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David Rosenthal: Mangelhafte Software - Fast immer ein Risiko

Eine Frage wird wenigstens bei Standardsoftware nur selten gestellt: Hat ein Käufer fehlerhafter Software überhaupt Rechtsansprüche?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/24

     

Computerprogramme haben bekanntlich Fehler. Jeder Benutzer kennt sie: Mal ist es eine falsche Anzeige, mal ein Absturz. Das scheint derart normal geworden zu sein, dass sich die meisten Anwender und Unternehmen damit abgefunden haben. Denn eine Frage wird wenigstens bei Standardsoftware nur selten gestellt: Hat ein Käufer fehlerhafter Software überhaupt Rechtsansprüche?



Er hat, lautet die simple Antwort, auch wenn sie nur selten durchgesetzt werden. Im Grunde ist die Situation aber vergleichbar mit einem defekten PC, den jemand erworben hat: Er braucht die kaputte Ware nicht zu akzeptieren, sondern kann Garantieansprüche geltend machen. Sachgewährleistung heisst das im Juristendeutsch und gilt selbstverständlich auch für Software ab Stange, deren Erwerb im Laden nach herrschender Auffassung genauso ein herkömmlicher Kaufvertrag darstellt, wie der Kauf eines Rechners.


Lizenzbedinungen als Vertragsbestandteil

Daran ändert auch die Tatsache, dass in den Softwarepaketen "Lizenzbedingungen" stecken oder solche bei der Installation bestätigt werden müssen, nichts. Werden diese Klauseln nicht bereits beim Kauf des Pakets zum Vertragsbestandteil erklärt, was im Laden durch den Händler geschehen müsste, so können sie später nicht gegen den Käufer eingesetzt werden. Anders wäre es nur, wenn der Benutzer seine Software online bezogen hat und die Lizenzbedingungen noch vor dem Download bestätigen musste.



Das kommt noch immer selten vor. Viel häufiger findet das Software-Shopping im Laden als im Internet statt. Dann jedoch gilt, dass der Käufer von "Office XP" nicht mit Microsoft, sondern nur mit seinem Händler einen Vertrag abschliesst. Dementsprechend ist von Gesetzes wegen auch nur der Händler im Falle einer fehlerhaften Software zur "Garantie" verpflichtet, zumal eine Produkthaftpflicht in aller Regel wegfallen wird.




Ist mit dem Händler nichts anderes vereinbart worden, so hat der Käufer defekter Software gute Karten in der Hand: Er kann Minderung verlangen, was einem Preisnachlass entspricht, ein funktionierendes Ersatzpaket oder, bei schwereren Mängeln, sein Geld zurückverlangen. Auf eine Nachbesserung braucht sich der Kunde nicht einzulassen - auch nicht auf irgendwelche Patches des Softwareherstellers (ob in einem solchen Falle ein zusätzlicher Vertrag mit Microsoft zustande kommt, sei an dieser Stelle dahingestellt) -, es sei denn, dies ist etwa im Kleingedruckten beim Händler vorgesehen.



Was ist ein Mangel?

Ging durch einen Absturz oder einen anderen Fehler Arbeit verloren, so könnte ein Käufer sich diesen Schaden zudem ersetzen lassen - vorausgesetzt, den Händler traf ein Verschulden, weil er über den Mangel im Bilde war. Bei neuentdeckten Sicherheitslecks wird dies kaum der Fall sein. Bei den bekannten Problemzonen der gängigen Produkte muss ein Händler dagegen auf der Hut sein: Kann er die Haftung für Folgeschäden nicht auschliessen und seine Gewährleistung nicht begrenzen, sollte er die üblichen Fehler in seiner Software kennen und seine Kunden darüber in Kenntnis setzen.




Der Nachweis liegt beim Kunden

Überhaupt hat es der Kunde juristisch nicht einfach: Erstens muss er nicht nur den Mangelfolgeschaden selbst nachweisen, sondern auch, dass ein Fehler der gekauften Software die Ursache war. Das wird oft schwierig sein.



Zweitens sieht das Gesetz eine Befristung der Garantiepflicht des Händlers von einem Jahr vor, sofern nichts anderes vereinbart wurde. Nach diesem Zeitpunkt sind alle Ansprüche verjährt. Drittens stellt sich die Frage, ab wann eine Software überhaupt mangelhaft und damit ein Garantiefall ist. Die Antwort ist nicht immer einfach. Sie hängt massgeblich davon ab, was der Händler dem Käufer versprochen hat und welche Software-Eigenschaften der Käufer nach Treu und Glauben bei dem Produkt voraussetzen konnte.




Das wiederum bedeutet, dass ein Käufer von Microsofts Office XP, der weiss oder bei der "üblichen" Aufmerksamkeit hätte wissen können, welche Fehler das Softwarepaket hat, seine Garantieansprüche für eben diese Fehler verliert. Für diese Fehler müsste der Händler aber nur dann einstehen, wenn er dem Käufer ausdrücklich zugesichert hätte, dass die Mängel nicht bestehen, was ein vernünftiger Händler kaum tun wird. Mit anderen Worten: Je stärker sich ein Benutzer darüber beschwert, dass Windows, Office oder irgendeine andere Standardsoftware fehlerhaft ist, desto schwieriger wird es, dagegen rechtlich etwas zu tun.



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