praktisch niemand, der sich der Problematik bewusst ist, den Mut, zu entscheiden, gar nichts in Richtung Browser-Optimierung zu machen. Auch wenn rational und ökonomisch im spezifischen Fall alle Faktoren dafür sprechen würden." Und Graf weiter: "Bei den meisten professionellen Webpublishern oder Programmierern verhindert dann oft auch der Berufsstolz, dass man gar nichts macht, auch wenn das Budget es eigentlich nicht zulassen würde." Ein Berufsstolz, der tatsächlich vorhanden zu sein scheint, wenn man zumindest Christian Fawer von Escapenet zuhört: "Wir würden gerne nur noch für den Internet Explorer entwickeln, haben jedoch auch den beruflichen Stolz, die Sites für alle Browser tauglich zu machen. Dieser Stolz kostet uns einiges an Nerven." Und den Kunden einiges an Geld.
Doch unsere Webdienstleister-Befragung hat auch gezeigt, dass die Kunden in der Regel die Unterstützung sämtlicher Plattformen wünschen - die meisten gleich von Beginn weg. Doch Daniel Niklaus, Inhaber der Firma Netlive Solution, weiss auch von anderen Klienten zu berichten: "Ein Grossteil der Kunden glaubt zuerst, es reicht aus, nur für moderne Browser zu entwickeln." Dann sei es aber in den meisten Fällen so, dass sie schon bald Mails erhalten, in denen Surfer sich beschweren, dass die Site nicht optimal läuft, "und vergessen waren die ursprünglichen Aussagen."
So empfehlen denn die Webagenturen ihren Kunden in der Regel gleich von Beginn weg, möglichst alle gängigen Browser zu unterstützen. Dazu Hans Ott: "Eine Entwicklung nur für den Internet Explorer ist unprofessionell, und wir würden jedem Kunden davon abraten. Das World Wide Web ist nun einmal plattform- und browserüberschreitend."
Wenn gleich von Beginn weg auf Standards gesetzt und auf Spielereien verzichtet wird, sollte sich der Mehraufwand auch im Rahmen halten. Hier ist Überzeugungsarbeit beim Kunden angebracht. Die befragten Agenturen warnen denn auch vor Webdesignern, die ihren Kunden empfehlen, nur noch auf eine Plattform zu setzen. So ist Andreas Graf überzeugt: "Nur auf den Internet Explorer zu optimieren kann aus Kostengründen Sinn machen, wird aber oft als Argument von Personen oder Firmen verwendet, die nicht über das entsprechende Know-how, die Erfahrung und die Standards verfügen."
Es gibt aber noch einen anderen Grund, auf Standards im Webbereich zu setzen. Nochmals Andreas Graf: "Die Browser-Landschaft wird sich sehr bald wieder auffächern. Nicht, weil etwa IE wieder an Marktanteil verliert, sondern durch die bald recht hohe Durchdringung von Handheld-Devices." Aus demselben Grund ist auch Daniel Niklaus überzeugt: "Wer Standards unterstützt, wird in Zukunft viel Geld sparen, denn das Internet wird immer mehr vom Monitor auf neue Geräte herauswachsen."
Letztlich stellt sich für den Auftraggeber aber die Frage nach der Zielgruppe, die er mit seiner Site erreichen will. So gibt es beispielsweise Webagenturen, die Ihre Arbeit zwar für verschiedene, auch ältere Browser optimieren, dabei jedoch bei den Versionen 5.x beginnen. Wenn nun der Kunde Mac-User ansprechen will, auf denen ja bekanntlich häufig noch Netscape 4.7 installiert ist, muss halt darauf bestanden werden, dass die Sites auch auf diesem Browser optimal aussehen. Zusätzlich muss in diesem Fall auch für Mac optimiert werden. Laut Christian Fawer von Escapenet beträgt der Aufwand dafür noch einmal rund 5 Prozent der Entwicklungszeit.
Weiter muss auch beachtet werden, dass für eine internationale Site ältere Browser-Versionen ebenfalls besonders berücksichtigt werden müssen, da die Schweiz ein Sonderfall ist, was die Durchdringung von modernster IT-Infrastruktur angeht.
Wer sich hingegen für einen Intranet-Auftritt in einem Netz, in dem ausschliesslich aktuelle Windows-Systeme stehen, eine für alle Plattformen optimierte Site verkaufen lässt, wirft das Geld zum Fenster hinaus - Webdesigner-Stolz hin oder her.
JavaScript: JavaScripts wie
Mouse-Rollover oder Hover-Effekte werden von älteren Browsern häufig falsch oder gar nicht interpretiert.
CSS (Cascading Style Sheets): Vor allem Netscape 4.x bekundet Mühe mit CSS, so dass die Seiten trotzdem von Hand formatiert werden müssen.
Tables: Sogar einfachste Tabellen werden von verschiedenen Browsern unterschiedlich formatiert. Hier ist viel Testaufwand vonnöten.
Layer: Layer werden von älteren Browsern nicht unterstützt, von neueren wie Netscape 6.1 falsch interpretiert.