Finance Forum 2002: Pflichtanlass für krisengeschüttelte Banken
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/38
Es erstaune nicht, dass die Messe in einer Zeit, in der andere Ausstellungen stagnieren oder gar abgesagt werden müssen, bereits seit Monaten ausgebucht ist, verkünden die Veranstalter des Finance Forum offensichtlich nicht ohne Stolz. 160 Aussteller warten im Kongresshaus Zürich am 5. und 6. November auf interessierte Besucher. Parallel zur Messe findet eine Seminarreihe statt, für die rund 3000 Teilnehmer erwartet werden. In etwa gleich hoch soll die Zahl der Messeteilnehmer ausfallen. Die Veranstaltung versteht sich mitunter als Schnittstelle zwischen Informatik und Finanzwelt.
"Die Bankenkrise ist für das Finance Forum insofern positiv, als in der Branche dadurch das Informationsbedürfnis steigt", erklärt René Meier, Managing Director des Veranstalters an der Pressekonferenz, und er will die Aussage nicht etwa als Schadenfreude verstanden wissen: "Wir wissen selbstverständlich, dass sich viele Banken in einer schwierigen Phase befinden, und wir bieten ihnen eine Möglichkeit, sich zu orientieren."
Im vergangenen Jahr standen am Finance Forum Themen wie beispielsweise Customer Relationship Management und neue Vertriebskanäle, speziell auch Internet-Banking, im Vordergrund. "Hier fand für mich eine der grössten Veränderungen statt", so Meier. Als Themen stehen für ihn in diesem Jahr Kostenreduktion, Integration, Konsolidierung sowie das Aufbrechen der traditionellen Wertschöpfungsketten im Zentrum.
Das globale Finanzsystem ist jedenfalls im Auf- und Umbruch begriffen oder befindet sich gemäss dem Direktor des Schweizerischen Instituts für Banken und Finanzen an der HSG, Professor Beat Bernet, vielmehr in einem "äusserst labilen Gleichgewicht". Seiner Meinung nach ist eine nachhaltige Stabilisierung der Märkte noch nicht in Sicht. Ausserdem spricht er von einer "Traumatisierung der Marktteilnehmer". Bernet: "Kommt es bis zum Jahresende zu einem weiteren auch nur moderaten Einbruch an den Börsen, wird es auch im kommenden Jahr nicht zum prognostizierten Konjunkturaufschwung kommen."
Angesichts dieser Voraussetzungen stellt sich die Frage, wie die Finanzbranche auf diese sich verändernden Rahmendbedingungen reagieren soll. Bernet verschreibt als vordringliches Rezept: "Kosten müssen rasch heruntergefahren werden." Und weiter: "Die auf Volumina basierenden Wertschöpfungsmodelle der Banken haben ausgedient. Noch fehlt es an alternativen Geschäftsmodellen." Er geht zudem davon aus, dass über die nächsten drei Jahre zwischen 15 und 20 Prozent der Stellen abgebaut oder ins Ausland verlagert werden. Aber der profunde Fachmann zeigt auch Auswege auf. Es gehe nun darum, die Beratungsfunktionen im Bereich Financial Planing aufzubauen und er empfiehlt weiter unter Federführung der Grossbanken "Swiss Finance" als Markennamen zu etablieren.
Professor Bernet wird am Finance Forum anlässlich seiner Keynote weiter auf diesen dramatischen Wandel im Finanzumfeld eingehen. Und der gesamte Anlass steht sinnigerweise unter dem Motto "Finanzplatz Schweiz - quo vadis?". Der Veranstalter bewies bei der Wahl des Überbegriffs eine glückliche Hand - vor allem weil er bereits schon ein Jahr im voraus festgelegt wurde, und damals sah die Situation in der Branche noch um einiges besser aus. Und trotzdem wird Internet als Begriff am Forum nicht gänzlich verpönt sein. Der Franken wird vielleicht ein paar Mal mehr umgedreht, bevor er investiert wird. Die Finanzhäuser werden aber nach wie vor dort Geld in Internettechnologien und Applikationen investieren, wenn die Investitionen auch umgehend einen messbaren Nutzen bringen - beispielsweise helfen, Kosten zu sparen.
Das Motto, so hofft Managing Director René Meier, wird die Banker neugierig machen, und so mancher wird wohl den Arbeitsschluss ein wenig vorverlegen und ans Forum pilgern. Die Apéros seien ein äusserst beliebter Treffpunkt der Branche, weiss Meier. Und mit ein Grund dafür, weshalb Meier den Standort Kongresshaus als ideal bezeichnet, ist die Tatsache, dass er in unmittelbarer Nähe zur Zürcher Bankenmeile liegt. Ausserdem habe die Örtlichkeit auch die ideale Grösse. Es sei letztlich viel besser, wenn man sagen könne, man sei ausgebucht.