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Artur P. Schmidt: Tera-Flops - Wie schnell erholt sich der Chip-Markt?

Nachdem bisher sämtliche Zinssenkungen und Steuererleichterungen am Markt verpufften, wird die Belebung des Chip-Marktes sicherlich nicht über Mega-Merger vor sich gehen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2001/31

     

Es gibt Nachrichten, die man eigentlich in das Genre der Business-Märchen einordnen möchte. Dazu zählt auch die angekündigte Übernahme von Compaq durch Hewlett-Packard
für 25 Milliarden Dollar. Es bleibt abzuwarten, was dieser von den Kartellämtern noch zu genehmigende Deal, der die neue HP zum grössten PC-Hersteller der Welt machen würde, wirklich bringen wird. Nachdem der PC-Markt sich zum ersten Mal seit 7 Jahren wieder deutlich abschwächte, setzte sich auch die Erosion des PC-Markanteils von Compaq gegenüber Dell in den letzten Monaten unaufhaltsam fort. Während auch Hewlett-Packards PC-Verkäufe im letzten Quartal um 25 Prozent fielen, sind diejenigen von Dell im gleichen Zeitraum weltweit um über 30 Prozent angestiegen. Es darf Dell durchaus zugetraut werden, auch aus eigener Kraft den neuen Giganten zu überrunden. Meiner Meinung nach wäre auch eine Partnerschaft von Dell mit IBM denkbar. Dell's "Build-to-Order"-Produktionssystem erlaubt es dem Unternehmen, schneller als seine Konkurrenten Kostensenkungsmassnahmen einzuleiten und damit den relativen Marktanteil zu steigern. Damit ist Dell einer der profitabelsten OEMs (Original Equipment Manufacturers) im Markt und auch in der Lage, einen Teil seiner Gewinnmargen zu opfern. So verschenkt Dell, um die Umsätze anzukurbeln, mittlerweile Handhelds bei ausgewählten Notebooks, bietet einen kostenfreien Versand sowie Speicher-Upgrades an.


Katalysator Tera-Merger?

HP und Compaq sind nach dem Merger wegen der unterschiedlichen Unternehmenskulturen nicht unbedingt grösser als die Summe ihrer Teile. An der Börse schlug sich diese Erkenntnis am ersten Handelstag nach Bekanntwerden des Deals mit einem Kursverlust von knapp 20 Prozent bei Hewlett-Packard nieder. Der notwendige Personalabbau von mindestens 15'000 Mitarbeitern (10 Prozent des gemergten Unternehmens) wird darüber hinaus die Stimmung in beiden Firmen kaum anheben.



Nachdem bisher sämtliche Zinssenkungen und Steuererleichterungen am Markt verpufften, wird die Belebung des Chip-Marktes sicherlich nicht über Mega-Merger vor sich gehen oder sollten wir in diesem Fall besser Tera-Merger sagen (tera bedeutet im Griechischen ungeheuer gross)? Dies kann nur durch den Abbau von Überkapazitäten geschehen. Wenn ein solcher Deal als Katalysator für die Märkte dienen muss, dann dürfte die Schieflage einiger Unternehmen stärker sein, als dies die meisten Marktteilnehmer vermuten.




Der HP/Compaq-Deal könnte sich somit alsbald als ein zu volles Schiff herausstellen: zwei Überlebende auf einer mit PCs beladenen Titanic.



Rekord-Einbruch im Chip-Markt

Der Philadelphia Stock Exchange Semiconductor Index, einer der Schlüsselindikatoren der IT-Industrie, ist um etwa 70 Prozent gegenüber seinem Höchststand eingebrochen. Durch die Sättigungsphase am PC-Markt hatten einige Chiphersteller sogar Quartale, in denen kein einziger Chip vorbestellt wurde. Der bisher grösste Abschwung des Chip-Marktes aus dem Jahr 1985 mit 20 Prozent dürfte damit dieses Jahr mit einem Rückgang von bis zu 25 Prozent sogar noch übertroffen werden. In einem derartigen Marktumfeld können Chip-Hersteller nur überleben, wenn sie die Kosten massiv senken und innovativere Produkte auf den Markt bringen. Diese Strategie verfolgt Intel mit seinen neuen Chipfabriken in Hillsboro und Albuquerque, die die Produktionskosten um 30 Prozent senken sollen. Etwa 15 derartige Fabriken, die mit grösseren Wavern 4-Gigahertz-Prozessoren produzieren können, werden von den Chip-Herstellern weltweit bis zum Jahr 2003 gebaut werden. Ziel von Intels Produktionsstrategie (Chip-Marktanteil 77% im ersten Quartal 2001) ist es, den Erzrivalen AMD (Marktanteil 21%) mit einem brutalen Preiskrieg aus dem Markt zu drängen. Ein schwerer Schlag für die angeschlagene AMD kam im August dieses Jahres noch hinzu, als Big Blue ankündigte, nicht mehr länger AMD-Prozessoren in seinen PCs anbieten zu wollen.



Die Lage von AMD könnte sich noch weiter verschlechtern, wenn das HP/Compaq-Gespann auf die Implementierung von AMD-Chips verzichten wird, zumal Compaq doch als AMD-Vorzeigekunde galt.




Wann kommt der Aufschwung?

Der Verdrängungswettbewerb hat nunmehr auch in der Halbleiterbranche mit voller Wucht begonnen. Die aktuellen Preiskämpfe werden nur diejenigen Firmen überstehen, die nicht überschuldet sind und massiv in innovativere Produkte investieren können. Getrieben vom Moore'schen Gesetz, nachdem sich die Rechenleistung von Chips alle 18 Monate verdoppelt, gab es in der Geschichte der Halbleiterbranche immer wieder starke Wellenbewegungen, die von der Spitze bis zum Tal durchschnittlich etwa 12 bis 14 Monate dauerte. Die Aktienpreise zogen hierbei etwa 3 Monate, bevor das Wellental erreicht war, wieder an. Der letzte Wellengipfel im Halbleitermarkt war im September 2000 zu beobachten (der sechste seit 1970). Da die aktuellen Überkapazitäten grösser sind als in den früheren Zyklen, könnte es diesmal allerdings 18 bis 24 Monate dauern, bis der Markt sich wieder belebt. Mit einer markanten Erholung der amerikanischen Technologiebörse Nasdaq rechne ich damit frühestens Ende 2001 bzw. ab Frühjahr/Sommer 2002.



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