cnt

Der TV-Spot drängt ins Web

Neue Werbeform soll für höhere Aufmerksamkeit und Klickraten sorgen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/10

     

Nun ist's geschehen um die ruhigen Zeiten im Internet, denn eine neue Werbeform schickt sich an, die Websites zu erobern. Diese neue - oder auch nicht ganz so neue - Art der Konsumentenhinweise dürfte wohl jedem nur allzu gut bekannt sein, zumindest jedem, der ein Fernsehgerät sein eigen nennt. Der neueste Clou der Werber geht nämlich dahin, dass Fernsehwerbespots genommen und auf ein Internet-taugliches Thumbnail-Format minimiert werden. Die übrigen Eigenschaften eines Werbespots werden dem Filmchen wohl aber erhalten bleiben - laut, selten witzig und immer im falschen Augenblick.




Ganz so schlimm wie im Fernsehen ist es denn aber doch nicht, vielmehr wurde eine neue Werbeform generiert, welche die Aufmerksamkeit der Surfer auf sich lenken und so sowohl Site-Betreibern mehr Einnahmen bescheren als auch Werbekunden bessere Klickraten verschaffen dürfte.

Ohne alles, aber mit Java

Das Interessante an der neuen Technologie ist, dass die Werbefilme zum Abspielen weder einen Media-Player noch ein Plug-in für sich beanspruchen. Bei der Firma EyeWonder, einer der Entwickler der neuen Werbeform, werden die Videos beispielsweise via Java bereitgestellt. Die gleiche Technologie nutzt ein zweiter Entwickler namens Klipmart, der ebenfalls seit kurzem auf Videowerbung setzt.



Bei EyeWonder kommt das sogenannte EyeWonder Applet zum Einsatz, das die Inhalte dekodiert und in jedem Java-1.1-kompatiblen Browser und Gerät abspielt. Um die Inhalte bereitzustellen, stellt EyeWonder Tools und Utilities zur Verfügung, beispielsweise den EyeEncoder, der Videos ins EyeWonder-Format umwandelt, oder EyeStudio, ein JavaScript- oder HTML-Codegenerator, um die Videos zu steuern.




Die Vorteile der Technologie, die bei EyeWonder Eyeris heisst, liegen auf der Hand. Rund 90 Prozent aller eingesetzten Browser unterstützen Java 1.1, zudem können die Videos nicht durch dichte Ports abgeblockt werden, wie dies bei Filmchen für einen Media-Player oft der Fall ist. Das Applet selbst ist lediglich rund 25 kB gross, weshalb die Inhalte auch über schmalbandige Internetzugänge nicht lange auf sich warten lassen sollen. Zusätzlich können in das Applet diverse Steuerungsmöglichkeiten für den Surfer eingebaut werden, so dass er zum Beispiel den Sound abstellen, Pause und Play drücken oder sogar in das Video zoomen kann.



EyeWonder stellt auf seiner Site einige Demos solcher neuartiger Werbebanner bereit. Die Filegrösse ist trotz der Beteuerung, dass die Videos äusserst schlank komprimiert würden, beachtlich. Sie beträgt allein für die Banner mit den Filmchen zwischen 500 kB und 1 MB. Hinzu kommt noch die Grösse der eigentlichen Site. Dies ist bei einer breitbandigen Internetanbindung an sich kein Problem, und das Laden erfolgt recht fix. Bei einem Versuch mit einem analogen Modem sieht die Situation jedoch gänzlich anders aus. Trotz der Zusicherung, dass die Demo-Spots für ein 56K-Modem komprimiert wurden, dauert das Laden schon mal relativ lange, und auch der Stream erinnert mehr an eine Diashow als an einen Fernsehspot, trotz der Thumbnail-Grösse des eigentlichen Films.



Hallo Fernsehen

Die Suche der Sitebetreiber nach Werbeformen, die attraktiv genug sind, um endlich Umsätze zu generieren, läuft seit geraumer Zeit fieberhaft. Ein Werbebanner mit der EyeWonder-Technologie kann ersten Erfahrungen aus den USA zufolge 50 Prozent teurer als ein herkömmliches Banner verkauft werden. Dafür sind auch die Produktionskosten für die Auftraggeber um einiges höher. Jedoch sind die US-Werbeagenturen der festen Überzeugung, dass mit der neuen Werbeform die Klickraten markant angehoben werden können. Sie bezeichnen das laufende Jahr gar als das Jahr des Media- und Videostreaming. Nichtsdestotrotz, Marktforschungsunternehmen wie Jupiter Media Metrix sind nicht gerade enthusiastisch mit ihren Prognosen für Streamingmedia als neue Werbeform. So prognostizieren die Analysten den bewegten Bildern einen Anteil von 9 Prozent am Werbekuchen bis 2005. Weitere 19 Prozent sollen bis dahin auf Rich-Media-Formate - also Banner mit Flash oder dynamischen HTML-Inhalten - entfallen. Bleiben immer noch 70 Prozent konventionelle Werbung in drei Jahren.




Zudem ist der Grat zwischen effektiver Werbung und Surf-Ärgernis schmal. Zwar ist in den Demovideos der Sound meist per Default ausgeschaltet und kann via Klick aktiviert werden, jedoch werden Agenturen diese lobenswerte Strategie kaum beibehalten, so dass beim Betrachten einer Website dauernd Werbegebrabbel hingenommen oder der Sound umständlich abgeschaltet werden muss.



Zu guter Letzt muss beachtet werden, dass in den USA die Verbreitung von schnellen Internetzugängen bedeutend grösser ist als in Europa, und diese sind Grundvoraussetzung für erfolgreiches Werben per Streamingvideo, denn niemand wird warten wollen, bis auch noch die Werbung geladen wird. Auf der anderen Seite ist anzufügen, dass die Zukunft des Internet Richtung Streamingmedia geht und somit auch die Werbung denselben Weg einschlägt. Solange die Filmchen in Banner eingepackt und dezent an der Seite plaziert sind, ist das für den Surfer auch kein Problem. Jedoch wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis man beim Aufruf einer Site mit einem bildschirmfüllenden Streaming-Werbespot begrüsst wird - ganz nach dem Prinzip Fernsehen. Und es wird nicht lange dauern, da wird der Surfer auch das hinnehmen, oder er ist zumindest bereit, zu bezahlen, um die Werbespots nicht ertragen zu müssen - ganz nach dem Prinzip Pay-TV.



Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Wie hiess im Märchen die Schwester von Hänsel?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER