Handy-Antennen: Und sie strahlen doch
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/10
Am 12. März wurde eine Volksinitiative lanciert, die zum Ziel hat, dass ein Moratorium gegen den Bau von Mobilfunkantennen erlassen wird - die Tagespresse hat ausführlich darüber berichtet.
Nun drängt sich aber eine Reihe Fragen auf, so beispielsweise, ob bei einem Moratorium das UMTS-Netz überhaupt gebaut werden könnte oder, ob die Telekoms jetzt den Ausbau der Netze einstellen, bis über die Initiative entschieden ist. Soviel gleich vorweg: Das UMTS-Netz wird gebaut werden, ja, muss sogar gebaut werden, denn so wollen es die Konzessionsbestimmungen, und eingestellt wird vorerst gar nichts.
Hinter dem sogenannten Antennen-Moratorium steht ein Komitee bestehend aus acht Privatpersonen, die nach eigenen Angaben von Mobilfunkstrahlung betroffen sind. Aufgrund der begrenzten Mittel dieser Privatpersonen soll das Internet als Hauptinstrument zur Unterschriftensammlung dienen. Unter www.antennenmoratorium.ch wird das Anliegen weiter begründet und zudem steht ein Unterschriftenbogen bereit, der ausgedruckt und eingeschickt werden kann. Laut Komitee-Präsident Stefan Day hofft man darauf, dass sich die Fragebögen oder der Link im Schneeballsystem möglichst schnell verbreiten. "Wir sind sehr guten Mutes, dass die Unterschriften zusammenkommen", gab Day, der übrigens selbst auch ein Handy besitzt, gegenüber InfoWeek zu Protokoll. Was den Initianten sauer aufstösst, ist die Tatsache, dass Mobilfunkstrahlung seit der zweiten Generation im Verdacht steht, gesundheitliche Schäden anzurichten. Aus diesem Grund besteht das Anliegen des Initiativ-Komitees darin, dass die Mobilnetzbetreiber erst schlüssig beweisen müssten, dass solche Strahlen nicht gefährlich sind, bevor der Antennenausbau weiter fortgeführt wird und nicht umgekehrt, die Bevölkerung beweisen muss, dass Mobilfunk-Strahlung schädlich ist.
Die Aufregung über die Initiative hält sich bei den Telekommunikationsunternehmen derweil relativ stark in Grenzen. Dies aus verschiedenen Gründen: Laut Sunrise-Sprecherin Monika Walser glaubt man zum einen an die Urteilsfähigkeit von Herrn und Frau Schweizer und daran, dass die Bevölkerung neuen Technologien aufgeschlossen gegenübersteht. Zudem wissen auch die Telekoms, dass es vom Zeitpunkt der Unterschriftensammlung bis hin zur Abstimmung ein ganzes Weilchen dauert - realistisch sind rund drei bis vier Jahre. Bis dahin dürften grosse Teile des UMTS-Netzes bereits aufgebaut sein. Dessen sind sich auch die Initianten bewusst. Stefan Day weist jedoch darauf hin, dass nach dem Netz für die dritte Generation auch eine vierte Generation folgen wird, und dem könne man nicht tatenlos zusehen.
Die Telekomunternehmen glauben zwar durchaus, dass die benötigte Anzahl Unterschriften zusammenkommt. Dass die Initiative bei einer allfälligen Abstimmung aber angenommen wird, halten sie für wenig realistisch. Dazu Swisscom-Presseprecher Sepp Huber: "Die Abstimmung findet schon jetzt täglich statt, von 5 Millionen Handy-Kunden."
Während Monika Walser der ganzen Initiative auch einen positiven Aspekt abgewinnen kann - nämlich denjenigen, dass man sich so zumindest wieder einmal mit dem Thema Strahlung auseinandersetzt, sieht Huber durch die ganze Aufruhr nur weitere Probleme. So eine Initiative würde die Diskussionen nur unnötig anheizen und weitere unbegründete Ängste schüren. Zudem sei es schwer nachzuvollziehen, dass in einem Land, in dem die Grenzwerte ohnehin schon zehn Mal tiefer sind als im benachbarten Ausland, jetzt ein Antennenmoratorium durchgesetzt werden soll.
Das Thema ist heikel - unbestritten. Niemand konnte bisher schlüssig beweisen, ob Mobilfunkstrahlen der Gesundheit schaden - genauso wenig, dass sie eben nicht schaden. Zudem entbehrt auch der derzeitige Grenzwert offenbar jeglicher wissenschaftlicher Grundlage, und niemand kann schlüssig sagen, wo die kritische Grenze liegt. Sicher - die Carrier bauen die Antennen und verdienen Geld mit Mobilfunk - jedoch schreit die Bevölkerung auch nach Services. Stefan Day führt an, dass Asbest auch in den Himmel gelobt wurde - die Folgen seien ja bekannt. Auch wenn hier Äpfel mit Birnen verglichen werden, hat die Angst der Bevölkerung sicher ihre Berechtigung. Andererseits müsste so der Ausbau vieler Netze gestoppt werden - bei den Strassen angefangen, denn auch Abgase sind erwiesenermassen nicht unbedingt gesundheitsfördernd. Ob eine solche Initiative nun viel bringt, darf in Frage gestellt werden. Vielleicht regt sie die Untersuchungen der Strahlenauswirkungen weiter an - dann hätte sie zumindest einen grossen Zweck im Interesse aller bereits erfüllt.