Microsoft degradiert Partner zu Spitzeln
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2005/02
Auszug aus einem Microsoft-Partner-Vertrag, Ausgabe 2005, der InfoWeek anonym zugestellt wurde: «Sie werden uns unverzüglich informieren, sowie Sie wissen oder vermuten, dass ein Kunde nicht die notwendige Anzahl an Microsoft-Lizenzen besitzt. Sie werden uns ausserdem unverzüglich informieren, wenn Sie wissen oder vermuten, dass ein Kunde einen Microsoft-Lizenzvertrag verletzt.» Microsoft-Partner als BSA-Spitzel also? Unter Umständen ja. Microsoft Schweiz hat bestätigt, dass es solche Klauseln in Verträgen gibt. «Schliesslich haben sowohl Microsoft wie auch die Partner ein legitimes Interesse, gegen Schwarzkopien vorzugehen,» lässt sich Sprecher Holger Rungwerth zitieren.
Ansonsten ziert sich Microsoft Schweiz aber, zu der Vertragspassage Stellung zu nehmen und verlangt von InfoWeek eine Offenlegung der Quelle, «damit die Anfrage beantwortet werden kann.» Dies, obwohl die Partner-Verträge standardisiert in Irland gemacht werden, wie dem Software-Riesen nach langwierigem hin und her zu entlocken ist.
Entweder – so scheint es – ist Microsoft bei der Klausel selbst nicht ganz wohl, oder – was zu hoffen ist – man hat sie bislang kaum zur Kenntnis genommen und demnach auch nicht angewendet.
Wie aber sieht die Situation datenschutztechnisch aus?
«Es ist Microsofts gutes Recht, Raubkopien zu verhindern», so Kosmas Tsiraktsopoulos, Chef Information Beratung beim Eidgenössischen Datenschutzbeauftragten. Er sieht mehr die Microsoft-Partner im Clinch: «Wird ein Kunde aufgrund von Vermutungen Microsoft gemeldet, diese Vermutungen bewahrheiten sich aber nicht, kann das durchaus rufschädigend für die betroffene Firma sein. Hier befindet sich der Partner in einer heiklen Situation.» Er empfiehlt deshalb Microsoft-Partnern, die eine solche Klausel im Vertrag haben, ihre Kunden offen und rasch über die vertraglichen Verpflichtungen zu informieren und ihnen die Gelegenheit zu geben, sich der Weitergabe zu widersetzen. Sofern dann ein überwiegendes privates Interesse gemäss Art. 13 DSG geltend gemacht wird, können Personendaten aber auch gegen den Willen eines Unternehmens weitergegeben werden. Auch Microsoft rät er darüber hinaus «ein transparentes und klares Vorgehen und eine offene Kommunikation, gerade darüber, was mit den Informationen passiert, die von den Partnern gemeldet werden.»
Wie problematisch eine Meldepflicht von unterlizenzierten Kunden ist, zeigt Patrick Püntener, CEO von Itsystems – einem Microsoft-Partner – auf: «Zuerst einmal muss man sehen, dass es für eine Firma enorm schwierig und aufwendig ist, korrekt lizenziert zu sein. Gerade die Hersteller sollten das auch wissen.»
Er beurteilt eine solche Klausel in einem Partnervertrag als äusserst heikel und zudem auch als kontraproduktiv: «Der Partner versucht ja, den Kunden dazuzubringen, sich korrekt zu lizenzieren. Würden wir unseren Kunden nun drohen, sie Microsoft zu melden, wenn sie sich nicht korrekt lizenzieren, würden wir sicher auch Aufträge verlieren.» Keine rosige Aussicht für Microsoft-Partner mit entsprechender Klausel. Und abschliessend meint Püntener: «Mit aggressivem Verhalten erreicht man in der Regel ohnehin nicht viel. Überzeugungsarbeit ist sicher der bessere Ansatz.»