Luzern.ch: Ein Grundsatzentscheid, der zu spät kommt

Für die Beurteilung der von einem Domainnamen ausgehenden Verwechslungsgefahr ist nicht der Inhalt einer Homepage entscheidend, sondern der Domainname selbst.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/39

     

Das Urteil bleibt bestehen, geändert hat sich nur die Argumentation. In seinem jüngsten Entscheid bestätigte das Bundesgericht den Entscheid der Vorinstanz, wonach der Domainname www.luzern.ch von der Head Web GmbH auf die rechtmässige Besitzerin, die Stadt Luzern, zu übertragen sei. "Luzern" ist (im Gegensatz zu "Berner Oberland") nicht eine gemeinfreie geografische Bezeichnung, sondern der Name einer (bekannten) Stadt, und Gemeindenamen stehen unter dem Schutz von Art. 29 ZGB. Deshalb kann einem Unberechtigten verboten werden, solche Bezeichnungen als Domainname zu registrieren.



Das Bundesgericht hat seinen Entscheid ausschliesslich auf das Namensrecht abgestützt. Ob die Stadt Luzern gemäss Art. 9 UWG zu einer Klage auf Grundlage des Lauterkeitsrecht überhaupt legitimiert war, konnte offengelassen werden. In der Tat ist es zweifelhaft, ob sich die Stadt Luzern bereits durch das Angebot von städtischen Wohnungen und die gesetzlich vorgeschriebene Publikation von Stelleninseraten am wirtschaftlichen Wettbewerb beteiligt und deshalb eigene wirtschaftliche Interessen im Rahmen des Lauterkeitsrechts geltend machen kann, wie das Luzerner Obergericht in ihrem Entscheid befunden hatte.




Nach jahrelangem Streit hat die Beklagte nun den Grundsatzentscheid, den sie gefordert hatte. Nur ist dieser nicht in ihrem Sinn ausgefallen. Dafür auf ihre Kosten: Nebst der Gerichtsgebühr von 5000 Franken muss die Beklagte die Klägerin für das bundesgerichtliche Verfahren mit 8000 Franken entschädigen. Die Vision von der uneingeschränkten Freiheit des Internet und vom allein selig machenden Prioritätsprinzip in der Vergabe der Domainnamen ist unerfüllt geblieben. Öffentlich-rechtliche Körperschaften haben einen rechtmässigen Anspruch auf den sie kennzeichnenden Domainnamen, so das Gericht. Zu einer Interessensabwägung kommt es lediglich, wenn beide Streitparteien irgendwelche Rechte am Namen geltend machen können, wenn sie z.B. eine gleichnamige Firma oder Privatperson sind. So hat das Bundesgericht im Fall www.montana.ch den im Besitz der Zuger Privatschule "Institut Montana Betriebs AG" stehenden Domainnamen der klagenden gleichnamigen Gemeinde zugesprochen, da diese auf dem Gebiet des Tourismus und des Skisports über einen ausserordentlichen Bekanntheitsgrad verfügt.



Von besonderem Interesse in der Argumentation des Bundesgerichtes im Fall www.luzern.ch sind vor allem zwei Aspekte, die in der Lehre bisher strittig gewesen waren. So entschied das Gericht, dass für die Beurteilung der von einem Domainnamen ausgehenden Verwechslungsgefahr nicht der Inhalt einer Homepage entscheidend ist, sondern der Domainname selbst. Ein entsprechender Hinweis auf der Startseite, dass es sich hierbei nicht um die offizielle Seite der Gemeinde X handelt, reicht also nicht, um die Verwechslungsgefahr auszuschliessen. Auch ein Link zum entsprechenden Angebot nicht. Schliesslich kann jemand, der das Briefpapier der entsprechenden Firma vor Augen hat, nicht lesen, was auf der Webpage steht. Beim Entscheid www.berneroberland.ch hatte das Gericht diese Frage noch offengelassen.



Bestätigt wurde auch der entschädigungslose Übertragungsanspruch der Klägerin. Der berechtigte Namensträger muss sich nicht mit einer Löschungserklärung begnügen, sondern hat gegenüber dem bisherigen Inhaber des Domainnamens einen klagbaren Anspruch auf Abgabe aller für eine Übertragung notwendigen Erklärungen. Diese Verpflichtung erachtet das Bundesgericht als angemessene Anordnung zum Schutze des Namens der Stadt Luzern, also zur Herstellung des rechtmässigen Zustandes. Ein solcher Übertragungsanspruch galt bisher nur für Marken (Art. 53 MSchG).



Der bundesgerichtliche Entscheid in Sachen www.luzern.ch hat durchaus den Charakter eines Präzedenzfalles. Eine Prozesslawine wird er indes nicht auslösen. Dafür kommt er ganz einfach zu spät. Die schweizerische Vergabestelle Switch vergibt Domainnamen von Gemeinden seit 1997 nur noch an autorisierte Personen. Zudem sind die meisten Gemeindedomains sowieso schon im Besitz der gleichnamigen Gemeinde. Eine Ausnahme bildet die Luzerner Vorortsgemeinde Rothenburg, wo der entsprechende Domainname noch immer im Besitz einer nicht autorisierten Privatperson ist. Diese Person hatte in den 90er Jahren die Namen mehrerer Luzerner Vorortsgemeinden reserviert, um darauf ein Innerschweizer Portal aufzubauen. In der Zwischenzeit hat sie (mit Ausnahme von www.rothenburg.ch) alle Namen an die entsprechenden Gemeinden übertragen. Was beweist: Streitfälle können (und sollten) auch aussergerichtlich gelöst werden.




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