Business Outlook: Gratisanbieter im Internet - die Folgen des Booms

Wer für eine Dienstleistung nichts bezahlt, wird in der Praxis letztlich nicht mit einem guten Service rechnen können.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/02

     

Die Nachricht schockierte viele Hotmail-Benutzer: Microsoft, die den Gratis-E-Mail-Dienst anbietet, schickt E-Mails, die an bestimmte Provider oder Firmen adressiert sind, seit Monaten nicht mehr weiter, sondern direkt in den digitalen Abfallkorb. Informiert wurde nicht; die Mails kamen einfach nicht an. Microsoft begründete die Aktion mit dem Kampf gegen unverlangte Werbe-E-Mails: Die fraglichen Zieladressen waren auf einer einschlägigen Liste von Firmen aufgeführt, die Spammer unterstützen.




An dieser Stelle soll jedoch keine Debatte über unverlangte Werbe-Mails geführt werden. Der Fall macht ebenso deutlich, wie wenig die Konsumenten solcher Online-Dienste inzwischen gelten. Das zeigt sich auch am Kundenservice von Hotmail: Die Klientel wird mit einigen Hilfe-Seiten alleine gelassen. E-Mails werden von Autorespondern beantwortet, eine (funktionierende) Telefonnummer gibt es - angeblich aus "Sicherheitsgründen" - keine.


Ohne Gebühr kein Service

Microsoft ist leider kein Einzelfall. Man könnte sich nun darüber ärgern oder bestätigt fühlen: Wer für eine Dienstleistung nichts bezahlt, wird in der Praxis letztlich nicht mit einem guten Service rechnen können, selbst wenn sich die Gratisanbieter damit über die Zeit ins eigene Fleisch schneiden. Aber wer denkt im Internet schon langfristig.



Würden diese Dienste Gebühren verlangen, kämen sie freilich nicht mehr darum herum, sich um ihre Kunden zu kümmern. Sie müssten sich und den Nutzen ihrer Services jeden Monat von neuem beweisen, weil ihre Benutzer ihr Online-Abo sonst streichen - und nicht, wie das heute der Fall ist, ihr Konto weiterlaufen lassen, aber irgendwann nicht mehr benutzen. Die Zahlen sprechen für sich: Als Ebay in Deutschland vor einem Jahr eine neue Provision für sich einführte, brach die Anzahl der Angebote von 1,2 Mio. auf 750'000 zusammen.




Inzwischen sind Gebühren für immer mehr Anbieter von kostenlosen Services zum Thema geworden, weil es einfach nicht mehr anders geht: Der Internet-Werbemarkt hat sich nach dem Ausbleiben der Aufträge von Dot-Com-Firmen abgekühlt. Immer häufiger werden daher die Meldungen auch grosser Anbieter wie Yahoo, die neue Gebühren einführen.




Weiterhin schlechte Leistung

Wird nun, wer eine Gebühr bezahlt, eine bessere Leistung erhalten? Ich zweifle daran. Gebühren mögen zwar die Benutzerlast etwas drücken, da sich jeder vorab überlegen wird, ob er ein Angebot wirklich benötigt. Doch viele der Gratisanbieter haben sich ihre Suppe schon versalzen: Wer in den letzten Boom-Jahren einen guten Service bieten wollte und dafür Geld verlangte, geriet rasch unter die Räder der vielen Billig- oder Gratisanbieter. Warum für etwas bezahlen, das ein anderer kostenlos anbietet, stellten sich viele Benutzer zu Recht die Frage. Viele der Serviceanbieter konnten das Geld ihrer Anleger mit beiden Händen ausgeben und wunderbare Dienstleistungen aufbauen, die auf den ersten Blick alle Wünsche befriedigten. Doch mit den ersten Pleiten im Dot-Com-Markt, trockneten nicht nur die Geldflüsse aus. Auch der Werbemarkt, auf den viele der Gratisanbieter gebaut hatten, geriet unter Druck.



Zurück blieb vielerorts eine Misere: Die Benutzer haben inzwischen gegenüber Anbietern Ansprüche und Erwartungen, die nicht ab-, sondern weiter zunehmen werden. Das gilt umso mehr dort, wo künftig bezahlt werden muss. Dass manche dieser Einnahmen primär nicht realisierte Werbeeinnahmen wettmachen müssen, wird die Benutzer nicht interessieren. Und ihre Zahl ist bei manchen Anbietern inzwischen so hoch - Hotmail zählt 70 Mio. Benutzer -, dass nur schon die Erhaltung der Servicequalität bei bestehender Funktionalität Unsummen verschlingt und stetig teurer wird.




Bleibt da genügend Geld für einen Ausbau der Dienstleistungen? An vielen Orten wohl kaum. So wird es zweifellos ein Gesundschrumpfen der Anbieter geben. Einige werden lernen, ihre Angebote und ihre Kundenkreis zu beschränken, um gleichzeitig ihre Marge zu erhöhen. Verändern wird sich aber auch die Anwenderschaft: Laut Marktforschern gibt es schon heute immer mehr Personen, die das Internet wieder nur noch gelegentlich nutzen. Manchmal ist der Frust und Zeitverlust zu gross.



Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Aus welcher Stadt stammten die Bremer Stadtmusikanten?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER