Business Outlook: Instant Messaging - die (E-Mail-)Killer-Anwendung?
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/12
Noch vor einigen Jahren wussten nur wenige mit dem Kürzel "ICQ" etwas anzufangen. Inzwischen haben sich die Zeiten geändert: Das "Instant Messaging" (IM), wie der Online-Tausch von kurzen Botschaften heisst, hat sich zu einer der populärsten Internet-Anwendungen nebst der E-Mail und dem WWW entwickelt. Alleine im Januar wurden laut Gartner Group weltweit 15 Mrd. Kurzmitteilungen versandt. ICQ, eines der ersten Kurzmitteilungssysteme im Internet, wurde vom Erfolg der anderen Produkte bereits überrundet: Microsofts MSN Messenger kam laut einer Erhebung vom Februar auf 29,5 Mio., AOLs Instant Messenger auf 29,1 Mio. Benutzer, Tendenz steigend.
Was aber macht Kurzmitteilungsdienste so attraktiv? Sie sind sehr simpel in der Benutzung, und zwar in verschiedener Hinsicht. Wer IM verwendet, wird und muss sich auch kurz fassen. Gerade im Geschäftsalltag kommt das vielen Benutzern entgegen, die ihre knappe Zeit nicht mit dem Studium von verschachtelten E-Mail-Dialogen oder am Telefon verbringen wollen. Kurzmitteilungen sind zudem auch auf Geräten mit kleinen Displays noch gut zu lesen, wie der ungebrochene SMS-Boom beweist.
Ein weiterer Pluspunkt ist die Sicherheit. IM-Verbindungen lassen sich dank modernerer Protokolle besser absichern als E-Mail-Routen. Auch werden die Botschaften nicht nach dem Store-and-Forward-Prinzip über mehrere Server weitergeleitet. Kurzmitteilungsdienste im Internet können dem Benutzer überdies mehr Gewissheit über den Verbleib seiner Nachricht geben.
Aus diesen Gründen hat sich IM etwa in Kundendienstanwendungen mit Erfolg bewähren können. Benutzt der Kunde IM statt E-Mail, muss er weniger lange warten: Sobald ein Kundendienstmitarbeiter frei ist, kann er mit ihm live kommunizieren, kann tippend weitere Fragen stellen oder bei Bedarf nachhaken. Die IM-Technik hat zudem den Vorteil, dass die Internet-Benutzer online bleiben können; bisher mussten sie für ein Gespräch zum Telefonhörer greifen und dazu die Verbindung ins Internet kappen. Der Betreiber des Kundendienstes spart ebenfalls: Es fallen bei ihm für diesen Kunden keine Gratistelefongebühren mehr an.
IM wird die klassische E-Mail nicht ersetzen können. Letztere wird das wichtigste Offline-Kommunikationswerkzeug bleiben und weiterhin stark genutzt werden. Wer jedoch ein schnelles, spontanes und zeitsparendes Online-Kommunikationsinstrument sucht, der ist mit IM besser bedient. Das gilt auch für Firmen, wo diese Technik bisher noch kaum genutzt wird. Zu gross sind die Berührungsängste. Selbst in den USA wird IM derzeit nur in jedem zehnten Betrieb genutzt oder implementiert; es sind meist Firmen mit Call-Center, die den Wert von IM erkannt haben. Immerhin haben weitere 20 Prozent der Unternehmen sich schon Überlegungen zur Einführung von IM im Lauf der nächsten anderthalb Jahre angestellt, wie eine Umfrage vor kurzem ergab.
Das Bild ist jedenfalls klar: In den meisten Betrieben sind es nicht die IT-Leute, die die Entwicklung vorantreiben. Diese wissen oft nicht, was sie von IM halten und damit anfangen sollen. Es ist eine Technik, die sich als typische "Bottom-up"-Bewegung durchsetzt, und nicht etwa vom (IT-)Management angeordnet wird. Die Entwicklung dürfte so ähnlich wie einst im Falle der Handheld-Computer von den Anwendern selbst vorangetrieben werden, indem sie die IM-Technik einfach einsetzen, bis sie aus dem Betrieb nicht mehr wegzudenken ist.
Richtig interessant wird es, wenn Anbieter von Online-Informationen IM für ihre Zwecke entdecken. Reuters etwa hat angekündigt, in Zukunft IM als Plattform für den gezielten Vertrieb von wichtigen Börseninformationen zu benutzen. Microsoft wiederum hat ihre eigene IM-Lösung MSN Messenger im Rahmen ihrer "Hailstorm"-Plattform für Online-Dienste eingeplant; sie soll dort zum Transport von Inhalten und Mitteilungen eingesetzt werden.
Solche Anwendungen gibt es viele. Soll der Kunde eines Händlers beispielsweise über den momentanen Stand seiner Lieferung informiert werden, wird eine Kurzmitteilung an eine vorgegebene Händler-Adresse genügen. Die Antwort des Händlers wird automatisch per IM zugestellt - ob auf den PC des Benutzers, auf sein Handy oder seinen Handheld-Computer spielt dann keine Rolle mehr.