The Voice of America: Die UDDI-Standardisierung beendet den Suchwahnsinn
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/43
Einige Male pro Jahr bringt uns unsere Telefongesellschaft hier in Seattle ein paar neue Telefonbücher, die einen noch grösseren Umfang haben als die Märchen, die Al Gore während des Wahlkampfs erzählt hat.
Jetzt sieht es aber danach aus, als würde ein neuer Internet-Standard all die gelben Seiten komplett überflüssig machen. Der neue Standard heisst Universal Description, Discovery and Integration, die Abkürzung lautet UDDI. Für die gelben Seiten und insbesondere für traditionelle Business-Verzeichnisse spricht sich das wie "You die".
Obwohl nämlich das Web voll von Informationen, Diensten und Firmen mit guten Angeboten ist - den richtigen Käufer mit dem richtigen Verkäufer zu verbinden, ist eine ganz andere Geschichte. UDDI wird genau das können.
Zumindest theoretisch. Denn bevor sich die segensreiche Technik entfalten kann, muss sich eine Gruppe von streitsüchtigen, egozentrischen und kurzsichtigen Giganten des High-tech-Business einig werden.
Technisch gesehen, wird UDDI zweierlei können:
UDDI definiert ein Set von plattformunabhängigen Standards, mit denen Firmen sich und ihre Präferenzen hinsichtlich elektronischer Transaktionen beschreiben können.
UDDI ermöglicht die Führung eines globalen, verteilten Business-Registers, das all diese Beschreibungen beinhaltet, aktuell hält und jedermann zur Verfügung steht.
Kurz gesagt wird UDDI eine simple Auflistung von online operierenden Firmen und ihren Angeboten sein. Man kann auch sagen, dass UDDI ein weiterer Versuch ist, die Macht des Internet wirklich nutzbar zu machen, indem man eine verständliche, globale E-Commerce-Sprache entwirft, die jeder versteht - ganz ähnlich wie HTML die Sprache ist, die jeder Browser versteht.
Dadurch, so behaupten zumindest die beteiligten Firmen Ariba, IBM, Microsoft, Compaq, Dell und ICG, wird ein neues Feld ausgesteckt, auf dem kleine und grosse Firmen nach denselben Regeln spielen. Die Integration von proprietären Systemen oder Programmen wäre damit nicht mehr nötig.
Man braucht kein Wissenschaftler zu sein, um zu erkennen, dass es einen Standard wie UDDI braucht. Wenn man kein solches System hat, ist das, wie wenn es vier Standards für Mobiltelefonie gäbe, und der Service wäre erst noch lausig. Schon klar, wir haben vier verschiedene Standards, und der Service ist lausig. Aber Sie sehen, was ich meine.
Einige andere Firmen haben das auch gemerkt: WebMethods, Attunity und HP mit espeak versuchen, dieselben Möglichkeiten zu bieten - aber mit proprietärer Technologie. Eventuell werden diese Firmen sich einem UDDI-Standard anschliessen, wenn es denn einmal einen gibt. Bis dahin versuchen sie allerdings, ihr eigenes proprietäres Produkt zum Standard zu machen.
Es ist einfach, hier die Probleme zu sehen. Die Technologie, auf der UDDI basieren soll, ist vorhanden, und HP hat viel dafür getan, um sie vorwärts zu bringen.
Man könnte deshalb erwarten, dass HP auf den fahrenden UDDI-Standardisierungszug aufspringt. Doch weit gefehlt: Die Jungs von Hewlett-Packard hatten schon früh Einwände gegen die Machtstrukturen der Standardisierungs-Organisation, und zwar vor allem, weil die drei UDDI-Gründer Microsoft, Ariba und IBM ein umfassendes Vetorecht über die einzureichenden Technologien behalten haben. Dadurch besteht die Gefahr, dass wieder einmal ein geschlossener "offener Standard" geschaffen wird.
Falls HP die Gruppe dazu bringen kann, dass sie von dieser Position abrückt, ist es allerdings denkbar, dass die Firma auch am Standard mitarbeitet. Das wäre so schlecht nicht. Es ist aber auch ein deutlicher Hinweis auf das erste Problem: Die grossen Player werden sich nämlich gegenseitig ausbremsen.
Das zweite Problem besteht darin, dass ein Konsortium üblicherweise zwei bis drei Mal länger braucht, um einen Standard zu entwickeln, als ursprünglich angekündigt wird. Nicht zuletzt natürlich aufgrund des ersten Problems.
In einer perfekten Welt würde die Notwendigkeit von UDDI das Konsortium dazu bringen, den Standard ohne Gezänk zu proklamieren. Das ist aber noch unwahrscheinlicher, als dass George W. Bush das Wort Konsortium richtig aussprechen kann.