Intel inside - und zwar überall
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/04
Das Intel Developer Forum (IDF) ist traditionell der Ort, an dem der Marktführer für Prozessoren in halbjährigen Abständen seine Vision der Interaktion zwischen Mensch und Computer in der näheren Zukunft präsentiert. Die gerade zu Ende gegangene Frühjahrsveranstaltung stand diesmal im Zeichen des Mobile Computing und der nahtlosen Integration von Handys und PDAs in die Datenströme von heute.
Intel-CEO Craig Barrett gab in seiner Eröffnungs-Keynote die Richtung vor: Die Grenzen zwischen Computing und Kommunikation verschwinden immer mehr. Wenn es nicht die Geräte sind, die beide Aufgaben beherrschen, so soll zumindest der Übergang vom einen zum anderen nahtlos erfolgen. Demzufolge sieht man bei Intel auch weiterhin ein grosses Wachstumspotential für den ITK-Markt. Die weltweiten Ausgaben für IT-Infrastrukturen sollen in Kürze wieder dieselben Steigerungsraten erreichen wie vor dem Dotcom-Sterben. Auf einen genauen Zeitpunkt wollte Barrett sich allerdings nicht festlegen. Auf unsere Frage, ob der traditionelle Investitionszyklus für Unternehmen von drei Jahren auch weiterhin Bestand habe, und ob somit schon 2003 damit zu rechnen sei, antwortete er sehr ausweichend: "Dies ist die 635-Milliarden-Dollar-Frage". Statt dessen verwies er auf die bekannten Analysten, die ein Wachstum von vier bis sieben Prozent für 2003 prognostizieren. Einen Schub erwartet er allerdings durch die Ende des Jahres auslaufende Unterstützung von Microsoft für Windows 9x und das Abklingen der Nachwehen der Skandale bei den Telekommunikationsunternehmen.
Intels Engagement bei Prozessoren für Handys spielte dementsprechend eine grosse Rolle. Mit dem XScale-Prozessor demonstrierte Gadi Singer, Vizepräsident Wireless Communication and Computing Group, am zweiten Tag die Überlegenheit dieser Architektur in den Bereichen Datenverarbeitung, Farbwiedergabe und Java. Im nächsten Schritt will Intel neben den Flashspeichern auch die Logikschaltungen in den Chip integrieren, um die Multimedia-Performance weiter zu verbessern. Gleichzeitig präsentierte man in Zusammenarbeit mit Microsoft das erste Smartphone-Design auf XScale-Basis.
Doch auch bei den klassischen Mobilgeräten setzt Intel die Messlatte höher. Allein der neu formulierte Anspruch "always on", "always best connected" und "location aware computing" geht weit über die Visionen der Konkurrenz hinaus. Andererseits hat man sich damit auch Aufgaben gestellt, die nicht ohne Tücken sind und an denen der Marktführer sich messen lassen muss. Während der Anspruch, stets mit einem Netz verbunden zu sein, dank des neuen Mobilprozessors Pentium-M und der Centrino-Plattform mit dem integrierten WLAN-Chip lediglich um Bluetooth und GPRS ergänzt werden muss, wie die Konzeptstudie Newport bewies, muss für die automatische Wahl der besten Verbindung die Frage der Abrechnung erst noch geklärt werden. Und auch beim Punkt der Interaktion des Notebooks mit seiner Umgebung stellt sich bei aller Freude über das problemlose Auffinden des nächsten Druckers oder Restaurants die Frage nach der Datensicherheit. Wer permanent interagiert, kann damit auch verfolgt werden. Ob durch Arbeitgeber oder Staatsorgane, die meisten Anwender würden diese Form der Beobachtung wohl gerne vermeiden.
Während dessen stellt der Pentium-M, bislang unter der Bezeichnung "Banias" bekannt, auf der Performanceseite neue Bestmarken für mobile Lösungen auf. Dass er derzeit lediglich mit 1,6 GHz läuft, stellt Intel allerdings vor ein Nomenklaturproblem. Zu lange hat man gegen AMD gewettert, um nun selber eine vergleichende Produktbezeichnung einführen zu können. Ob der Versuch gelingt, dies durch die mit viel Aufwand beworbene Centrino-Plattform zu umgehen, ist zumindest fraglich. Dahinter verbirgt sich die zwingende Kombination von Pentium-M-CPU, i855-Chipsatz und WLAN-Modul. Nur wer alle drei Produkte kauft und verbaut, erhält den begehrten Aufkleber. Zurecht wurde Kritik laut, dass ein Centrino-Produkt nicht einmal über einen Akku verfügen müsste und so die Grundanforderung an jedes Notebook ignorieren würde. Mit Chipsätzen von SiS und ALi für den "Banias" werden die Hersteller aber demnächst Alternativen haben, um in gewohnter Form eine vielfältige Notebooklandschaft zu präsentieren.
Von all der neuen Mobilität fast an den Rand gedrängt, hat eine andere von Intel mitbegründete Idee inzwischen Marktreife erlangt. Das Trusted Platform Module (TPM), eine Hardwarelösung zur Sicherung von Authentizität und Integrität von miteinander kommunizierenden Computern, wird inzwischen in der Version 1.1 ausgeliefert. Zunächst für PCs und Notebooks gedacht, soll der am LPC-Bus sitzende Chip, der schon beim Einschalten des Geräts beginnt, wichtige Parameter auf Angriffe zu untersuchen und schon beim Booten des Betriebssystems mit der "Root-of-Trust", der tief verwurzelten Vertrauensbasis, begonnen hat, demnächst auch in PDAs und Mobiltelefonen zu finden sein. Die Akzeptanz ist besonders im finanzsensitiven Bereich sehr hoch, wie Vertreter von IBM bestätigten. Banken und Kreditkartenbetreiber würden begeistert auf das neue Sicherheitskonzept wechseln. Man erwartet daher, dass auch der Verbraucher, der immer mehr auf Online-Transaktionen setzt, zukünftig gehalten würde, entsprechend sichere Geräte einzusetzen. Bei der Herstellung solcher Module sind derzeit Infineon, Atmel und National Semiconductor führend.
Bei den Prozessoren im Desktop-Segment stand klar der "Prescott" im Vordergrund. Auch wenn Intel im Laufe des Jahres noch einige CPUs mit HyperThreading mit 400 MHz und 533 MHz Front Side Bus und in Taktraten von 2,4 GHz bis 3,2 GHz auf den Markt bringen wird, gehört die Zukunft doch eindeutig dem 800 MHz Front Side Bus, der ab dem vierten Quartal mit dem "Prescott" verfügbar sein wird. Auch die weiteren Eckdaten dieses P4s können sich sehen lassen: Voraussichtlich 3,4 GHz in der ersten Version, ein Design, das auf bis zu 5 GHz ausgelegt ist, 1 MB L2-Cache und Fertigung in 90 nm sowie ein weiter optimiertes HyperThreading versprechen einen deutlichen Leistungszuwachs gegenüber allen derzeitigen Prozessoren. Der zugehörige Chipsatz 875P unterstützt Dual-Channel DDR 400/333, Serial-ATA, AGP8X und verfügt über die PAT getaufte Performance-Acceleration-Technologie.
Wenig beredsam zeigte sich Intel, wenn es um die Frage des besten Betriebssystems für HyperThreading-Prozessoren geht. Hier will man es sich wohl mit niemandem verscherzen. "Wir kommentieren keine Produkte anderer Hersteller" war ein Satz, den man in San Jose zur Genüge hören konnte. Grundsätzlich sind zumindest Windows und Linux in diesem Bereich als gleichberechtigt zu betrachten. Während Intel auf eine langjährige Zusammenarbeit mit Microsoft zurückblicken kann, gilt gleiches auch für die stark bei Linux investierenden Kollegen von IBM. HP dagegen verweist darauf, dass man derzeit das einzige OS für die Kombination Itanium2 und Unix besitzt.
Intel hat für kommende Produkte auch ein "Advanced HyperThreading" angekündigt, wobei es sich um einen erweiterten Befehlssatz handelt. Ein weiterer Ansatz, der auf dem IDF vorgestellt wurde, ist im Gegensatz zum derzeit synchronen HyperThreading eine asynchrone Variante. Intel ging nicht näher auf die Funktionsweise ein und verwies statt dessen auf einen inzwischen fertigen Compiler, der bestehenden Code entsprechend konvertieren würde. Von Handarbeit riet man allen Programmierern dringendst ab.
Insgesamt muss man die Selbstdarstellung von Intel als eindrucksvoll bezeichnen. Kein Bereich, in dem der Branchenprimus nicht mit spielerischer Leichtigkeit in der Spitzengruppe mitmischt. Gleichzeitig setzt man die Konkurrenz mit konkreten Visionen und Zeitplänen unter Zugzwang.