David Rosenthal: Das absurde Vertrauen in die Technik

David Rosenthal: Das absurde Vertrauen in die Technik

17. September 2001 - Was sich jeder kaufen kann, kann langfristig nicht zu einem Vorsprung im Wettbewerb führen.
Artikel erschienen in IT Magazine 2001/32

Es war die FAZ, die vergangene Woche mit der Meldung aufwartete, die Geheimdienste in den USA und England hätten sehr wohl Hinweise auf die bevorstehenden Terroranschläge in den USA gehabt. Geliefert haben soll sie das geheimnisumwitterte, weltweite Abhörnetzwerk "Echelon", das jede elektronische Kommunikation auf der Erde, die sich anzapfen lässt, wie ein Staubsauger in sich aufnimmt. Ausgewertet werden sollen die Datenmengen über Programme, die nach bestimmten Schlüsselwörtern suchen.



Das besondere an der Meldung war jedoch nicht Echelon. Es war das, was die US-Geheimdienste mit dessen Ergebnissen angeblich getan haben. Die Behörden in den USA nahmen die Warnungen dem Bericht zufolge zwar ernst, konnten sich aber nicht darüber einig werden, was sie gegen die diffuse Bedrohung hätten tun können. Die Warnungen waren da, haben aber letztlich nicht wirklich geholfen. Die Folgen sind bekannt.



Die Echelon-Episode scheint die gegenwärtige Kritik an den US-Geheimdiensten zu bestätigen. Statt in Menschen wurde vor allem in Informationstechnik investiert: In leistungsstarke Computersysteme, in Spionage-Satelliten, Horchstationen und andere Systeme zur Überwachung der elektronischen Kommunikation. Es ist eine saubere und bequeme Spionage, ein Nachrichtendienst, der vom heimischen, sicheren Büro aus vor dem Bildschirm betrieben werden kann.


Genügend Geld soll es richten

Wer deswegen Kritik an den US-Geheimdiensten üben möchte, sollte sich besinnen: Die meisten Betriebe der Wirtschaft erliegen heute derselben Bequemlichkeit, wie es die Nachrichtendienste in den USA sind. Sie vertrauen ihrer Informatik und darauf, dass neuere und noch bessere Systeme die bisherigen Unzulänglichkeiten schon richten werden. Die Anbieter pflegen diesen Tenor: Sie verkaufen ihre neuen Produkte just mit dem Argument, diese würden die Produktivität und den Wissensvorsprung eines Unternehmens erhöhen und damit dessen Wettbewerbsfähigkeit.



Doch letztlich geht es nur um ein Stück Software oder Hardware, das, so teuer und ausgeklügelt es auch ist, immer davon abhängig ist, was ein Mensch damit anfängt. Die hier vertretene These ist klar: Was sich jeder kaufen kann, kann langfristig nicht zu einem Vorsprung im Wettbewerb führen.



Das hat mehrere Gründe. Wird eine IT-Infrastruktur nicht in einer passenden Organisation eingesetzt, wird sie nicht vom Benutzer getragen und ist er dazu nicht in der Lage, nutzt sie nichts. Die beste Firewall erfüllt seinen Dienst nicht, wenn sie nicht richtig konfiguriert und überwacht wird und dessen Verwalter bei der Analyse des Logbuchs ein Gespür dafür hat, wann er sich eine Aktivität genauer anschauen sollte.



Es gibt sicherlich Fälle, in denen derjenige, der den schnelleren Computer hat, deswegen im Vorteil ist. Im Börsenhandel können durch gezielte, automatisierte Analysen der verschiedenen Angebote der menschlichen Händler winzige Ineffizienzen aufgespürt und durch blitzschnelles Handeln in bare Münze umgewandelt werden. Der erste, der ein solches System hat, kann profitieren. Der zweite vielleicht auch noch. Doch sobald mehrere über ein solches System verfügen, ist dieser Vorteil verspielt. Es ist wertlos geworden.



Das ist der zweite Grund, warum sich die Investitionsspirale im IT-Markt zwar immer weiterdreht, sie ihn letztlich aber nicht auf einen grünen Zweig führt.



 
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