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Business Outlook: Die Vergänglichkeit der digitalen Daten

Wird die digitale Signatur auch nach 20 Jahren noch sicher sein?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/04

     

Vor kurzem führte ich einige Leute in die Thematik der digitalen Signatur ein, da der Bundesrat kürzlich einen Vorschlag für ein entsprechendes Gesetz vorgelegt hat. Die meisten der Anwesenden hatten noch nie bewusst mit digitalen Signaturen gearbeitet und kannten die Technik nur vom Hörensagen. Nach einer Weile kamen die ersten Fragen auf. Die meisten hatte ich erwartet, weil sie immer kommen.




Mit einer Frage habe ich allerdings nicht gerechnet: Was geschieht eigentlich, meinte einer der aufmerksamen Zuhörer, wenn ein wichtiges Vertragsdokument nach 20 Jahren überprüft werden muss. Wird die digitale Signatur dann noch sicher sein? Und wird sie sich überprüfen lassen? Meine Antwort darauf war so banal wie erschreckend: Ich weiss es nicht. Niemand weiss es.

Zusammenbrechen wie ein Kartenhaus

Es wäre gut möglich, dass die heute benutzten Verfahren auch in zehn Jahren noch sicher sind; einer gültigen Signatur unter einem Dokument könnte in diesem Falle vertraut werden. Vielleicht werden im Quantumcomputing aber auch derart grosse Fortschritte gemacht, dass das Knacken heutiger Hash-Algorithmen und asymmetrischer Verschlüsselungsverfahren kein Problem mehr darstellt. Vielleicht ist auch eine jener mathematischen Lösungen für den zur Verschlüsselung benutzten Rechentrick gefunden, der bisher als unerreichbar galt.



In beiden Fällen wäre ein digital signiertes Dokument mit einem Schlag nicht mehr das Papier wert, auf dem es sich nie befunden hat. Die heute schön ausgemalte Zukunftswelt der digitalen Signaturen als Ersatz für die eigenhändige Unterschrift würde zusammenbrechen wie ein Kartenhaus.




Damit ich nicht missverstanden werde: Für kurzfristige und mittelfristige Geschäfte, Transaktionen und entsprechende Dokumente sind neue Techniken wie die digitale Signatur zweifellos eine wichtige Errungenschaft, die die Wirtschaft im Sturm erobern wird. Wo aber ein zeitlich etwas weiterer Horizont beachtet werden muss, sind Zweifel an der Tauglichkeit digitaler Zertifikate in der heute bekannten Form angebracht.



Problem: Langfristige Datensicherung

Das sollte nicht nur im Rahmen von langfristigen Vertragsdokumenten beachtet werden. Schon der nur noch elektronisch stattfindende Austausch von Rechnungen unter Firmen ist ein Beispiel: Die neue Mehrwertsteuergesetzgebung erlaubt ihn erstmals. Allerdings muss ein Revisor die Daten in ihrer elektronischen Form auch Jahre später genauso einfach überprüfen können, wie er es mit Papierbelegen in einem Ordner könnte. Die ersten Tests zeigen: Das ist nicht nur aufwendig, sondern sehr teuer.



Die Privatwirtschaft und auch die Behörden werden durch den vollelektronischen Geschäftsverkehr somit gezwungen werden, weitaus mehr Vorkehrungen für den Erhalt ihrer digitalen Gedächtnisse ihrer Geschäfte zu treffen. Das kostet Zeit und Geld, und das vielleicht mehr, als es sich lohnt. Hinzu kommt, dass wir heute nur einige wenige Anhaltspunkte über die Lebensdauer von Datenträgern haben. Es dürfte jedoch bezweifelt werden, dass sie mit der Laufzeit einer mehrjährigen Lebensversicherungspolice oder den Einträgen im Grundbuchamt mithalten können. Solche Registereinträge müssen nicht nur fünf oder zehn Jahre bestehen, sondern theoretisch ewig.




Wie damit umzugehen ist, kann ich nicht sagen. Natürlich gibt es behelfsmässige Lösungen. Digitale Daten können zum Beispiel immer wieder aufgefrischt und von neuem gespeichert werden. Dabei sind auch Konvertierungen denkbar, sofern sich das überhaupt mit einer digitalen Signatur verträgt. Ob es eine saubere Lösung gibt, bleibt für mich offen.



Fazit: Digitale Signaturen sind eine sehr interessante Technik mit unzähligen Anwendungsmöglichkeiten. Bevor wir mit ihr den Schritt in die Welt der volldigitalen Verträge, Cybernotare und elektronischen Register wagen, sollten die aufgeworfenen Fragen geklärt sein. Weil das so rasch nicht möglich sein wird, werden wir uns wohl noch einige Zeit mit "traditionellen" Dokumenten auseinandersetzen müssen.



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