David Coursey: Offener Brief an Microsoft

Liebe Microsoft, lass uns XP kopieren!

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/37

     

Lieber Jim, lieber Bill, lieber Steve: Ich schreibe Euch, weil ich hoffe, Euch zu einer kleinen Änderung bei der Windows-XP-Aktivierung bewegen zu können, speziell bei der Home-Edition. Es ist noch nicht zu spät, um diese Umgestaltung durchzuführen.



Wie Ihr vielleicht wisst, habe ich in den letzten Monaten Fragen meiner Leser über Windows XP beantwortet. Ich habe einige Tausend Mails, Kommentare und andere Äusserungen erhalten, und wenn ich auch nicht alles über das neue OS weiss, so kenne ich doch zumindest die Befindlichkeit der potentiellen Anwender.




Aus dieser lässt sich vor allem eines lesen: Ihr könntet Euch durch eine kleine Änderung bei der Aktivierung eine Menge künftiger Kopfschmerzen sparen. Und diese Änderung würde ein grosses Problem lösen, das Ihr mit eurem Kopierschutz verursacht habt.



Denn es ist doch so: Ein Grund dafür, weshalb Windows zum Standard geworden ist, ist die grosse Verbreitung durch illegale Kopien. Eure Kunden wurden ja geradezu animiert, eine einzige Upgrade-CD zu kaufen und das Update auf all ihren Maschinen zu verteilen.



Das hat Euch extrem geholfen, indem es die Akzeptanz Eurer Betriebssysteme erhöht hat. Und obwohl Ihr schon früher verschiedene Kopierschutz-Vorrichtungen hättet einsetzen können, so habt Ihr doch damit gewartet, bis Ihr das Monopol für Desktop-Betriebssysteme auf sicher hattet.



Natürlich gibt es Motive, dieses sogenannte Casual Copying einzuschränken - einen zwingenden Grund habt Ihr bisher allerdings noch nicht genannt -, aber es gibt andererseits auch genügend Anlass zur Kulanz, speziell weil XP Euer erstes kopiergeschütztes Betriebssystem ist.



Ich schlage vor, dass jedes Upgrade auf die Home-Edition auf drei Computern gleichzeitig installiert und aktiviert werden kann. Und wenn Ihr besonders grosszügig sein wollt, könnt Ihr auch fünf PCs freigeben.



Mit dieser simplen Änderung könnt Ihr die legitimen Bedenken von Anwendern zerstreuen, die sich schlicht und einfach kein Update für 190 Franken pro Maschine leisten können. Weil das nur die Home-Edition betrifft, könnt Ihr noch immer genug Geld scheffeln. Das Big Business wird nämlich auf die Professional-Edition updaten (wenn Ihr die Unternehmen von der Nötigkeit dieses Schritts überzeugen könnt). Nur einige wenige KMU werden vielleicht die Home-Edition auch im Büro einsetzen und damit durch Eure Maschen fallen.



Ihr habt ja sogar einen Präzedenz-Fall geschaffen, als Ihr den Business-Kunden entgegengekommen seid und die Frist für den Wechsel zum neuen Lizenzsystem verlängert habt.



Natürlich haben Eure Privatkunden dieselbe Behandlung verdient. Drei oder vier PCs für je 190 Franken updaten, kommt schnell teuer. Und das werden die Kunden kaum bezahlen.



Eure Einnahmen durch Upgrades können sich durch die vorgeschlagene Massnahme natürlich vermindern, müssen es aber nicht. Vielleicht werden die Leute auch glücklich, wenn sie nur eine Maschine updaten und die anderen mit irgendeinem OS weiterlaufen lassen. Wenn aber die AnchorDesk-Leser ein Indikator sind, dann werden viele nicht upgraden und Windows XP nur dann einsetzen, wenn sie es irgendwann zusammen mit einem neuen PC erhalten.



Ihr aber werdet auf jeden Fall verlieren. Im besten Fall steigen zwar Eure Upgrade-Einnahmen, dafür sinkt aber die Marktdurchdringung. Im schlechtesten Fall werden die Kunden Windows XP schlicht ablehnen, und dann habt Ihr gar keine Gewinne. Ich weiss natürlich nicht, was schliesslich passieren wird, aber ich bin mir sicher, dass Windows XP nicht mehr auf so vielen Rechnern installiert werden wird wie frühere Upgrades. Die Leute werden schlicht nicht so viele Kopien kaufen.



Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Massnahme einzuführen, ohne dumm dazustehen. Ihr könntet die zusätzlichen "Gratis"-Upgrades als zeitlimitiertes Angebot offerieren, oder Ihr könntet das Ganze als Euer Beitrag zur Revitalisierung der Wirtschaft promoten.



Und es gibt da noch einen weiteren Punkt: Das beste Verkaufsargument für Windows XP ist seine Stabilität. Hatten die Kunden nicht bereits bei früheren Releases Anspruch darauf? Ihr habt Euch nie dafür entschuldigt, dass Ihr fehlerhafte Betriebssysteme veröffentlicht habt!



Genau das solltet Ihr jetzt aber tun, und zwar durch Taten. Wie wäre es, wenn Ihr Eure früheren Windows-Versionen zurückziehen und kostenlos durch Windows XP ersetzen würdet, auf dieselbe Weise, wie Auto-Hersteller ihre Fehler ausbügeln?



Ich weiss, Gratis-XP ist nichts, was Ihr bei Microsoft hören wollt. Aber ich hoffe, dass Ihr daran arbeiten werdet, Euren Kunden einen vernünftigeren Preis für das XP-Update anzubieten.



Windows XP ist nämlich definitiv das Betriebssystem, das Eure Kunden brauchen. Sie sollten es sich auch leisten können.



Mit besten Grüssen

David Coursey




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