Microsofts .Net-Architektur wankt

Es war eine schwierige letzte Woche für Microsoft: Der Firma wurde eindringlich vor Augen geführt, dass sie nicht in den Himmel bauen kann – trotz Monopol.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2002/14

     

Seit einiger Zeit bedient sich ja Microsoft aus dem Vokabular der Baumeisterzunft. .Net ist eine Architektur und Bill Gates ist der Chef-Architekt. Nun ist aber die Architektur letzte Woche gehörig ins Wanken geraten. Im Mauerwerk klaffen bedrohliche Risse, durch die nun der Wind pfeift.



Beim Projekt mit dem Codenamen "Hailstorm", das dann später in .Net MyServices umbenannt wurde, wollte sich Microsoft als grosser Datensammler betätigen. Kaufverhalten, Kreditkartennummer, Kommunikationsverhalten - alles wäre in die Hände von Microsoft gelangt. Die Kunden hätten dann mit dem PC, PDA oder Handy auf diese Daten zugreifen und sie nutzen können - Microsoft auch (Seite 13). Es ist beruhigend, dass die Pläne gescheitert sind. Der Softwarehersteller versucht mit schwammigen Worten, den Schaden in Grenzen zu halten. "Unser Traum hat sich nicht verändert, nur der Weg, ihn zu verwirklichen", liess ein Microsoft-Sprecher verlauten.




Der Weg soll nun so aussehen, dass die Daten nicht mehr in die unsicheren Hände von Microsoft gelegt werden, sondern interessierte Firmen diese selbst verwalten. Bedenkt man, was das ursprüngliche Vorhaben bedeutet hätte - das von Microsoft auch immer wieder als Zukunft des Computing dargestellt wurde -, so setzt man nun in Redmond wieder entscheidend kleinere Steinchen aufeinander. Und die Firma bleibt den Beweis schuldig, dass jemand am neuen Konzept interessiert ist.



Nun bildet aber "Hailstorm" ja keineswegs die Basis von .Net, sondern ist vielmehr eine Möglichkeit, die einzelnen Bausteine, die Microsoft entwickelt hat, zu einem Ganzen zusammenzusetzen. Dass die Pläne scheiterten - da kommt einem der Turmbau zu Babel in Erinnerung - ist indes nicht gleichbedeutend damit, dass das ganze Gerüst zusammenstürzt. Letzte Woche begann aber Microsoft von sich aus, mit dem Presslufthammer auf das Fundament loszugehen.



Es muss als Flucht nach vorn interpretiert werden. Wie sonst sollte man erklären, dass sich Microsoft auf den ersten Augenschein äusserst kooperativ zeigt und selbst Wege beschreibt, wie man Microsoft-Produkte wie Internet Explorer oder Media Player aus dem Betriebssystem verbannen, und somit für die Programme der Konkurrenz Platz schaffen kann. Das erste Service Pack für Windows XP soll dies möglich machen (Seite 5). Bei näherer Betrachtung liegt es aber auf der Hand, dass Microsoft mit dieser Neuigkeit lediglich die Richterin im Antimonopolprozess günstig stimmen wollte. Bereits machen auch Vermutungen die Runde, dass Microsoft lediglich die Spuren wie Icons und Verknüpfungen wegputzt, die Software hingegen nach wie vor auf den Systemen bleibt. Ob dieses halbherzige Vorgehen reicht, um den Antimonopolprozess erfolgreich zu bestehen, ist zu bezweifeln. Aber Monopol hin oder her - die Marktforschungsfirma Gartner kam letzte Woche zum Schluss, dass es Microsoft nicht gelingen werde, die Marktmacht bei den Betriebssystemen auf das Web auszudehnen.
So gesehen, war es eine schwierige letzte Woche für Microsoft: Der Firma wurde eindringlich vor Augen geführt, dass sie nicht in den Himmel bauen kann - trotz Monopol. Das ist nicht nur beruhigend, sondern wohl ganz einfach höhere Gerechtigkeit.




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