Business Outlook: Digitale Zertifikate – eine Aufgabe des Staates?

David Rosenthals Meinung zum Ende von Swisskey.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/18

     

In den Medien sorgte die Nachricht letzte Woche kaum für Schlagzeilen. Doch die Insider schüttelten den Kopf: Swisskey gibt auf. Der einzige kommerzielle Schweizer Aussteller von digitalen Zertifikaten wird keine solchen mehr öffentlich anbieten. Das Unternehmen, das mehrheitlich im Besitz der Telekurs ist, lasse sich auf absehbare Zeit nicht rentabel betreiben, hiess es zur Begründung. 25 Mio. Franken wurden in den letzten vier Jahren in die Firma investiert, 8 Mio. alleine im letzten Jahr. Der Umsatz betrug 2000 aber nur 1 Mio. Franken.



Der digitalen Signatur kommt zwar eine wachsende Bedeutung zu. Es gibt bereits etliche Projekte, in denen die Firma als Beglaubigungsstelle von Inhabern digitaler Signaturen hätte auftreten sollen. Auch diverse Projekte staatlicher Stellen bestehen.




Der Entscheid der Firmeninhaber erscheint aus wirtschaftlicher Sicht trotz allem nachvollziehbar: Alleine mit dem Verkauf von öffentlichen digitalen Zertifikaten hätte sich in den nächsten Jahren wohl nicht viel Geld verdienen lassen können, selbst bei einer gesetzlichen Anerkennung. Im Vordergrund stehen denn auch zunächst Anwendungen in geschlossenen Benutzergruppen, etwa dort, wo mehrere Handelspartner ihren Datenaustausch über eine B2B-Plattform mittels digitalen Signaturen absichern wollen oder wo Profianwender Daten häufig mit einer bestimmten Behörde austauschen müssen.



Doch lassen wir diese wirtschaftlichen Überlegungen zur Swisskey beiseite. Der Entscheid, den Swisskey-Service zu stoppen, hat auch eine politische Dimension: Die Wirtschaft verspielt sich damit einen guten Teil ihrer Glaubwürdigkeit in Sachen digitale Signatur. Denn sie war es, die den Bund (zu recht) andauernd auf ein schnelles Vorangehen in der Anerkennung der digitalen Signatur drängte. Zugleich bestand sie aber immer darauf, dass sich der Bund in diesen Markt nicht einmischen sollte. Die nötige Infrastruktur würde stattdessen von der Swisskey oder anderen Unternehmen kommen, die sich zudem vernetzen sollten.



Jetzt scheint es, dass die Wirtschaft diese Infrastruktur für einen sicheren E-Commerce in der Schweiz nicht mehr selbst bezahlen will. Die eine Folge davon wird sein, dass Banken, Versicherungen, Behörden und andere potentielle Anwender von digitalen Signaturen die nötigen Zertifikate entweder aus dem Ausland beziehen oder sie selbst herausgeben müssen.



Die andere Konsequenz ist, dass die Privatwirtschaft, die auf eine rasche Schaffung von besseren rechtlichen Rahmenbedingungen für den E-Commerce drängt, sich von den Behörden und Politikern die Gegenfrage nach ihrem eigenen Beitrag gefallen lassen muss. Die Wirtschaft wird sich zu Recht vorhalten lassen müssen, dass die Anerkennung der digitalen Signatur für sie so dringend nicht sein kann, wie sie das behauptet. Offensichtlich geht die Wirtschaft selbst davon aus, dass viele Unternehmen gar noch nicht in der Lage sind, anerkannte Signaturen in ihren eigenen Geschäften sinnvoll einzusetzen, der E-Commerce dadurch aber offenbar nicht verunmöglicht wird. Das könnte dazu führen, dass das geplante Bundesgesetz über die elektronische Signatur nun doch nicht so schnell verabschiedet wird.



Damit wäre eines der Ziele des Gesetzesprojekts immerhin erreicht: Die Diskussion der Thematik in der Politik wäre in Gang gebracht worden. Diese etwas tiefergehende Auseinandersetzung mit der Sache fehlte bisher weitgehend. Ob das Gesetz wie vorgesehen im ersten Halbjahr 2002 in Kraft gesetzt werden kann, spielt dagegen praktisch keine Rolle mehr. Es gibt in der Schweiz im Moment niemanden, der die nötigen Beglaubigungsdienste erbringen könnte, die das Gesetz als Voraussetzung für die Anerkennung der digitalen Signatur zwingend vorsieht. Es sei denn, das Gemeinwesen übernimmt auch diese Aufgabe - oder finanziert ein privates Unternehmen für diesen "Service Public". Eine solche Forderung wird sicher nicht lange auf sich warten lassen müssen.




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