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Mit SOA der Krise trotzen

Viele Projekt- und Kostenprobleme mit dem hohen Ziel SOA sind unnötig, meint Jan Wildeboer, EMEA Open Source Evangelist bei Red Hat. „Stimmt die Strategie, gehen die Projekte und ihre Resultate, vor allem Kosteneinsparungen, für die Unternehmen auch in der Krise auf“, ist er überzeugt. IT-BUSINESS hat sich mit ihm über eine erfolgreiche Strategie und Umsetzung der SOA unterhalten.
21. Juli 2009

     


ITB: Langzeitvorhaben wie Service-orientierte Architekturen werden zur Zeit auf Halde gelegt, weil Kosteneinsparungen damit nur langfristig möglich sind. Was raten Sie den Unternehmen, jetzt zu tun?


Wildeboer: Sie sollten im ersten Schritt den Stand ihres SOA-Vorhabens analysieren. Wurden viele Projekte bereits abgewickelt oder angepackt, lohnt es sich in der Regel, das Vorhaben konsequent fortzuführen. Aus Spargründen zu stoppen, ist in diesem Fall wenig sinnvoll. Bereits getätigte Investitionen tauchen auf der Kostenseite auf, ohne dass ihnen der Erlös wie Einsparungen, höhere Produktivität und Flexibilität des Geschäftsauftritts gegenübergestellt werden kann. Führen die Unternehmen das SOA-Vorhaben konsequent zu Ende, werden sie wahrscheinlich noch in der Marktkrise von diesen Vorteilen profitieren. Nach der Krise werden sie besser als ihre Konkurrenten durchstarten können.



ITB: Soweit wird das SOA-Vorhaben aber in den wenigsten Unternehmen vorangeschritten sein. Was empfehlen Sie dem Gros der Unternehmen?

Wildeboer: Ihr Vorhaben klar mit verbindlichen Übergabeschnittstellen zu strukturieren, um anschliessend die Projekte in Form von Modulen durchführen zu können. Wichtig dabei ist, die Module mit den grössten Einsparungen zuerst anzupacken und mit Fokus auf die wichtigsten Geschäftsprozesse durchzuführen. Das sind die Geschäftsprozesse, deren regel- und vorschriftenbasierende Umsetzung und Automatisierung am meisten lohnt und - ganz wichtig - deren Projekt-Soll trotz Krise absehbar ist.



ITB: An Technologien wie der Virtualisierung von Server- und Speicherkapazitäten werden die Unternehmen aber nicht vorbeikommen, wenn sie ihre Projektziele überhaupt erreichen wollen …

Wildeboer: Das stimmt, die Basis muss stehen. Die Virtualisierung von Server- und Speicherkapazitäten ist nur eine Säule. Die Entscheider müssen ausserdem die Service-Orientierung konsequent verfolgen. Das gilt sowohl für die Belieferung der optimierten Geschäftsprozesse mit IT-Leistungen als auch für die Aufstellung der IT-Organisation. Als dritte Säule müssen für die anvisierten Geschäftsprozesse die geeigneten Service-Management-Tools hinzukommen, um als IT-Organisation über die geforderte Service-Orientierung die Verfügbarkeit und Performance der Geschäftsprozesse sicherzustellen.



ITB: Wie sollten Unternehmen vorgehen, wenn sie diese Säulen unter dem Blickwinkel möglicher Kosteneinsparungen etablieren wollen?

Wildeboer: Die erste Säule, die Virtualisierung von IT-Ressourcen, ist in der Regel für die Unternehmen mit hohen Kosteneinsparungen verbunden. Diese Strategie passt also genau in die Krise und die Maxime der Entscheider. Besonders lohnend ist die Virtualisierung, wenn strategisch auf Linux als Standard-Betriebssystem und offene Virtualisierungs-Tools gesetzt wird. Dann endet die Virtualisierung von Servern und Speichersystemen nicht auf halbem Prozessweg an proprietären Betriebssoftware-Grenzen. Für den Einsatz von Service-Management-Tools sollten sich die Unternehmen vorerst auf das Notwendigste beschränken, also was zur Absicherung der Verfügbarkeit und Performance der ausgewählten Geschäftsprozesse erforderlich ist. Das gleiche gilt für die Service-Orientierung der IT-Organisation. Sie muss vorerst nur partiell für diese wichtigen Geschäftsprozesse umgesetzt und gelebt werden. Den grossen Wurf einer ganzheitlichen Konzeption und Realisierung der kompletten IT und IT-Organisation gemäß der Lifecycle-orientierten ITIL-Version 3 sollte besser auf die Zeit nach der Krise verschoben werden. Er ist mit viel zu hohen Investitionen und Aufwänden, also zu hohen Kosten und zu langen Amortisierungszeiträumen verbunden.


Lesen Sie weiter, was Unternehmen, die mitten in SOA-Projekten stecken, konkret tun können.


ITB: Wenn die Teilbasis steht, was dann?

Wildeboer: Dann sollten die Entscheider nach der richtigen Middleware, genauer gesagt im Kern der SOA nach der geeigneten Lösung für eine regel- und vorschriftenbasierende Entwicklung, Abwicklung und Anpassung der ausgewählten Geschäftsprozesse Ausschau halten. Auch bei dieser Entscheidung liefen und laufen viele Unternehmen buchstäblich in viel zu hohe Projekt- und später Betriebskosten hinein, indem sie ihr Prozess-Outfit und ihre Prozessentfaltung durch Produktbindungen an bestimmte Hersteller beschränken. Das hat für sie mehrfach negative Kostenfolgen: die Effizienz der Geschäftsprozesse wird eingeschränkt, die Integrationskosten steigen, und die Herstellerbindung wird mit zu hohen Produktpreisen, also Investitionen, bezahlt. Diese Kostennachteile werden sich voraussichtlich durch die Wirtschaftskrise verstärken. Sie wird mit einer Marktbereinigung zugunsten der ganz grossen IT-Player einhergehen. Sie werden also nach der Krise ihre Marktmacht noch mehr zu Lasten ihrer Kunden ausspielen können. Hinzu wird die Investitionsunsicherheit kommen, dass die eine oder andere Partnerproduktlinie nicht mehr verfügbar sein wird, weil sich diese Hersteller im Verlauf der Krise aus dem Markt verabschiedet haben.



ITB: Was ist also zu tun?

Wildeboer: Nur echte Standards aus der offenen Software-Quelle helfen den Unternehmen weiter. Die Effizienz der Geschäftsprozesse endet in diesem Fall nicht an proprietären Grenzen. Die Integrationskosten fallen deutlich niedriger aus, weil offene Schnittstellen mehr Interoperabilität erschließen. Ohne Herstellerbindung haben die Unternehmen zudem heute und zukünftig bei der Weiterentwicklung ihrer SOA die Produktwahl zwischen unterschiedlichen Anbietern. Sie stehen untereinander im freien Preiswettbewerb. Ausserdem bin ich mir sicher: Durch die Wirtschaftskrise werden sich immer mehr Unternehmen für die Entwicklung ihrer SOA der freien Software-Quelle bedienen, eben um ihre IT-Kosten auf Dauer zu senken und potentielle Investitionsrisiken durch eine starke weltweite offene Software-Gemeinschaft auszuschließen.



ITB: Zurück zu den Geschäftsprozessen: Was kann eine offene Software-Quelle für ihre kostensparende Entwicklung und Anpassung beisteuern?

Wildeboer: Ein Beispiel dafür ist Jboss Enterprise Business Rules Management, EBRM im Zentrum einer Java-basierenden Middleware. Es ermöglicht, für Java-Transaktionen die Geschäftsregeln und Vorschriften losgelöst von den Applikationen und IT-Services zu erstellen, zu prozessieren, zu managen und bei Bedarf schnell zu ändern. Auf diese Weise kann nicht nur die Abhängigkeit von bestimmten Herstellern und ihren installierten Produkten weiter abgeschwächt werden. Jboss EBRM zahlt sich zudem für die Unternehmen gegenüber proprietären Prozess-Design- und -Transaktions- und -Managementansätzen in deutlichen Kosteneinsparungen durch Automatisierung und in einer Beschleunigung von Projekten und Prozessen aus. Wird das SOA-Vorhaben später mit der Ausweitung auf andere Geschäftsprozesse fortgesetzt, kann das Unternehmen über offene Java-Middleware-Schnittstellen ebenso von einfacheren und wirtschaftlicheren Erweiterungen profitieren.




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