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Wie weiter für Systor-Kunden?

Im Dezember musste Systor um provisorische Nachlassstundung nachsuchen. Schlechte Nachrichten für die Outsourcing-Kunden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2003/01

     

Wer hätte das je gedacht? Die stolze Systor, einst als kommender Börsenstar gehandelt und aufgrund der Verflechtungen mit dem Schweizer Finanzkonzern UBS als höchst seriös eingeschätzt, ist zahlungsunfähig und steht ganz oder stückweise zum Verkauf.



Der Untergang oder Verkauf des eigenen Outsourcing-Dienstleisters ist zweifellos für jeden CIO und jede Geschäftsleitung der "Worst Case". Da sich die IT-Infrastrukturen (Server, Software, Kommunikationseinrichtungen) meistens im Besitz des Outsourcers befinden, würde im schlimmsten Fall ein Konkursrichter Maschinen und Software beschlagnahmen, den Betrieb einstellen und allfällige Aktiven Stück für Stück zum bestmöglichen Preis verkaufen. Der Kunde stünde in einem solchen Fall von einem Tag auf den anderen ohne jegliche IT da und würde wohl ebenfalls in den Untergang mitgerissen. Dieser Fall wird bei Systor wohlgemerkt nicht eintreffen. Doch welche Folgen hat der absehbare Verkauf und die anschliessende Zerstückelung eines der grössten Schweizer IT-Dienstleisters für die Kunden?


Zwei Exit-Szenarien für Cantrade

Systor Business Services betreibt für einige kleinere Banken, darunter Cantrade, die gesamte IT-Infrastruktur und die bankspezifischen Applikationen. Markus Bachofen, COO der Privatbank Cantrade, findet die aktuelle Situation als Outsourcing-Kunde von Systor zwar stressig, doch wirkliche Gefahr bestehe nicht. Er betont, dass der Jahresabschluss - naturgemäss die grösste Herausforderung für einen Outsourcer - "absolut problemlos" über die Bühne gegangen sei. Ausserdem habe man bei Cantrade immer mit einem Besitzerwechsel bei Systor gerechnet und sich deshalb vertraglich abgesichert.



Würden alle Stricke reissen, so hat Bachofen zwei Ausstiegsszenarien. Einerseits könnte Cantrade den Outsourcer wechseln, da die Sobaco-Tochter Pribasys das gleiche Banksystem ebenfalls betreibt. Als Alternative dazu, so Bachofen, "kaufen wir Systor Business Services einfach zurück." Denn Systor Business Services entstand aus der ehemaligen Baltos, die früher im Mitbesitz von Cantrade war.




Eine Lehre zieht Bachofen allerdings aus dem Systor-Debakel. In Zukunft werde er in jedem Outsourcing-Vertrag, mit welchem Provider auch immer, auf einer Klausel beharren, die den Vertrag auch für allfällige Käufer des Providers bindend macht.



Gelassenheit

Panik will auch unter anderen Systor-Kunden keine aufkommen. "Wieso sollte ich nun aufgeregt herumrennen?", fragt der für den Betrieb Verantwortliche einer betroffenen Bank. Schliesslich sei ein allfälliger Käufer von Systor Business Services von seiner Bank abhängiger, als diese vom neuem Besitzer, argumentiert er. Bis jetzt sei im täglichen Betrieb keine Verschlechterung der Dienstleistungsqualität oder der Verfügbarkeit des Banksystems feststellbar. Offen bleibt, ob beim absehbaren Verkauf von Systor die Outsourcing-Verträge weiter gültig sein werden oder neu zu verhandeln sind. "Das ist
Juristenfutter", kommentiert der Systor-Kunde.




Migrosbank sichert Know-how

Tatsächlich wird ein allfälliger Käufer von Systor alles daran setzen, die bestehenden Verträge mit Outsourcing-Kunden zu erfüllen und wenn immer möglich zu verlängern.



Auch andere Systor-Kunden bleiben cool. So demonstriert Erich Hort, Präsident der Geschäftsleitung der Migrosbank, Gelassenheit, obwohl ein wichtiges Projekt mit Systor, die Anbindung des Internet-Bankkiosks "Bancolino" an die internen Applikationen, kurz vor Abschluss steht. Die Migrosbank habe mit den Know-how-Trägern bei Systor sichergestellt, dass das Projekt auf jeden Fall abgeschlossen werden kann, so Hort. Im Klartext: Falls Systor den Betrieb ganz oder teilweise einstellen sollte, würde die Migrosbank die entsprechenden Systor-Leute für die Projektdauer selbst unter Vertrag nehmen.


Systor vor Verkauf und Zerstückelung

Im November 2001 beschäftigte der Zürcher IT-Dienstleister Systor europaweit noch über 1700 Mitarbeitende: Meist hochqualifizierte Projektleiter, Ingenieure und IT-Spezialisten. Nun steht der Konzern vor dem Aus. Im November 2002 musste die deutsche Tochterfirma Insolvenz anmelden, im Dezember flüchtete sich Systor Schweiz in die Nachlassstundung. Grund: Ein deutsches Bankenkonsortium hatte auf die Rückzahlung von fälligen Krediten beharrt und der Mehrheitsbesitzer, UBS Capital, weigerte sich, Geld nachzuschiessen.



Ursache des Niedergangs eines der grössten Schweizer IT-Dienstleisters waren die missglückte und sehr kostpielige Expansion nach Deutschland und wohl auch die langanhaltenden Probleme, sich vom ehemaligen Hauptkunden UBS zu lösen und sich auf dem Markt als unabhängiger Dienstleister durchzusetzen.




Zur Zeit verhandelt der Nachlassverwalter mit sechs potentiellen Käufern. Ist ein solcher gefunden, müssen die Gläubiger dem Nachlassvertrag zustimmen. Zu erwarten ist, dass ein Käufer die ertragreiche Systor Business Services AG weiterführen wird, während andere Teile von Systor je nach Auftragslage an die Kunden verkauft oder auch eingestellt werden.



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