Das Gymnasialfach Informatik hat keinen Unterbau


Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2010/05

     

Im Unterschied zur Mathematik und den Naturwissenschaften Physik, Chemie und Biologie fehlt dem Maturafach Informatik ein Unterbau, und zwar in doppelter Hinsicht: Informatik gibt es an den Gymnasien nur als Ergänzungsfach, nicht aber als Grundlagen- und Schwerpunktfach. Und auch an der Volksschule werden bestenfalls Informatikanwendungen, nicht aber Informatikgrundlagen unterrichtet. Das ist angesichts der Bedeutung der Informatik für unsere Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Gesellschaft höchst unbefriedigend. Ein Ausbau der gymnasialen Informatik ist unerlässlich. Herbert Bruderer


Seit dem Schuljahr 2008/2009 darf das neue Ergänzungsfach Informatik an unseren Mittelschulen angeboten werden. An den Schweizer Gymnasien gibt es drei Arten von Maturafächern: Grundlagen-, Schwerpunkt- und Ergänzungsfächer. Die Schülerinnen und Schüler müssen je nach Kanton 10 bis 12 Grundlagenfächer (Pflichtfächer) belegen. Hinzu kommen zwei Wahlpflichtfächer: je ein Schwerpunktfach (Wahl aus bis zu 8 Fächern- beziehungsweise Fächergruppen) und ein Ergänzungsfach (im Angebot stehen bis 14 Fächer).


Informatik auf allen Schulstufen vordringlich

Wer anspruchsvolle Ergänzungsfächer wie Anwendungen der Mathematik, Physik, Chemie oder Biologie wählt, kann auf einem soliden Fundament aufbauen: den Grundlagenfächern Mathematik, Physik, Chemie sowie Biologie. Gegebenenfalls kommt zusätzlich noch ein Schwerpunktfach wie Physik und Anwendungen der Mathematik beziehungsweise Biologie und Chemie dazu. Ganz anders sieht es beim Ergänzungsfach Informatik aus. Hier fehlt eine echte Basis. Es gibt weder ein Grundlagen- noch ein Ergänzungsfach Informatik. Das Maturafach Informatik ist damit das einzige Ergänzungsfach aus dem Bereich Mint (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik), dem eine feste Unterlage fehlt. Das ist umso überraschender, als Informatik unser Leben durchdringt und massgeblich prägt.


Ein Vergleich zeigt, dass kaum ein anderes gymnasiales Ergänzungsfach auf derart schwachen Füssen steht. Nur gerade die Religionslehre und der Sport sind so schmalbrüstig. Diese Fächer werden allerdings schon in der Volksschule gepflegt. Die magere Stellung der Informatik an unseren Schulen wirkt sich zwangsläufig auf die Ausbildung der Lehrkräfte (vor allem an pädagogischen Hochschulen) und die Entwicklung von Lehrmitteln aus. Ein Sockel fehlt aber nicht nur in Form eines gymnasialen Grundlagen- oder Schwerpunktfachs. Die Fächer Mathematik, Physik, Chemie und Biologie werden bereits auf der Sekundarstufe I und zum Teil auf der Primarstufe gelehrt. An der Volksschule gibt es zwar auch „Informatik“, allerdings nur in der Form von Informatikanwendungen (so genannte Informations- und Kommunikationstechnik, IKT). Eine Stärkung der Informatik ist sowohl in der Volksschule als auch auf der Sekundarstufe II vordringlich.


Nicht auf Kosten der übrigen Mint-Fächer

Die mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächer an Schweizer Mittelschulen sind aufgrund der Vorgaben der Maturitätsanerkennungsverordnung (http://www.admin.ch/ch/d/sr/4/413.11.de.pdf) stark benachteiligt. Ein Gymnasium mit geisteswissenschaftlichem Schwerpunkt kann bis zu 60 Prozent der gesamten Unterrichtszeit den geisteswissenschaftlichen Grundlagenfächern widmen. Ein Gymnasium mit mathematisch-naturwissenschaftlicher Ausrichtung darf hingegen höchstens 35 Prozent der Unterrichtszeit den mathematisch-naturwissenschaftlichen Grundlagenfächern zuteilen. Es versteht sich daher, dass eine Aufwertung der Informatik nicht zulasten der übrigen Mint-Fächer geschehen darf.





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