Den "Tagi" bezahlt man per Telefon
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/30
Die Online-Ausgabe des "Tages-Anzeigers" kann man neu auch per Telefon bezahlen. Dies als alternative Möglichkeit zur Bezahlung via Kreditkarte.
Das Archiv des "Tages-Anzeigers" gibt's bereits seit Anfang Februar dieses Jahres nur noch gegen Bares. Seit Mitte Juli bezahlt der "Tagi"-Leser auch für die tagesaktuelle Ausgabe seiner Zeitung. Einzig die Breaking-News gibt's weiterhin gratis. Das neue Bezahlsystem, das jetzt eingeführt wurde, stammt von der Firma Voice Publishing. Jemand, der einen Dienst aus dem Online-Abonnement, also beispielsweise die tagesaktuelle Ausgabe oder einen Archivartikel lesen möchte, kann eine 0901er Nummer wählen, die ihm nach dem Wählen des Dienstes angezeigt wird. Über diese Telefonnummer erhält er einen Aktivierungscode, den er wiederum auf der "Tagi"-Website eintippen kann, um zum Artikel zu gelangen. Die besagte Telefonnummer kann über jeden Festnetzanschluss oder via Handy angerufen werden. Allerdings funktioniert das ganze System per Handy nur auf dem Swisscom-Netz, wobei die Minute 30 Rappen kostet. Orange- und Sunrise-Kunden haben das Nachsehen.
Stellt sich die Frage, warum der "Tages-Anzeiger" auf ein System setzt, bei dem der User doch etwas umständlich einen Artikel abrufen, eine bestimmte Telefonnummer eingeben und eine Nummer in den PC hacken muss, um einen Beitrag zu lesen. Dies vor allem in Anbetracht dessen, dass es Systeme gibt, bei welchen die Services gleich beim Anruf freigeschaltet werden.
Es gibt laut Marcel Sennhauser, Leiter Interaktive Medien bei Tamedia, zwei Gründe dafür. Wenn bei einem System ohne Aktivierungscode das System unmittelbar nach dem Anruf abstürzt oder die Internetverbindung gekappt wird, hat man zwar schon bezahlt, den Artikel aber noch nicht gelesen. Zudem fühlen sich die User offenbar sicherer, wenn sie selbst aktiv etwas unternehmen müssen, um einen Bericht freizuschalten. "Wenn wir aber feststellen, dass den Lesern unser System zu umständlich ist, können wir schnell auf etwas anderes wechseln."
Der Verdacht liegt nahe, dass die Bezahlung per Kreditkarte viele potentielle Leser aus Angst vor Missbrauch abgeschreckt hat.
Als Grund, warum man das neue Telefon-Bezahl-System eingeführt hat, nennt Marcel Sennhauser drei Ursachen: "Erstens war es für viele User zu umständlich, die Kreditkarte für Beträge zu zücken, die oft um 1,50 oder 2,50 Franken liegen. Daneben gibt es nach wie vor Leser, die keine Kreditkarte besitzen. Zu guter Letzt stellten wir auch fest, dass User, die einen Artikel geschäftlich benötigen, einen anderen Weg gesucht haben, als die eigene Kreditkarte zu belasten." Dieser letzte Grund ist nun kein Problem mehr, einzig dass nun die Gefahr des Missbrauchs besteht. Firmen mit eifrigen "Tagi"-Lesern tun also gut daran, künftig einen genauen Blick auf die Telefonrechnung zu werfen.
Laut Sennhauser habe man aber seit der Einführung des Bezahl-Contents überraschenderweise in keiner Form festgestellt, dass Leser die Bezahlung via Kreditkarte scheuen würden.
Ob mit dem neuen Bezahlsystem den Gebrauch der Bezahlinhalte steigt, wird sich zeigen. Seit man für Artikel Geld sehen will, ist die Nutzung der entsprechenden Dienste, also tagesaktuelle Ausgabe sowie Archiv, laut Sennhauser um über 50 Prozent zurückgegangen. Der Traffic auf der Site selbst habe aber nicht gelitten, denn dieser wird ohnehin in erster Linie durch die Breaking News generiert. Deshalb sind hier vorläufig auch keine Einschränkungen oder ein Abbau geplant.
Durch die Einführung der kostenpflichtigen Inhalte ist die Online-Plattform aber nach wie vor nicht kostendeckend. "Diese Illusion hatten wir aber auch nie. Letztlich muss die Werbung 50 bis 70 Prozent der Einnahmen bringen, auch im Online-Geschäft", klärt Sennhauser auf.