Zahlungsmittel im Web: Die Suche nach der 2. Generation
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2000/40
Wer im Internet etwas einkaufen und bezahlen will, hatte bisher nicht viele Möglichkeiten. Hatte der Händler Vertrauen, so stellte er eine Rechnung. Hatte er keins, lieferte er per Nachnahme. Der Normalfall - wenigstens im internationalen Umfeld - ist aber die Kreditkarte: Sie ist unter den potentiellen Käufern weit verbreitet und jeder kommt damit zurecht. Damit sind die Banken heute fest am E-Commerce beteiligt, denn von ihnen stammen die meisten Kreditkarten.
Doch es ist kein Geheimnis, dass Kreditkarten für den Einsatz im Internet an sich nicht geeignet sind. Sie sind zu teuer - insbesondere für kleinste Beträge. Für kleine, rasche Geschäfte sind ihr Einsatz und die damit verbundenen Benutzereingaben zu umständlich. Kreditkarten stehen nicht jedermann zur Verfügung und viele Kartenbesitzer haben Angst, deren Nummer über das Internet bekanntzugeben.
Die Banken haben darum mit Softwarefirmen vor Jahren begonnen, Alternativen zu entwickeln. Ein Ergebnis ist das digitale Kreditkartensystem SET: Wer eine Kreditkarte hat, kann sich anmelden und damit auch sicher bezahlen. Bloss: In der Realität des E-Commerce ist SET ein Fremdkörper geblieben, zumindest aus Sicht des Publikums. Die meisten wissen nicht einmal, was es damit auf sich hat.
Anderen neuen Zahlungsmitteln erging es bisher noch schlechter. Von E-Cash und dergleichen spricht heute so gut wie niemand mehr. Der prominenteste Schweizer Pilotversuch, Swissnetpay, wurde vor bald einem Jahr eingestellt. Die Website verstaubt seither. Und in Deutschland kann mit E-Cash trotz starken Bank-Partnern an gerade mal 50 Orten im Netz bezahlt werden. Vielleicht war das Timing schlecht, die Zeit nicht reif, die Lösung zu kompliziert oder die Partner nicht richtig gewählt.
Bleiben Kreditkarten somit das dominierende Online-Zahlungsmittel? Auf absehbare Zeit zweifellos. Alternative Internet-Zahlungsmethoden der "zweiten Generation" sind jedoch nicht vom Tisch. Neu wird aber sein, dass diese aus dem reinen Bankenumfeld herausgelöst werden müssen. Neu wird die Telekommunikationsbranche einen wesentlichen Part übernehmen müssen und wollen: Dank ihrer Infrastruktur werden für das breite Publikum Zahlungssysteme aufgebaut werden können, die sich zwar auf gut eingeführte Hilfsmittel wie etwa das Mobiltelefon stützen, aber dennoch völlig neue Anwendungen ermöglichen.
Ein Beispiel ist die deutsche Firma Paybox.Net, an der die Deutsche Bank notabene zur Hälfte beteiligt ist: Paybox entwickelte ein Zahlungssystem für eben solche Mobiltelefone. Der Kunde benötigt nur ein Handy, keine spezielle Software oder Hardware. Soll ein Betrag vom Konto gebucht werden, erhält der Kunde auf seinem Handy eine Meldung, die er bestätigen muss. Damit kann ebenso ein Frankfurter Taxi bezahlt werden wie der Einkauf in einem Internet-Shop.
Ein anderes Beispiel ist das japanische "I-Mode"-System: Über Handys können dort wie mit WAP in Europa etliche Online-Informationsdienste abgefragt werden. Anders als hier kann die Nutzung dieser Dienste aber gleich auch über die Telefonrechnung abgerechnet werden. Der Benutzer muss keine Formulare ausfüllen, keine Kreditkartennummern eingeben. Die Abrechnung führt aber nicht mehr eine Bank durch. Bei I-Mode übernimmt der Mobiltelefoncarrier die Finanztransaktion, der sich dadurch in eine Schlüsselposition hat bringen können.
Dasselbe Modell lässt auch auf europäische Verhältnisse ummünzen; bereits wird an entsprechenden Systemen gearbeitet. Und noch dieses Jahr wird in der Schweiz an etlichen Cola-Automaten mit dem Handy bezahlt werden können; die Cola erscheint auf der Telefonrechnung.
Mit dem Internet hat das zwar nicht viel zu tun. Ist aber das Handy erst einmal zur Geldbörse geworden und die Microbilling-erfahrenen Telekommunikationsunternehmen auf den Geschmack gekommen, werden sich solche Verfahren auch im Internet durchsetzen können.