Vergleichstest: StarOffice 6.0 vs. OpenOffice 1.0.1

Obwohl StarOffice und OpenOffice auf der gleichen Basis aufsetzen, eignen sich die Office-Pakete nicht für alle Anwender gleichermassen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/27

     

Gut eineinhalb Jahre dauerte es von Suns Ankündigung, den Quellcode des aufgekauften Office-Paketes StarOffice freizugeben, bis zur ersten finalen Version. In dieser Zeit wurde aus einer eher gewöhnungsbedürftigen Software mit integriertem Desktop eine "klassische" Office-Suite mit Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentations- und Zeichenprogramm. Im Unterschied zu Konkurrenzprodukten wie Microsofts Office oder Corels WordPerfect Office sind hier allerdings die verschiedenen Komponenten in einer einzigen Applikation integriert.


Aus eins mach zwei

Aus dem freigegebenen Quellcode von StarOffice 5.2 entwickelte die Open-Source-Gemeinde mit Unterstützung von Sun das Officepaket OpenOffice 1.0. Gleichzeitig diente dessen Quellcode für StarOffice 6. Die beiden Büropakete, die für Linux, Solaris und Windows erhältlich sind, basieren also auf der gleichen Codebasis und weisen die gleiche Grundfunktionalität auf. Doch während OpenOffice kostenlos und auch im Source Code vorliegt, werden für StarOffice Lizenzgebühren fällig. Mit 138 Franken für die Einzelplatz-Version liegen diese allerdings immer noch deutlicher unter den Preisen für Konkurrenzprodukte wie etwa Microsofts Office-Paket. Für diesen Betrag erhält der Käufer nebst Handbüchern auch einige proprietäre Ergänzungen und bei Bedarf Support durch Sun.



Zu diesen Erweiterungen von StarOffice gehören zum einen die Datenbank Adabas der deutschen Firma Software AG. Zum anderen aber weist die kommerzielle Version des Officepaketes eine mehrsprachige Rechtschreibprüfung auf, eine Komponente, die bei OpenOffice weitgehend fehlt. Zwar liegen mittlerweile einige Wörterbücher vor, darunter auch für Deutsch. Doch Qualität und Umfang können sich nicht mit der proprietären Variante von StarOffice messen, und ein Thesaurus, also ein Synonym-Wörterbuch, fehlt völlig. Office-Anwender, die häufig Gebrauch von der Rechtschreibprüfung machen, sind mit StarOffice sicher besser bedient.





Microsoft wird verstanden

Die Installation ist bei StarOffice und OpenOffice identisch. Hierbei zeigt sich, dass die Software von Mehrbenutzer-Systemen her kommt: Das Paket lässt sich, sofern die eingesetzte Plattform mehrere Benutzer unterstützt, entweder für einen einzelnen Anwender oder systemweit installieren. In letzterem Fall, der so genannten Netzwerkinstallation, werden die Programmdateien an einem allgemein zugänglichen Ort untergebracht, wobei jeder Benutzer nochmals das Setup-Programm starten muss, um ein Verzeichnis mit den persönlichen Einstellungen anzulegen. Während sich dieses doppelte Prozedere auf Unix-Systemen bloss als umständlich erweist, artet es unter einem Mehrbenutzer-Windows zum Ärgernis aus: Wer einfach das Setup-Programm doppelklickt, landet automatisch in der Einzelbenutzer-Installation. Die Mehrbenutzer-Variante muss über eine Befehlszeile mit dem Parameter "-net" aufgerufen werden, ein Vorgang, der nicht gerade als Windows-like zu bezeichnen ist und sich häufig als Stolperstein entpuppt.



Damit wäre die grösste Schwäche dieser Office-Alternative aber auch bereits abgehandelt. Im Einsatz entpuppt sich die Software als zuverlässiger Bürohelfer, der kaum Wünsche offen lässt, was den Funktionsumfang betrifft. Anwender von Microsoft-Programmen - die anvisierte Zielgruppe - finden sich schnell zurecht, da Menüstruktur und Symbolleisten eine hohe Ähnlichkeit aufweisen. StarOffice/OpenOffice macht jedenfalls nicht den Eindruck, als wären den Entwicklern die Microsoftschen Büroprogramme völlig fremd.




Doch das Alternativ-Gespann weist auch einige durchaus nützliche Eigenheiten auf. Dazu zählt vor allem die grosszügige Unterstützung verschiedener Datenquellen, etwa für Serienbriefe. Anders als bei Microsoft lassen sich hier global gültige Einstellungen vornehmen, die allen Dokumenten zugute kommen. Unterstützt werden nebst Tabellen aus der eigenen Produktion "Calc", dem Pendant zu Excel, auch die Adressbücher von Mozilla, Outlook und LDAP-Verzeichnisse sowie verschiedene Datenbanken. Auf Adabas- und dBase-Tabellen kann direkt zugegriffen werden, darüber hinaus eignen sich alle Produkte, die sich via ODBC oder JDBC ansprechen lassen. Eine bestehende Access-Datenbank lässt sich also genauso nutzen wie die MySQL-Tabellen des Webservers. Die eigenen Dateien speichert StarOffice/OpenOffice im XML-Format. Das bietet immerhin die Gewähr, dass zumindest der Inhalt eines Dokumentes auch dann noch entziffert werden kann, wenn die Software selbst längst der Vergangenheit angehört.



Auf Windows-PCs mit genügend RAM können über einen Schnellstarter grundlegende Komponenten von StarOffice/OpenOffice beim Systemstart direkt in den Speicher geladen werden. Die rund 15 MB, die hierfür belegt werden, belohnen den Anwender mit einem deutlich schnelleren Start der Office-Anwendung. Überhaupt zeigt sich die Office-Alternative RAM-hungrig: 30 bis 40 MB genehmigt sich das Paket im laufenden Betrieb gerne. Hier ist gegenüber den Betaversionen keine Verbesserung eingetreten.



Doch StarOffice wie auch OpenOffice verstehen sich nicht nur mit verschiedenen Datenquellen, sondern auch mit den Dateiformaten von Microsoft Office - ein entscheidender Faktor, um als ernsthafte Alternative zum De-facto-Standard zu bestehen. Die finalen Fassungen bestätigen hierbei den guten Eindruck, den die Betaversionen hinterlassen haben. Einfachere Dokumente lassen sich problemlos öffnen und auch wieder sichern. Doch ganz ohne Nachbearbeitung dürften Anwender des Alternativ-Office doch nicht auskommen. Bei komplexeren Dokumenten kommt man nicht um manuelle Nachbearbeitung herum. Das gilt beispielsweise für Serienbriefe, da OpenOffice und StarOffice Datenquellen anders handhaben, aber auch für Dateien, die Makros enthalten. Diese bleiben zwar unbeschädigt, für den Gebrauch müssen sie aber zuerst in den eigenen Basic-Dialekt des Alternativprodukts umgesetzt werden. Insgesamt dürften die Import- und Exportfilter etwa dem heute Machbaren entsprechen. Und unter Linux und Solaris stehen sie sowieso konkurrenzlos da.




Im Zweifelsfall StarOffice

Eins der Argumente, mit denen Sun den Kaufpreis für StarOffice rechtfertigt, stellt der Support dar. Während OpenOffice-Anwender auf sich alleine gestellt sind und allenfalls hoffen können, ihr Problem unter www.openoffice.org beantwortet zu finden, liefert Sun eine ganze Reihe von Support-Angeboten zu ihrer Version der Office-Suite. Privatbenutzer finden zum einen auf der englischsprachigen Website kostenlose Hilfen wie etwa Diskussionsforen oder eine Wissens-Datenbank. Zum anderen steht ein kostenpflichtiger E-Mail- oder Telefonsupport bereit, wobei eine Anfrage mit rund 35 Franken zu Buche schlägt.



Mit dem Kauf eines StarOffice-Paketes erwirbt man allerdings auch das Recht auf eine einmalige kostenlose Support-Anfrage, was den ohnehin niedrigen Kaufpreis nochmals relativiert.




Für Firmen dagegen bietet Sun eine ganze Palette kostenpflichtiger Support-Angebote. Nebst Standard-Paketen wie etwa unbeschränkter telefonischer Unterstützung oder Remote-Analyse steht auch problemspezifische Unterstützung bereit, beispielsweise für die Übernahme von Daten aus Microsoft-Anwendungen. Unternehmen, die den Einsatz dieser Office-Alternative ins Auge fassen, dürften deswegen also eher zum kommerziellen StarOffice greifen, da entsprechende Support-Angebote für OpenOffice fehlen. Das selbe gilt für Privatanwender, die lieber in die Tasche als zur Selbsthilfe greifen.



Sofern man aber als Privatperson mit leistungsfähiger Internetverbindung ausgestattet ist, um die zwischen 53 und 74 MB grossen Pakete herunterzuladen, lohnt sich ein Blick auf OpenOffice. Stört man sich nicht an der eingeschränkten Rechtschreibprüfung, entpuppt sich auch die freie Variante als durchaus alltagstaugliches Werkzeug. Wer auf Nummer Sicher gehen will, setzt auf StarOffice.



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