Der Browser wird zum Webserver

Mit einer neuen Technologie namens Unite will der Osloer Browserhersteller Opera das Web revolutionieren. Es ist jedoch fraglich, ob die Nutzer dem Lockruf tatsächlich folgen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2009/08

     

Die Vorankündigung klang vollmundig: Man werde am 16. Juni das Web revolutionieren, liess der norwegische Browsermacher Opera verlauten. Was dann tatsächlich angekündigt und in Form einer Alphaversion sogleich zum Download angeboten wurde, nennt sich «Opera Unite» und wird Teil der endgültigen Ausgabe der nächsten Version 10 des Opera-Desktopbrowsers und später auch der Mobilversionen sein.



Ein Webserver im Browser

Opera Unite macht den Computer, auf dem der Opera-Browser läuft, zum Webserver. Auf diesem Server laufen Dienste, die sogenannten Opera Unite Services. Diese basieren auf der in Opera integrierten Widgets-Technologie – Entwickler, die bereits ein Opera Widget programmiert haben, können leicht einen Opera Unite Service daraus machen. Auf der Website des Herstellers findet sich ein «Opera Unite Developers’ Primer» mit ausführlichen Anleitungen.


Als Anwendungsbereiche für Opera Unite sieht der Hersteller vor allem Kollaboration und Social Networking. In der aktuell verfügbaren Alpha, die für Windows, Mac OS und Linux/Unix erhältlich ist, sind als Beispiel sechs Services enthalten: File-Sharing, Foto-Sharing, ein eigentlicher Webserver, ein virtueller Kühlschrank, der sich von den autorisierten Nutzern mit Notizen bepflastern lässt, ein Text-Chat namens Lounge sowie ein Musikplayer, mit dem mehrere Anwender aus ihren Musiksammlungen eine gemeinsame virtuelle Jukebox zusammenstellen können.


Für weitere Services, die im Lauf der Zeit von Opera oder durch Drittentwickler erstellt werden, hat Opera einen Online-Katalog eingerichtet. Analog zu Apples App Store lässt sich allerdings nicht jeder beliebige Service veröffentlichen: Im Online-Katalog werden nur Angebote aufgenommen, die gewisse Richtlinien erfüllen und von Opera genehmigt wurden.



Trügerische Freiheit

All diese Dienste – und genau das ist das Hauptargument des Herstellers – lassen sich dank Opera Unite ohne Umweg über die Infrastruktur eines Service-Providers betreiben. Man setze damit das bisher unerfüllte Versprechen des Internets endlich in die Realität um, nämlich die freie Kommunikation zwischen den Anwendern, ohne dass diese dabei die Kontrolle über die eigenen Daten verlieren. Soweit die Argumentation von Opera.


Hundertprozentig frei geht es jedoch auch mit Opera Unite nicht, selbst wenn der eigentliche Datenaustausch im Peer-to-Peer-Verfahren erfolgt: Damit sich der lokale «Browser-Server» via Internet finden lässt, benötigt er eine feststehende Adresse. Diese erhält er von den Proxy-Servern, die Opera zu diesem Zweck betreibt. Und damit dies funktioniert, muss sich Opera Unite beim Start über das «My Opera»-Konto des Anwenders bei der Proxy-Infrastruktur anmelden – ohne ein solches Konto lässt sich Opera Unite also überhaupt nicht nutzen. Die Abhängigkeit von verschiedenen Service-Providern wird durch eine neue Abhängigkeit abgelöst. Ohne Opera als Vermittler geht gar nichts.


Verbindung nicht immer garantiert

Die Peer-to-Peer-Natur bringt überdies mit sich, dass die Opera-Unite-Services eines Anwenders nur dann verfügbar sind, wenn der entsprechende Computer eingeschaltet und online ist. Opera Unite eignet sich somit in erster Linie für Ad-hoc-Sessions, bei denen alle Teilnehmer gleichzeitig im Netz sind.


Wer permanent verfügbare Dienste anbieten will, fährt mit einem dedizierten Server ohnehin besser. Ein paar Vorteile bietet Opera Unite im Vergleich zu einem konventionellen Webserver allerdings schon: Opera Unite ist erstens in Nullkommanichts in Betrieb genommen und setzt keinerlei Webserver-Know-how voraus. Dank dem Proxy-Mechanismus, so der Hersteller, lässt sich Opera Unite auch in per NAT abgegrenzten Heim- oder SOHO-Netzwerken ohne Öffnen von Ports oder sonstiges Umkonfigurieren des Routers einsetzen. Wie ein Test zeigt, gilt dies für gut abgesicherte Firmennetzwerke jedoch nicht: Der Opera-Unite-Server, der auf einem Arbeitsplatz-PC im verlagsinternen LAN lief, war weder von anderen PCs innerhalb der Firma noch von ausserhalb erreichbar.


Zweitens kostet der Betrieb, abgesehen vom Strom für den PC und den Gebühren für den Internetanschluss, absolut nichts. Dies gilt jedoch auch für viele Online-Services von Fotosharing bis Chat, ist also kein echtes Alleinstellungsmerkmal.



Nette Idee, aber ...

Insgesamt überzeugt Opera Unite durch die einfache Installation – die Technologie ist Teil des Opera-Browsers – und die unkomplizierte Inbetriebnahme – ein Klick auf den Start-Button genügt. Fragen stellen sich punkto Sinn des Ganzen: Die allermeisten Anwender dürften sich kaum darum kümmern, ob ihr Online-Service auf dem eigenen PC oder bei einem Provider läuft. Die millionenfache Nut-zerbasis von Facebook, Xing, Flickr, Google Apps und Konsorten zeigt durch ihren ziemlich unverblümten Umgang mit persönlichen Informationen deutlich, dass Privatsphäre und Datenschutz bei Online-Diensten als eher zweitrangig betrachtet werden, wichtiger sind offenbar umfassende und aufsehenerregende Funktionen und ein möglichst bequemer Umgang.


Vom Potential her erfüllt Opera Unite auch diese Anforderungen. Es ist jedoch eher unwahrscheinlich, dass zum Beispiel Flickr-Nutzer jetzt scharenweise ihre Fotosammlung per Opera Unite veröffentlichen und ihre bisherige Plattform links liegen lassen. Interessant wird die Technologie dann, wenn sie auch auf Mobilgeräten zur Verfügung steht und die Unite-Services auf die entsprechenden Bildschirmgrössen zugeschnitten sind: Unterwegs bloss rasch den Opera-Browser aufstarten, um ad hoc direkt mit Bekannten zu kommunizieren statt ein E-Mail oder SMS zu schicken, klingt verlockend.


Irgendwie wird man aber den Eindruck nicht los, dass Opera mit Unite vor allem den hauseigenen Browser vermehrt ins Gespräch bringen will. Obwohl das Unternehmen immer wieder interessante Innovationen präsentiert, die später von anderen kopiert werden, kommt der Opera-Browser in den Nutzungsstatistiken nämlich nie über ein paar Prozent hinaus.



Opera Unite Alpha

Die Technologie ist interessant, um die angekündigte Revolution des World Wide Web handelt es sich bei Opera Unite aber nicht. Es ist zweifelhaft, ob sich viele Anwender von den bisherigen, serverbasierten Online-Diensten abwenden und ihre Kollaborations- und Social-Networking-Bedürfnisse künftig stattdessen mit Opera Unite befriedigen.


· Opera Unite integriert einen Webserver in den Browser.


· Dienste lassen sich einzeln laden, starten und stoppen.


· Entwickler können eigene Dienste erstellen.


+ einfach zu installieren


+ kostenlos


– Abhängigkeit von Opera-Proxy-Servern


Opera, http://unite.opera.com/

(ubi)


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