Sharepoint 2010 mit Flut an Neuerungen

Zu den Highlights im kommenden Release von Sharepoint zählen unter anderem Social-Networking-Funktionen sowie besseres Dokument- und Content-Management.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/11

     

von Urs Bertschy


Microsoft-Chef Steve Ballmer liess es sich nicht nehmen, persönlich an die Sharepoint-Konferenz nach Las Vegas zu reisen, um vor rund 7400 Sharepoint-Professionals die Keynote abzuhalten und damit zu unterstreichen, wie wichtig die Lösung für Microsoft geworden ist. Sharepoint gehört zu den am schnellsten wachsenden Produkten in der Geschichte der Redmonder und hat dem Softwarekonzern im letzten Jahr bereits 1,3 Milliarden Dollar Umsatz (20% Wachstum) beschert. Für Ballmer ist Sharepoint 2010 der grösste und wichtigste Sharepoint-Release bisher und soll als einheitliche Collaboration- und Business-Productivity-Plattform für einen weiteren gewichtigen Effizienzschub in den Unternehmen sorgen.



Die geplanten Produktvarianten

Sharepoint 2010 wird im 1. Halbjahr 2010 in verschiedenen Varianten, sowohl für den Betrieb bei den Firmen vor Ort (On-Premise) als auch in Form von Cloud-Angeboten auf den Markt kommen. Eine erste öffentliche Beta soll am 18. November 2009 verfügbar werden. Sharepoint 2010 wird zwingend ein 64-Bit-Sys-tem voraussetzen und Windows Server 2008 benötigen. Für den firmeninternen Betrieb sind folgende Sharepoint-Editionen geplant:


? Die Windows Sharepoint Services (WSS) heissen neu Sharepoint Foundation. Wie bisher stellen sie Sharepoint-Basisfunktionen wie Bibliotheken, Listen, Alerts oder das Webpart-Frame-work zur Verfügung und lassen sich bereits für die Umsetzung von «einfacheren» Collaboration-Lösungen wie Team- oder Projektsites, Wikis oder Dokumentenmanagement einsetzen. Das Spektrum der Sharepoint Foundation wurde im Vergleich zum Vorgänger sogar noch etwas erweitert. So stehen nun die Business Connectivity Services (BCS), über die sich Daten von externen Systemen (Datenbankserver, ERP, CRM etc.) einbinden lassen, nun bereits auf der Ebene der Sharepoint Foundation (bislang nur mit MOSS 2007 Enterprise nutzbar) zur Verfügung. Der WSS-Nachfolger wird weiterhin als kostenloses Add-on zu Windows Server 2008 erhältlich sein.


? Die bislang unter dem Akronym MOSS (Microsoft Office Sharepoint Server) bekannte «grosse» Sharepoint-Variante heisst nun schlicht und einfach Sharepoint Server 2010. SPS 2010 ist für firmenweite Intranet-Anwendungen gedacht und erweitert die Foundation um Funktionen wie etwa Enterprise Search, Enterprise Content Management oder Business Intelligence. Wie bisher wird es weiterhin zwei verschiedene Varianten von Client-Access-Lizenzen (Standard und Enterprise) mit unterschiedlichem Funktionsumfang geben.


? Diese neue Sharepoint-Edition ist, wie der Name bereits vermuten lässt, für öffentliche Webauftritte und Extranets gedacht. Neben einer Enterprise-Version plant Microsoft auch eine abgespeckte, dafür preiswertere Standard-Variante auf den Markt zu bringen, die für einfachere Websites ausreichen soll.


? Fast Search Server: Die im letzten Jahr akquirierten Search-Produkte von Fast wird es künftig als Add-on zum Sharepoint Server geben. Sie erweitern die bereits integrierten Suchdienste des Sharepoint Servers 2010 um High-end-Funktionen wie hohe Skalierbarkeit oder eine bessere User Experience.


? Neben den Fast-Angeboten werden auch die bisherigen Suchserver Search Server sowie dessen kostenlose Express-Variante in neuen Versionen auf den Markt kommen. Der Search Server 2010 ist für Firmen gedacht, welche nicht die gesamte Funktionalität von Sharepoint benötigen und lediglich die Suchdienste einsetzen möchten. Die einfachere Express-Version ist auf Single-Server-Einsätze limitiert und eignet sich insbesondere als Ergänzung zur Sharepoint Foundation.


? Microsoft will auch seine Cloud-basierten Angebote weiter ausbauen. Neben dem Standardangebot Sharepoint Online, das in etwa der On-Premise-Variante des Sharepoint Servers 2010 entspricht, wird es neu ebenfalls eine spezielle Version (Sharepoint Online for Internet Sites) für den Betrieb von Websites geben. Interessant an der 2010er Ausgabe von Sharepoint Online ist, dass man nun wesentlich mehr Möglichkeiten hat, diese mit eigenen Entwicklungen zu erweitern (Upload von Sharepoint Solutions etc.).




Ribbon, Ajax und Offline Support

Sharepoint 2010 kommt mit einer stark überarbeiteten Benutzeroberfläche. Die augenfälligste Neuerung dürfte dabei die aus den Office 2007 bereits bekannte Ribbon-Leiste sein, die an vielen Stellen wie zum Beispiel bei den Dokumentbibliotheken, Listen oder beim Page Editing zum Einsatz kommt. Auch Ajax wird im User Interface von Sharepoint 2010 allgegenwärtig sein. So wird man Inhalte beispielsweise direkt an Ort und Stelle (Inline Editing) anpassen können. Microsoft verspricht auch besseren Support für mehrsprachige Szenarien, XHTML-konformes Page-Rendering und Crossbrowser-Support (IE7, IE8, Safari und Firefox).


Die Integration zwischen Sharepoint und den Office-Clients wird weiter ausgebaut. Dazu gehört Unterstützung für Offline Editing und die neuen Tagging-Funktionen (siehe Bild oben). Ausserdem werden Sharepoint-Funktionen wie etwa Check-in/Check-out, Versionierung oder Metadaten über den neuen Backstage-Dialog der Office-Anwendungen zur Verfügung gestellt. Sharepoint Workspace, bislang unter dem Namen Groove bekannt, soll künftig umfangreicheren Offline-Support für Sharepoint-Daten bieten. Ganze Team Sites, Dokumentbibliotheken, Listen oder angebundene Datenbanken (via BCS) können damit offline verfügbar gemacht werden.


Die für das Frühjahr als Online-Dienst angekündigte Office-Web-Applikationen können auch auf einem Sharepoint Server gehostet und so den Benutzern via Intranet zur Verfügung gestellt werden. Office-Dokumente lassen sich dadurch nahtlos und ohne Umweg über den Rich Client im Browser bearbeiten.



Social Networking

Dass der Boom der Social-Computing-Dienste nicht spurlos an Sharepoint 2010 vorbeiziehen wird, war eigentlich zu erwarten. Bereits der aktuelle Sharepoint-Release verfügt mit Anwendungen wie Wikis, Blogs oder den MySites bereits über einen Hauch von Enterprise 2.0. Leider wurden diese mangels Zeit sehr schmalbürstig umgesetzt und liessen punkto Funktionalität einiges zu wünschen übrig.


Mit Sharepoint 2010 will es Microsoft jetzt besser machen. Die Blog-Anwendung wurde hinsichtlich Kommentar-, Editing- und Tagging-Funktionalität weiter ausgebaut und unterstützt nun auch Workflows. Wikis stehen neu in einer einfacheren Team-Site-Variante (Sharepoint Foundation) und einer Enterprise-Version (Sharepoint Server) zur Verfügung. Beide bieten wesentlich bessere Editierfunktionen, Workflows, Support für Webparts und intelligente Verlinkungsfunktionen. Die Enterprise-Ausgabe nutzt zudem das Publishing Framework des Sharepoint Servers und bietet Support für Taxonomien und Rating.


Unter dem Begriff User Profiles werden die bisher als MySites bekannten Mitarbeiterseiten stärker mit sozialen Funktionen ausgerüs-tet und erlauben so die Realisierung eines firmeneigenen Social-Networking-Dienstes à la Facebook oder Xing. Neben den üblichen Profil-Informationen (Portraitfoto, Interessen, Know-how etc.) können Mitarbeiter neu auch per Microblogging Statusinformationen hinterlegen, Anfragen an andere Benutzer absetzen (ähnlich der Wall in Facebook) und sich über eine Art Lifestream über die Aktivitäten (Statusupdates, getaggte Inhalte, Ratings etc.) verknüpfter Mitarbeiter auf dem Laufenden halten.


Sharepoint 2010 wird neu auch das aus vielen Web-2.0-Anwendungen bekannte Tagging unterstützen. Damit lassen sich Inhalte und Dokumente mit Schlüsselwörtern (Tags) versehen. Anhand dieser können Informationen einfacher gefiltert, sortiert oder aufgespürt werden. Unterstützt wird das als Folksonomy bekannte Bottom-up-Tagging, bei dem die Anwender die Schlüsselwörter frei vergeben können. Bei diesem Verfahren entsteht allerdings nicht selten ein Wildwuchs mit mehrdeutigen und bedeutungsgleichen Keywörtern. Um das zu unterbinden, können Schlüsselwörter alternativ auch an zentraler Stelle vordefiniert und verwaltet werden. Die Tags lassen sich dabei hierarchisch strukturieren, können später auch umbenannt oder mit anderen, bedeutungsgleichen Schlüsselwörtern verschmolzen werden. Dadurch lassen sich auf Basis des Taggings unternehmensweite Taxonomien aufbauen und durchsetzen. Des weitern gibt es nun auch eine Rating-Funktion, mit der sich Inhalte bewerten lassen, und ein Social Bookmarking-Dienst.


Enterprise Content Management

Dokumentmanagement-Funktionen in Sharepoint 2007 eigneten sich hervorragend für das gemeinsame Bearbeiten von Dokumenten und Verwalten von kleineren Datenbeständen. Robustes Dokumentmanagement mit grossen Mengen von Objekten blieb Redmond aber bis heute schuldig. In Sharepoint 2010 wurde die Architektur von Listen und Dokumentbibliotheken so optimiert, dass diese nun, laut eigenen Angaben, mit bis zu 10 Millionen Objekten noch effizienter genutzt werden können. Archive sollen gar bis zu 100 Millionen Items aufnehmen können.


Auch bei der Organisation von Dokumenten hat sich einiges getan. Neben den bereits oben genannten Tagging- und Taxonomie-Funktionen werden jetzt die bislang schmerzlich vermissten Document Sets eingeführt. Damit lassen sich zusammengehörende Dokumente in einer Kollektion zusammenfassen und sogar hierarchisch ordnen. Solche Sammlungen können so beispielsweise gemeinsam kopiert, verschoben oder durch einen Workflow geschleust werden.


Auch die Policy- and Records-Management-Werkzeuge wurden verbessert: Dokumente können jetzt automatisch mit eindeutigen IDs versehen oder anhand von Regeln in die richtige Dokumentbibliothek verschoben werden. Über sogenannte Multi-Stage-Dispositions lassen sich Dokumenten je nach Phase im Lebenszyklus bestimmte Policies zuordnen. Zudem werden neu auch In-place-Records unterstützt, mit denen ein Dokument direkt in einer Bibliothek als Record gekennzeichnet werden kann.



Mehr Komfort bei der Suche

Im Bereich Enterprise Search sind neben Verbesserungen an der Architektur vor allem auch eine ganze Reihe von Erweiterungen bei der User Experience hinzugekommen. Dazu gehören eine Autovervollständigung bei der Eingabe der Suchanfrage sowie mehr Optionen bei der Verwendung von Wildcards (z.B. «Share*») und booleschen Operatoren. Durch den Einbezug der Social Behavior (Tagging, Nutzung von Content) der Benutzer soll die Relevanz noch einmal verbessert worden sein. Die People-Search-Funktion wurde um eine phonetische Suche erweitert, welche unterschiedliche Schreibweisen bei Namen (z.B. «Sara» oder «Sarah») berücksichtigt.


Wie bereits eingangs erwähnt, wird man die Suchdienste des Sharepoint Server 2010 mit dem Fast Search Server 2010 erweitern können. Dieser richtet sich vor allem an Firmen mit sehr hohen Ansprüchen in punkto Skalierbarkeit und Relevanz. Microsoft gibt an, dass mit Fast mehrere Milliarden Objekte in den Suchindex aufgenommen und mehrere Tausend Suchanfragen gleichzeitig bearbeitet werden können. Zudem bietet Fast eine noch bessere Suchnavigation, die helfen soll, schneller an die gewünschten Inhalte heranzukommen. Dazu gehören beispielsweise die Anzeige von Thumbnails der Dokumente in der Trefferliste oder eine Preview-Funktion, mit der man direkt auf der Suchseite durch ein Dokument blättern kann, ohne dieses öffnen zu müssen.


Breites Angebot an BI-Tools

Microsoft wird den kommenden Sharepoint-Release auch dazu nutzen, ihre bestehenden und neuen BI-Werkzeuge unter einem gemeinsamen Dach zu konsolidieren. Zu den bisherigen Excel- und Reporting Services gesellen sich die bisher separat verfügbaren Performance Point Services sowie die neuen Dienste SQL Server PowerPivot (Code-name «Gemini») und die Visio Services. Pow-erPivot erlaubt es, in Kombination mit dem Excel-Client oder den Excel Services grosse Mengen von Daten auszuwerten, ohne dabei einen OLAP-Cube einsetzen zu müssen. Mit den Visio Services lassen sich Visio-Diagramme Server-seitig rendern und so allen Sharepoint-Anwendern zur Verfügung stellen. Das Spannende dabei ist, dass sich Diagramme mit Echtzeitdaten eines Backend-Systems anreichern lassen. Damit könnte beispielsweise eine Supply Chain mit dem aktuellen Status der verschiedenen Stationen der Lieferkette visualisiert werden.



RAD mit Sharepoint Designer

Unter dem Überbegriff Compositions (kurz Composits) fasst Microsoft neu alle Funktionen und Werkzeuge zusammen, welche die Erstellung von auf Sharepoint basierenden Lösungen ermöglichen, ohne dabei auf Hardcore-Entwicklungswerkzeuge wie Visual Studio zurückgreifen zu müssen. Composit-Anwendungen werden mehr oder weniger in RAD-Manier (Rapid Application Development) zusammengeklickt und erfordern nicht zwingend einen Entwickler, sondern können je nach Komplexitätsgrad von Power-Usern oder Mitarbeitern der IT-Abteilung erstellt werden.


Das Hauptwerkzeug für solche Anwendungen wird Sharepoint Designer sein, der in der 2010er Edition stark überarbeitet worden ist. Designer kommt unter anderem mit dem neuen Ribbon-Interface, besserer Workflow-Unterstützung (neuer Editor, wiederverwendbare Workflows) sowie Editoren für Listen und Content Types.


Das auf Formularanwendungen spezialisierte InfoPath 2010 wird ebenfalls die neue Ribbon UI und komfortablere Designfunktionen erhalten. Neu kommen in Sharepoint 2010 die Access Services hinzu, über die sich Access-Datenbanken zentral über Sharepoint Sites verfügbar machen lassen.


Der Business Data Catalog, mit dem sich externe Datenbanken und LOB-Systeme anbinden lassen, wird in Sharepoint 2010 in Business Connectivity Services (BCS) umbenannt. Als grosse Neuerung wird BCS nicht nur Lesezugriff bieten, sondern auch in das Quellsys-tem zurückschreiben können.



Fazit

Der 2010er Release von Sharepoint bringt eine riesige Flut an Neuerungen. Dabei konnten wir in diesem Artikel nur einen Teil der neuen Funktionen beleuchten. So kommen vor allem auch Sharepoint-Entwickler in den Genuss von zahlreichen vielversprechenden Verbesserungen, wie die neuen Werkzeuge in Visual Studio 2010, besseres Application Lifecycle Management, Sandboxing für Solutions (WSPs), neue Sharepoint APIs oder das Developer Dashboard, das beim Debugging hilft. Und auch Administratoren werden nicht zu kurz kommen. Umfassende Powershell-Unterstützung, bessere Monitoring- und Analyse-Werkzeuge und Hilfen beim Upgrade auf Sharepoint 2010 sind nur einige der neuen Verwaltungsfunktionen.


Mit Sharepoint 2010 ist Microsoft auf dem richtigen Weg: Einerseits wurden viele bislang fehlende Funktionen eingebaut und Ärgernisse aus den Weg geräumt, andererseits sind viele sinnvolle Verbesserungen hinzugekommen. Sharepoint ist und bleibt eine universell einsetzbare Plattform für Web-Lösungen aller Art, wird aber in einigen Bereichen nach wie vor nicht mit spezialisierten Lösungen mithalten können. Dafür erhält man aber aus einer Box ein riesiges Set an Funktionalität mit einheitlicher Umgebung und vielseitigen Kombinationsmöglichkeiten.


Urs Bertschy ist Inhaber der auf Web- und SharePoint-Consulting/-Development spezialisierten Bertschy Informatik AG. Er unterhält einen Technologieblog der sich vor allem SharePoint- aber auch anderen IT-Themen widmet.




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