«Für uns ist das ein Super-GAU»
Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2006/22
Vergangenen Monat sorgte eine Firma aus dem Raum Zürich für Aufsehen, als sie sich mit Beschwerden über die Cabelcom an die Presse wandte. In der Mitteilung mit dem Titel «Cablecom verkauft alle Hispeed-Kunden für blöd» monierte das Unternehmen, dass seit Anfang November schweizweit alle Hispeed-
Anschlüsse gestört seien. Ausserdem hätte die Cablecom laut Insider-Informationen ihren Support angewiesen, die Probleme auf die Kunden und deren Infrastruktur abzuschieben. Die Firma beruft sich bei den Aussagen auf Gespräche mit anderen Cablecom-Kunden sowie auf Statements von Cablecom-Angestellten. So soll es gar Support-Mitarbeiter geben, welche ihren Kunden für den Business-Internet-Zugang den Wechsel auf ADSL empfehlen.
Inzwischen konnten die Probleme bei besagter Firma zwar behoben werden. Nichtsdestotrotz kommen – einmal mehr – Fragen zum Kundendienst des Kabelnetz-Betreibers auf. André Künzler, Head of Call Center Services bei der Cablecom, stellt sich diesen Fragen und erklärt, wie es im angesprochenen Fall soweit kommen konnte.
InfoWeek: Cablecom hatte vor rund zwei Jahren die Verbesserung des Kundendienstes als eines der Kernziele formuliert. Trotzdem scheint noch einiges im Argen zu liegen.
André Künzler: Auf der einen Seite zeigen unsere Statistiken deutlich weniger Beschwerden als noch vor zwei Jahren. Auf der anderen muss man auch beachten: Vor zwei Jahren hatten wir 30’000 Digital-Phone-Kunden und 200’000 Internetkunden. Heute sind es rund 250’000 Digital-Phone- und 400’000 Hispeed-Kunden. Dieses Wachstum muss zuerst verdaut werden, daran arbeiten wir.
Mitverantwortlich für das rasche Wachstum ist sicher auch das aggressives Marketing. Hätte man nicht den Fokus zuvor auf den Kundenservice legen sollen, um dann mit der grossen Anzahl Neukunden fertig zu werden?
Wir werden sehr gut fertig mit dem Wachstum. Einiges läuft heute besser als noch vor zwei Jahren. Wir haben im Kundenservice viel gemacht, viel in die Ausbildung investiert. Als erste Telekom-Anbieter haben wir zum Beispiel eine Zertifizierung der ZHW (Zürcher Hochschule Winterthur) für unsere Telefon-Advisors. Neue Angestellte werden zuerst einen Monat geschult, bevor sie das erste Mal Kundenanrufe entgegennehmen.
Abgeschlossen sind die Verbesserung von Support und Kundendienst damit aber kaum. Welche Massnahmen sind für die nahe Zukunft geplant?
Wir sind erst dann am Ziel, wenn überhaupt keine Beschwerden mehr kommen. Bis dahin bleibt einiges zu tun. Zum Beispiel steht die Einführung eines CRM-Systems im zweiten Quartal 2007 an, dank dem unsere Advisors auf einen Blick alle nötigen Informationen erhalten. Heute haben wir hier ein Optimierungspotential, ein Advisor muss bis zu sieben verschiedene Systeme für seine Arbeit konsultieren.
Dies lässt den Schluss zu, dass heute die linke Hand oftmals nicht weiss, was die rechte macht. So hört man beispielsweise oft, dass – wenn aufgrund eines Problems ein Techniker beim Kunden vorbeikommt – dieser keine Ahnung hat, wo das Problem liegt.
Wir hatten früher mit dieser Problematik zu kämpfen. Dass dieser Einwand jedoch heute noch kommt, erstaunt mich. Wir haben unsere Techniker mit PDAs ausgestattet. Wenn sie zum Kunden kommen, sehen sie den kompletten Fall auf dem Gerät.
Genauso wird bemängelt, dass man bei jedem Anruf auf die Hotline der Cablecom sein Problem wieder von neuem erklären muss. Oder Kunden werden betrieben für Leistungen, die sie gar nicht beziehen konnten...
Solche Dinge dürfen nicht passieren. Doch es kommt vor, dass jemand einmal durch die Maschen fällt. Kunden, die solche Probleme haben, sollen sich bei uns melden. Wir haben ein Customer-Relations-Team aufgebaut, das sich speziell um solche Fälle kümmert.
Der Grund, warum wir dieses Interview führen, ist dieser eine unzufriedene Cablecom-Kunde, der sich an die Presse wandte, weil er sich sonst schlicht nicht mehr zu helfen wusste. Warum musste es soweit kommen?
Ganz klar, für uns ist das ein Super-GAU. So einen Fall, so ein drastisches Problem, gibt es vielleicht einmal im Jahr. Und so etwas darf einfach nicht passieren. Bei der internen Recherche des Falles hat sich herausgestellt, dass im Vorfeld bereits mehrere Fehler passiert sind. Hier haben wir versagt, und hierfür entschuldigen wir uns auch.
Im Zusammenhang mit diesem Fall wurde auch die Anschuldigung laut, Cablecom-Support-Mitarbeiter seien angewiesen worden, bei einem Problem zuerst der IT-Infrastruktur des Kunden die Schuld zuzuschieben – und zwar ungeachtet des Problems. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf?
Dem ist nicht so. Es ist richtig, dass im Laufe des Support-Prozesses gewisse Fragen gestellt werden. Dabei können auch Fragen zur Infrastruktur auf Kundenseite nötig sein, aber erst, nachdem andere Probleme beispielsweise im Netz oder beim Modem ausgeklammert wurden.
Ebenfalls für viel Ärger sorgt die ab der 10. Minute kostenpflichtige Hotline, vor allem, wenn man die 10 Minuten in der Warteschlange verbracht hat.
Wir arbeiten mit unserem 0800-Nummernanbieter an einer Lösung, die im Januar eingeführt werden soll. Was wir heute schon machen, ist folgendes: Wenn jemand tatsächlich 10 Minuten wartet, wird ihm die Hotline-Gebühr gutgeschrieben.
Aber nur, wenn er reagiert?
Ja, nur wenn er etwas sagt. Doch wie erwähnt, per Januar 07 wird die Wartezeit nicht mehr verrechnet.
Das aggressive Vorgehen der Cablecom-Verkäufer in Shops oder an der Haustüre wird oft als störend empfunden, genauso wie der Werbeversand. Ist das wirklich nötig?
Door-to-Door ist für uns ein sehr wichtiger Kanal geworden. Wir müssen diesen Kanal aber unter Kontrolle haben, denn persönliche Kontakte sind sensitiv. Merken wir beispielsweise, dass ein Verkäufer nicht sauber arbeitet, wird er entlassen.
Das Interview mit André Künzler führte Marcel Wüthrich.