Special Swiss Hosting: Die Schweiz in den Wolken
Quelle: Suju-Foto/Pixabay

Special Swiss Hosting: Die Schweiz in den Wolken

Die Cloud-Infrastrukturen in der Schweiz haben Aufwind, aber die internationale Konkurrenz schläft nicht. Geht der Schweizer Cloud damit die Daseinsberechtigung abhanden?

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2021/07

     

Befeuert durch die Migration von Applikationen und Infrastruktur wächst die Cloud seit einigen Jahren rasant, so auch in der Schweiz. Und zur Migration der bisher meist lokal gehosteten Anwendungen kommen eine Vielzahl von Trends hinzu, welche die globalen Cloud-Infrastrukturen an Relevanz gewinnen lassen: Edge, IoT, Industrie 4.0, Big Data und Container-Technologien, um nur einige zu nennen. Weiter hat auch die Pandemie der Datenwolke nochmal einen Schubs gegeben, denn gerade mit der Home-Office-Pflicht und den dazu gehörenden Video­konferenzen stieg die Cloud-Nutzung im Coronajahr 2020 nochmal erheblich an. Consumer-Trends mit massivem Wachstum, wie etwa Streaming, Gaming und E-Commerce tun ihr übriges. Digitec Galaxus verzeichnete beispielsweise ein User-Wachstum um etwa 50 und ein Umsatzwachstum um knapp 60 Prozent – zusätzliche Kapazitäten sind also gefragt.


Das führt zum einen zu mehr Investitionen im Schweizer Rechenzentrumsmarkt und zum anderen zum Einzug der internationalen Anbieter in der Schweiz – den Hyperscalern Google, Microsoft, Oracle und AWS. Alle genannten ausser AWS haben seit 2019 Rechenzentren in der Schweiz bezogen, AWS will 2022 mit dem ersten RZ ans Schweizer Netz gehen. Die Giganten schweigen sich gänzlich darüber aus, in welchen Schweizer Rechenzentren sie sich einmieten, was in der Branche üblich ist.

Die Schweiz im europäischen Rechenzentrumsmarkt

Im Vergleich zu bereits etablierten Regionen im europäischen Umland ist die Schweiz noch ein Nischenland im Rechenzentrumsmarkt und gehört neben Dublin, Mailand, Stockholm, Warschau und Madrid zu den Tier-2-Märkten in Europa. Während die Tier-1-Märkte Frankfurt, London, Amsterdam und Paris (FLAP) als Regionen gelten, in denen bereits massiv investiert wurde und die sich klar etabliert haben, gehört die Schweiz mit ihrem Tier-2-Status zu den Regionen, in denen heute überdurchschnittlich investiert wird und die damit einen starken Ausbau der Cloud-Infrastrukturen verzeichnen. Der Unterschied zwischen den Tier-Stufen ist bemerkenswert: Einzelne Datenzentren in den Tier-1-Märkten verfügen über ähnliche Rechenzentrumsflächen wie die ganze Schweiz.

Der Datenbunker Schweiz in Zahlen

Hierzulande beläuft sich die Rechenzentrumsfläche auf rund 154’000 Quadratmeter, diese verteilen sich laut dem Immobilienunternehmen CBRE auf total 93 Rechenzentren. Damit ist der Markt aber offenbar noch weit von einer Sättigung weg – weitere 45’000 Quadratmeter befinden sich im Bau, 53’000 Quadratmeter werden geplant und nochmal fast gleich viel Boden wartet auf bereits bestehenden Rechenzentrumsarealen darauf, noch ausgebaut zu werden. Mit seinen 93 Datenzentren liegt die Schweiz im europäischen Vergleich in Sachen Rechenzentrumsdichte auf Platz zwei hinter den Niederlanden.


Der Stromverbrauch all dieser Datacenter beläuft sich auf maximal 131 Megawatt, die derzeit zu etwa 80 Prozent ausgelastet sind. Rund die Hälfte – 68 Megawatt – befinden sich in der Region Zürich, die damit nach London (711 MW), Frankfurt (510 MW), Amsterdam (365 MW), Paris (204 MW) und Dublin (94 MW) an sechster Stelle in Europa steht, was den Stromverbrauch der Rechenzentren betrifft. Gesamtschweizerisch ist alleine mit den laufenden Bauprojekten eine Kapazitätssteigerung um 50 Prozent bis 2022 gegeben, Experten rechnen mit einer Verdopplung der Kapazität in wenigen Jahren.

Vertrauen kostet

Das Problem der Schweiz als Cloud Hoster liegt auf der Hand: Preislich kann man hierzulande nur bedingt mithalten, es ziehen die üblichen Gründe der Hochpreis­insel Schweiz wie Boden-, Lohn- und Energiekosten. Damit kommt man im europäischen Vergleich mit etwa 1000 Franken auf den zweithöchsten Preis pro Rack und Monat. Polen liegt am unteren Ende dieser Rangliste, dort kostet ein Rack mit knapp 300 Franken pro Monat weniger als ein Drittel. Interessant ist jedoch, dass Grossbritannien zwar mit dem teuersten monatlichen Rack-Preis aufwartet, gleichwohl aber eine der erfolgreichsten Datacenter-Regionen in Europa ist. Alleine am Preis kann es damit nicht scheitern.


Die Vorteile und damit auch die Gründe für den Bau von Rechenzentren in der Schweiz sind hingegen vielzählig. Die Schweiz verfügt über geologische und politische Sicherheit und hat damit eine grosse Krisen- und Katastrophenresistenz, es herrschen günstige Regulatorien und das Vorhandensein von Fachkräften und Know-how spielen hiesigen Betreibern weiter in die Karten. Ebenfalls enorm wichtig ist das Vertrauensproblem, das ausländische und insbesondere amerikanische Unternehmen mitbringen: Sie unterliegen, anders als die Schweizer Provider, nur bedingt Schweizer Gesetzgebung, womit der juristische Hebel gegenüber den Anbietern teilweise fehlt. Besonders gravierend ist dies im Kontext amerikanischer Anbieter, zu denen ausnahmslos alle derzeit ansässigen Hyperscaler gehören, bei denen die Möglichkeit besteht, dass Daten basierend auf dem Cloud Act an die US-Regierung weitergegeben werden müssen. Hier können Schweizer Anbieter in ihrer Argumentation klar punkten.

Lokale Provider für lokale Herausforderungen

die Schweiz auch für internationale Unternehmen spannend ist, gibt es besonders für Schweizer Unternehmen weitere Gründe, sich einen lokalen Provider zu suchen. Die geografische Nähe etwa erlaubt die selbstständige Betreuung der Infrastruktur, weiter steigt die Performance aufgrund tiefer Latenzzeiten, was für kritische Applikationen enorm wichtig sein kann. Weiter sind Kundennähe, Landessprache und persönliche Betreuung wichtige Faktoren, wenn es um sichere Datenhaltung geht. Und nicht zuletzt ist die behördliche Zusammenarbeit, etwa mit der Finanzmarktaufsicht, mit einem Schweizer Dienstleister, der die Prozesse schon gut kennt, effizienter. Die Nähe zu den weltbekannten Universitäten und in der Schweiz angesiedelten internationalen Unternehmen sorgt weiter für die Versorgung mit Fachkräften und Know-how.

Dies führt in der Schweiz zu einer spannenden und gleichwohl notwendigen Koexistenz internationaler Hyperscaler und lokaler Schweizer Anbieter. Während erstgenannte mit attraktiven Preisen und hohen technologischen Standards aufwarten, bieten Schweizer Cloud-Infrastruktur-Provider einen sicheren Rechtsraum, kurze Fahrtwege und die oft gefragte Swissness, an die Hyperscaler nicht herankommen können. Weiter schaffen lokale Schweizer Rechenzentren lokale Marktplätze, in denen Bauunternehmen, Elektriker und allerhand Spezialisten aus dem ICT-Bereich Aufträge umsetzen können und fördern so den Wissens- und Wirtschaftsstandort Schweiz als Ganzes.


Es ist daher damit zu rechnen, dass das Rechenzentrumsland Schweiz für Schweizer Unternehmen – trotz dem Einzug der Hyperscaler – eher an Relevanz gewinnen wird. Zum einen bedingt durch die Ansprüche und Wünsche der Schweizer Kundschaft, respektive der Vorsicht gegenüber internationalen Anbietern, zum anderen aber auch für internationale Kundschaft, die in den Schweizer Rechenzentren künftig einen neuen, überdurchschnittlich sicheren Hafen für ihre Daten entdecken könnten.
(win)


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