Business Outlook: Grenzen im Cyberspace? Mit Sicherheit

Ein Richter hat letzten Monat entschieden, dass Yahoo einen Teil des Angebots in den USA für französische Internet-Benutzer sperren muss - kommt durch solche Urteile der E-Commerce zum Erliegen?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/44

     

Als ein Pariser Richter letzten Monat entschied, dass Yahoo einen Teil des Angebots in den USA für französische Internet-Benutzer sperren müsse, löste dies einen Sturm der Entrüstung aus. Schon bald werde jeder Internetanbieter die Gesetze eines jeden Landes auf der Erde befolgen müssen. Der E-Commerce käme zum Erliegen. Ähnliches hiess es aber auch vergangene Woche, nachdem die EU sich entschied, dass ab Frühjahr ihre Konsumenten es noch einfacher haben sollen, an ihrem eigenen Wohnsitz gegen Internetanbieter im Ausland zu klagen, sollten sich diese nicht an ihre Verträge halten. Anbieter müssten dauernd mit Prozessen irgendwo auf der Welt rechnen.



Beides ist Unsinn. Der E-Commerce wird sich trotz alledem prächtig entwickeln, und Firmen wie Yahoo brauchen sich nicht um ihr Geschäft zu fürchten. Panikmache ist zwar derzeit "en vogue", da sie gut in die Deregulierungsstimmung der Internet-Szene passt. Sie zielt aber an der Realität vorbei.




Nehmen wir das Beispiel Yahoo. Der Pariser Richter hat von Yahoo in den USA verlangt, was solche Firmen für geographisch ausgerichtete Bannerwerbung ohnehin tun: Yahoo soll einen Teil des eigenen Angebots für jene Surfer sperren, die gemäss IP-Adresse aus Frankreich zugreifen. Yahoo wird nicht alle Zugriffe sperren können, aber einen grossen Teil. Und mehr wird nicht verlangt. Yahoo könnte die Inhalte auch ganz von ihrem Server entfernen. Als privater Betrieb ist sie nicht verpflichtet, Auktionen für Nazi-Ware zu ermöglichen. Tut man es trotzdem, dann darum, weil man daran gut verdient.



Es geht auch längst nicht mehr um die Frage, ob nationale Behörden in einem internationalen Netzwerk wie dem Internet das Recht einzelner Staaten durchsetzen sollen. Denn genau so ist die Realität: Es zählt im Internet das Recht jener Staaten, die es durchsetzen können. Die USA sind freilich das Paradebeispiel dafür: Sie setzen sich über die Souveränität anderer Staaten wie der Schweiz bedenkenlos hinweg.



Die US-Regulierungsbehörden wie etwa die Heilmittelaufsicht FDA betrachten beispielsweise grundsätzlich jede englischsprachige Website auf der Welt, die von den USA abgerufen werden kann, als in ihrem Zuständigkeitsbereich liegend. Ein besonderes Gesetz wiederum schützt Inhaber von US-Marken, indem diese selbst dann vor einem US-Gericht klagen dürfen, wenn der beklagte Domain-Inhaber mit den USA nichts zu tun hat und darum nach US-Recht der dortigen Gerichtsbarkeit an sich nicht unterliegen würde. So traf es jüngst eine Schweizer Firma. Das US-Gericht hielt es nicht einmal für nötig, sie auf dem in Abkommen vorgeschriebenen Weg zu informieren.



Auch Fälle wie Yahoo sind vor US-Gerichten nichts neues. Als etwa der kanadische Internet-Startup ICraveTV einen in Kanada zulässigen Internet-TV-Service dort anbot, fanden davon gestörte US-TV-Sender ohne Probleme einen Richter, der von den USA aus der Firma in Kanada den weiteren Betrieb untersagte. Der Service könne ja auch aus den USA genutzt werden. Ende der Diskussion.



Den USA steht es somit wohl kaum zu, sich über Urteile nationaler Gerichte gegen Internetanbieter im Ausland zu beklagen. Ohnehin sind die Rufe nach einem Ende nationaler Zuständigkeiten unrealistisch. Es ist nicht einzusehen, warum eine Firma, die in einem anderen Land bewusst Geschäfte mit dortigen Kunden betreiben will, sich nicht an die Rechtsordnung in diesem Land halten soll. Das wurde auch bisher nie in Frage gestellt.
Sicher wären einfachere Regeln für E-Commerce-Anbieter sinnvoll, etwa damit diese sich nur an Zulassungsbestimmungen im Herkunftsland halten müssen, wie das die E-Commerce-Richtlinie der EU vorsieht. Doch das setzt einen gemeinsamen Mindeststandard voraus. Das aber klappt nur, wenn alle Beteiligten zu Kompromissen bereit sind. So bleibt es in den meisten Fragen dabei: Im Internet gilt realistischerweise das Recht des Stärkeren. US-Firmen können darum (vorerst) beruhigt sein. Ein US-Gericht würde ein von Konsumenten in Europa erwirktes Urteile in den USA vermutlich sowieso nicht vollstrecken.




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