Des Anwenders grösstes Ärgernis: Die Formulare

Eines der grössten Probleme der ERP-Anwender sind die Formulare. Welches sind die Gründe?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2004/18

     

Eigentlich sind ERP-Systeme Papierdrucksysteme. Seien es Formulare wie Offerten, Lieferscheine oder Rechnungen, oder Reports wie ein Produktionsplan oder eine Lagerbestandsliste – ERP-Systeme verarbeiten und verdichten Daten und unterstützen auf diese Weise die betrieblichen Arbeitsprozesse. Diese Funktionalitäten bringen die Notwendigkeit mit sich, Daten in Form von Formularen und Reports darzustellen und zu übermitteln. Daran ändert in der heutigen Zeit auch die Vision einer papierlosen Prozessabwicklung gar nichts.


Sorgenkind Programmierung

Im Rahmen der Studie «Anwender-Zufriedenheit ERP/Business-Software» untersuchte das Zürcher Beratungsunternehmen i2s Freud und Leid der Anwender rund um den Einsatz von ERP-Systemen in der betrieblichen Praxis. Während auf Tagungen und in vielen Presseartikeln vor allem Schlagwörter und schöngefärbte Marketingaussagen die Diskussion bestimmen, lenkt die Studie den Blick ganz bewusst auf die Trivialitäten und kleinen Probleme im Alltagsgeschäft. In allen bislang durchgeführten Ausgaben der Studie gab es dabei stets ein Sorgenkind, das sich von allen anderen Problemen deutlich abhebt: Formulare und Auswertungen. Schlimmer noch: Der dafür ermittelte Wert schneidet im Portfolio der Zufriedenheitsaspekte nicht nur als schlechtester ab, er unterliegt auch ganz klar der grössten Varianz. Das bedeutet, dass die effektiven Ergebnisse in der Praxis weit auseinanderliegen und stark schwanken. Eindeutige Best Practises sind kaum etabliert.





Formulare und Auswertungen - Das sind die Besten


Mangelndes Bewusstsein für die Auswirkungen

Das spätere Problem im Umgang mit Formularen und Auswertungen fängt schon früh im Projekt an und äussert sich primär darin, dass eben niemand daran denkt. Dies zeigt sich bereits bei der Prozessanalyse. Dort werden bekanntlich Unmengen von Daten und Fakten gesammelt, einzig die Mühe, daneben auch von Anfang an alle Formulare und Auswertungen zusammenzutragen, macht sich in dieser wichtigen Phase leider niemand. Es fehlt völlig am Bewusstsein für das Problem.






In aller Regel bieten Anbieter ihre Dienstleistungen rund um das Erstellen von kundenspezifischen Formularen und Auswertungen «nach Aufwand» an. Auf intensiveres Nachfragen hin bekommt der Kunde dann oft Antworten wie «das geht nicht» oder «das können wir nicht» zu hören. In der Folge wird die Formularprogrammierung dann auch bei günstigen Pauschalangeboten zum Schlupfloch, durch das im Implementierungsverlauf alle möglichen Probleme entweichen und natürlich auf die Rechnung schlagen. Dabei ist die von den Anbietern oft gemachte Aussage nicht richtig, denn der Aufwand zur Programmierung von Formularen kann durchaus präzise abgeschätzt werden. Dazu ist es aber notwendig, dass auf Kunden- beziehungsweise Anwenderseite eine gewisse Vorarbeit geleistet wird und die Anforderungen erst einmal genau definiert werden. Dies bestätigt Walo Jaisli, iFAS-Anwender von der Signal: «Man muss im Vorfeld abklären, was man will. Sowohl inhaltlich als auch gestalterisch.»


Einfachste Tools am besten

Einfache Werkzeuge zur Erstellung von Formularen und Reports sind heute frei auf dem Markt erhältlich. Weitherum bekannt ist etwa Crystal Reports oder der Formulargenerator von Microsoft Access. Dabei handelt es sich um grafische Werkzeuge mit einer abgestimmten Funktionalität, die einfach zu bedienen sind. Dennoch setzen viele ERP-Anbieter noch immer auf selber entwickelte Tools, die dem Stand der Technik oft weit hinterherhinken. Problematisch wird es besonders dann, wenn Formulare in einer verbalen Programmiersprache umgesetzt werden müssen. So beklagt Flavio Manara von Mecatool, dass der Aufwand für das «Kreieren» eines neuen Formulars ausgesprochen hoch sei. Das von der Mecatool eingesetzte IN:ERP belegt in der Umfrage von i2s in bezug auf Formulare einen der letzten Plätze.






Ähnlich äussert sich auch Arthur Feierabend von Gallus Ferdinand Rüesch, die SAP eingeführt hat: «Der Standard ist unbrauchbar, die Anpassungen sind katastrophal. Sobald bereichsübergreifend gearbeitet wird, sind die Formulare nicht mehr brauchbar.» Auf positives Echo stossen jedoch immer wieder einfachste Werkzeuge wie Crystal Reports. So sieht es auch Martina Zech vom ERP-Anbieter Blue Office Consulting, die standardmässig Crystal Reports für ihr System einsetzt und in der Anwendergunst in bezug auf Formulare und Auswertungen die besten Noten erhalten hat. Den in diesem Punkt schlecht plazierten Anbietern ist zugute zu halten, dass von den meisten die technische Seite als Ursprung des Problems erkannt wurde. Viele haben heute einfachere Werkzeuge im Einsatz, leiden aber immer noch an den Altlasten. So sieht es auch Reto Ammann von Opacc: «Viele unserer Kunden nutzen die Reporting-Möglichkeiten in Opacc One, die im Laufe der letzten Jahre hinzugekommen sind. Dazu gehören Crystal Report Writer und die sogenannten Do-it-yourself-Funktionen, mit denen sich codelose Auswertungen erstellen lassen. Diese stehen auch Kunden mit älteren Versionen offen, wenn sie sich das entsprechende Know-how erarbeiten. Kunden, welche die neueren Möglichkeiten nutzen, beurteilen die Reporting-Fähigkeiten der Lösung natürlich weit besser als diejenigen, welche bis zur Stunde ausschliesslich die alten Möglichkeiten nutzen.»


Gute Organisation ist die halbe Miete

Formulare zwingen den Anwender dazu, sich intern gut zu organisieren und die Verantwortlichkeiten genau geklärt zu haben. So ist es etwa nicht sinnvoll, dass die Verantwortung für die Spezifikation von Formularen nur der gelobten Corporate Identity Willen ständig zwischen dem Projektteam und der Marketing-Abteilung hin- und hergeschoben wird. Gerade bei Formularen darf es strikt keine Grauzonen geben, da sie in allererster Funktion Arbeitshilfsmittel sind. Dementsprechend müssen sie zuerst den Anforderungen der Fachabteilungen genügen. Der viel beschworene «Process-Owner» ist in diesem Sinne auch «Form-Owner». Gleichzeitig sollte berücksichtigt werden, dass gerade Formulare und Auswertungen einer grossen (Markt-)Dynamik unterliegen. Es ist daher schon fast zwingend, dass jedes Anwenderunternehmen selbst über die Kompetenz verfügt, Formulare zu programmieren und Anpassungen ohne Zeitverlust und vor allem ohne bürokratische Hürden vorzunehmen. Bei jeder Anpassung auf externe Hilfe zu warten, ist nicht nur nervenaufreibend, sondern es kostet auch eine Stange Geld. So beklagt sich etwa Ludwig Maestri vom Stanser Sensorhersteller Sick, dass er für bestimmte Auswertungen immer wieder auf den externen Partner zurückgreifen muss. «Im Prinzip könnten wir aber alles auch selber machen», sagt er.





Doch auch die wechselnden Wünsche auf der Ebene der Geschäftsleitung bereiten häufig interne Probleme, denn in aller Regel nehmen Direktionsmitglieder die von ihnen gewünschten Auswertungen ja nicht selber vor. Anders läuft es bei der Komax. Hier sind laut Guido Stöckli in jedem der vier Firmenbereiche klare Verantwortliche benannt, die die Berechtigung und Aufgabe haben, Veränderungen an Formularen vorzunehmen. Änderungswünsche können auf diese Weise rasch und effizient abgesprochen und realisiert werden.





Best practices



Worst practices


Der Autor

Eric Scherer ist Geschäftsführer der i2s GmbH in Zürich und Initiator
der Studie «Anwender-Zufriedenheit ERP/Business-Software». Er verfügt über 15 Jahre Erfahrung in der Evaluation und Einführung von ERP-Systemen und berät schwerpunktmässig KMU in der Schweiz und Mitteleuropa.




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