«Die Wichtigkeit der Informatik wurde erkannt»
Quelle: Solothurner Spitäler AG

«Die Wichtigkeit der Informatik wurde erkannt»

Das Interview führte Michel Vogel

Die Informatik spielt in Spitälern heute eine zentrale Rolle, so auch bei der Solothurner Spitäler AG mit ihren rund 3600 Mitarbeitenden.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2015/07

     

Swiss IT Magazine: Frau Albrecht, wer oder was ist die Solothurner Spitäler AG?
Elke Albrecht:
Die Solothurner Spitäler AG sind die öffentlich-rechtlichen Spitäler des Kantons Solothurn. Dazu gehören drei grosse Akutspitäler: Das Bürgerspital hier in Solothurn, das Kantonsspital in Olten und das Spital Dornach. Weiter betreiben wir eine Psychiatrische Klinik und verschiedene Ambulatorien, wie zum Beispiel das Gesundheitszentrum in Grenchen oder die Gruppenpraxis Herrenmatt in Däniken. Und wir kooperieren mit anderen Spitälern wie beispielsweise mit dem Inselspital in Bern im Bereich der Radio-Onkologie.


Wie viele Mitarbeitende beschäftigen Sie an all diesen Standorten aktuell?
Wir haben momentan rund 3600 Mitarbeitende. Die Tendenz ist leicht steigend, und zwar sowohl im Kerngeschäft, das heisst den klinischen Bereichen, wie auch in den Querschnittsfunktionen wie der Informatik. Mein Team ist in den letzten anderthalb Jahren, bedingt durch die Fülle an neuen Aufgaben und Dienstleistungen, die wir zu erbringen haben, leicht gewachsen.

Klingt so, als hätte sich die IT der Solothurner Spitäler AG in den vergangenen Monaten stark verändert. Stimmt das? Und falls ja: Inwiefern?
Seit 2013 hat die Informatik Einsitz in der Geschäftsleitung und es wurde die Stelle des CIO geschaffen. Bis dahin war sie organisatorisch bei den Finanzen eingegliedert. Man hat erkannt, wie wichtig die Informatik im Spital ist. Wir sind Partner auf Augenhöhe und Enabler im Kontext der medizinischen Leistungs- und Business-Strategie.


Können Sie uns ein Beispiel geben, wie und wo sie als Enabler auftreten?
Wir sind aktuell daran, in den Kliniken eine neue, digitale Patientenkurve einzuführen. Damit werden zum Beispiel Vitalwerte der Patienten und Verordnungen der Ärzte in Zukunft digital erfasst und die Workflows beziehungsweise Prozess­abläufe zwischen den Ärzten und der Pflege auf diese Weise vereinfacht. Die IT hilft hier, dass einerseits die Sicherheit und die Qualität der Behandlung der Patienten erhöht wird und andererseits die Effizienz und Produktivität im Unternehmen steigt.

Also wird das Papier hier über kurz oder lang verschwinden?
Ja. Wir sind zwar momentan noch recht papierbasiert, wollen diesen Anteil aber sukzessive reduzieren. Das Ziel ist eine komplett digitale Patientenakte.

Was ersetzt das Papier? Tablets?
Genau. Das Thema Mobility ist momentan, vor allem im klinischen Bereich, ein ganz grosses Thema. Wir erhoffen uns dadurch enorme Verbesserungen, zum Beispiel bei der Visite. Einerseits erhalten Ärzte und Pflege gleichzeitig Zugriff auf dieselben, aktuellen Informationen. Andererseits können sie, wenn sie mit dem Tablet zum Patienten ans Bett gehen, ihm auch gleich Röntgenbilder zeigen oder Befunde erläutern.


Haben Sie schon Tablets im Einsatz?
Die Pflege nutzt bereits seit geraumer Zeit Laptops und fachspezifische Applikationen, mit denen sie auf Visite geht. Tablets setzen wir im klinischen Bereich bis jetzt noch nicht ein.

Was für Tablets werden Sie anschaffen?
Wir sind ein eher Microsoft-orientiertes Haus. In der Mobility-Strategie, die wir im letzten Jahr erarbeitet haben, haben wir darum festgelegt, dass wir in einer ersten Phase ausschliesslich mit einem Windows-basierten Gerät arbeiten werden. Das hat den Vorteil, dass der Benutzer seine gewohnte Umgebung hat. Und man hat Zugriff auf alle Applikationen. In einer zweiten Phase werden dann aber auch andere Tablets eingebunden, zum Beispiel mit Android-Betriebssystem oder iPads.


Welches Windows-Tablet wird es sein?
Höchstwahrscheinlich ein Gerät, zu dem es auch eine vollwertige Tastatur und eine Docking Station gibt, so dass man damit einen vollwertigen PC hat. Wir werden im Rahmen der Einführung der digitalen Kurve einen Pilot durchführen und dabei verschiedene Devices testen, um herauszufinden, welches wirklich das richtige Gerät ist. Dazu werden auch Smartphones und kleinere Tablets gehören. Je nach Berufsgruppe gibt es nämlich sehr unterschiedliche Anforderungen: Der Arzt will vor allem Informationen abrufen, die Pflege muss einfach Daten erfassen können. Dafür sind nicht alle mobilen Geräte geeignet.

Wie sieht die IT-Landschaft im Spital heute aus? Was sind hauptsächlich für Geräte im Einsatz?
Wir haben ganz klassisch vor allem Laptops und Desktops im Einsatz. Gesamthaft zählen wir aktuell 2400 bis 2500 PCs, davon sind rund 500 mobile Geräte.

Gibt es bei Ihnen im Spital auch ganz spezielle Hardware?
In der Medizintechnik und im Operationsbereich werden spezielle Geräte eingesetzt. Diese werden aber in der Regel nicht von meinem Team, sondern von den Kollegen aus der Medizintechnik betreut. Wir arbeiten sehr eng zusammen und haben derzeit ein gemeinsames Projekt, in dessen Rahmen wir nach und nach alle Medtech-Geräte integrieren wollen. Das Ziel ist, dass zum Beispiel auch Daten von diesen Geräten digital vorliegen und entsprechend gespeichert und archiviert werden können. Aktuell haben wir die Integration aller EKG-Geräte abgeschlossen.

Wie gross ist Ihr Team und wie ist es zusammengesetzt?
Wir sind momentan 40 Mitarbeitende. Diese Zahl verteilt sich mehr oder weniger gleichmässig auf fünf Bereiche. Wir haben eine Medizininformatik, die alle klinischen und medizinischen Applikationen betreut. Dann haben wir die Business-Informatik mit einem SAP-Kompetenzcenter, das wir seit dem letzten Jahr am aufbauen sind, eine Abteilung Architektur und Integration, die Systemtechnik und den Betrieb sowie den Bereich Helpdesk, Services und Support. Hinzu kommt noch das Projekt- und Portfoliomanagement, das wir gegenwärtig auch noch am aufbauen sind.


Bilden Sie auch Informatiker aus?
Ja, zu den erwähnten 40 Mitarbeitenden kommen acht Auszubildende dazu. Wir bilden im Bereich Systemtechnik pro Lehrjahr zwei junge Leute aus. Ich finde es wichtig, dass wir diese Verantwortung wahrnehmen. Und es ist auch eine schöne Aufgabe. Ich freue mich immer riesig, wenn die Lernenden nach ihrem Berufsabschluss fragen, ob sie bei uns weiter arbeiten können. Beide letztjährigen Lehrabgänger haben wir nach der Rekrutenschule jetzt noch ein Jahr weiter beschäftigen können. Und auch einer der diesjährigen Lehrabgänger wird bis zum Start seiner weiteren Ausbildung bei uns bleiben.

Fachkräftemangel ist also kein Thema?
Nein. Wir hatten kürzlich ein paar Vakanzen, konnten die offenen Stellen aber rasch besetzen.

Arbeiten Sie auch mit externen Unternehmen zusammen?
In unserer neuen Informatikstrategie, die im vergangenen April vom Verwaltungsrat und von der Geschäftsleitung gutgeheissen wurde, ist definiert, dass wir grundsätzlich alle Services intern erbringen und nur punktuell Services zukaufen. Ein Beispiel eines solchen Services, der ausgelagert ist, ist der SAP-Basisbetrieb. Zudem haben wir in der Systemtechnik ein paar Dienste ausgelagert. Weiter lassen wir uns in den verschiedensten Bereichen beraten und für das bereits erwähnte Projekt Digitale Kurve haben wir einen externen Projektleiter angestellt. Das ist jemand, der die Lösung an einem anderen Kantonsspital bereits sehr erfolgreich eingeführt hat und von dessen wertvoller Erfahrung wir nun profitieren können.

An wen haben Sie den SAP-Basisbetrieb ausgelagert?
Wir haben uns hier für GIA Informatik entschieden und die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut.

Wie ist es überhaupt zur Einführung von SAP gekommen? Sie sind doch ein Microsoft-orientiertes Haus, habe ich gedacht.
(Lacht...) In einem Unternehmen mit der Grösse und Komplexität einer Solothurner Spitäler AG braucht es ein System, das gewisse spezielle Anforderungen erfüllen kann. Wir hatten vorher eines, das nicht integriert war sowie Silos für die verschiedensten Bereiche wie Finanzen, Controlling oder die Patientenadministration. Darum haben wir bei der neuen Lösung vor allem darauf geachtet, dass ein bereichsübergreifender Datenfluss vorhanden ist und die entsprechenden Kennzahlen vorliegen. Das ist mit SAP gegeben und war sicher mit ein Grund, warum wir uns für diesen Hersteller entschieden haben.

Wann erfolgte die Einführung?
Wir sind am 1. Januar dieses Jahres produktiv gegangen. Wir hatten eine sehr kurze Einführungsphase: Im November 2013 haben wir das Projekt gestartet und dann in nur 14 Monaten in einem Big-Bang-Approach die Module FI, CO, HCM für die Personaladministration, ISH für das Patientenmanagement, die ganze Logistik einschliesslich der Apotheke und dem Medizincontrolling eingeführt.


Ist das Projekt damit abgeschlossen? Oder kommt noch mehr?
Das war Phase Eins. Diese ist seit Anfang Juni abgeschlossen. Jetzt bereiten wir eine nächste, zweite Phase vor. Diese werden wir jedoch nicht mehr in diesem Jahr starten. Das Team muss die Möglichkeit haben, wieder zur Normalität zurückzufinden. Ausserdem dürfen andere Projekte nicht darunter leiden.

Wir haben bis jetzt fast ausschliesslich über das Front-end gesprochen. Wie sieht es eigentlich im Backend aus?
Wir betreiben hier in Solothurn zwei Rechenzentren. Gesamthaft zählen wir aktuell über 400 Server. Diese Zahl ist im letzten Jahr mit der Einführung von SAP stark angestiegen und wird mit der Einführung der digitalen Kurve und nachfolgenden Funktionalitäten sowie der weiteren Digitalisierung vor allem im klinischen Bereich weiter steigen.


Ist die Cloud ein Thema?
Ich finde die Cloud ist ein grosses Wort und eigentlich das, was wir schon lange hatten, nur mit einem anderen Namen. Früher hat man dem zum Beispiel ASP gesagt. Mal abgesehen davon sind bei einer Cloud-Lösung im medizinischen Bereich die Datensicherheit und der Datenschutz ein sehr grosses Thema. Die Patientendaten sind eine sehr sensible Sache, mit der wir auch sehr, sehr sensibel umgehen. Wir arbeiten diesbezüglich zum Beispiel mit der kantonalen Datenschützerin und unserem Rechtsdienst zusammen.

Ist der Datenschutz für Sie und Ihr Unternehmen die derzeit grösste Herausforderung? Oder gibt es noch andere?
Ich glaube, die grösste Herausforderung liegt im klinischen Bereich und dabei, die Vielzahl der Anforderungen richtig zu priorisieren. Wir werden mehr oder weniger zeitgleich mit der digitalen Kurve ein sogenanntes PDMS, also Patientendaten-Monitoring-System, einführen. Hier gibt es gewisse Schnittstellen, das heisst die beiden Systeme müssen gut integriert werden. Dies zufriedenstellend zu lösen und dafür zu sorgen, dass die Daten am Ende nicht doppelt erfasst werden und wir Redundanzen vermeiden können, ist eine grosse Herausforderung. Und es gibt ja nicht nur das Spital, sondern auch noch viele externe Stellen, mit denen wir zusammenarbeiten, wie beispielsweise die Hausärzte, mit denen bereits heute auch ein reger digitaler Datenaustausch stattfindet.

Und dann wäre da ja noch das Thema E-Health …
Genau, das ist auch bei uns ein grosses Thema, mit dem Ziel, die dafür nötigen Voraussetzungen zu schaffen und damit einhergehend die digitale Patientenakte einzuführen. Diese muss rechtskonform sein und vollständig digital vorliegen. Wir sind natürlich auch in Gesprächen mit dem zuständigen Department des Kantons Solothurn. Neben dem Kanton selbst sind die stationären Leistungserbringer und Spitäler in der Pflicht.


Was für E-Health-Anwendungen sind geplant, neben der digitalen Patientenakte?
Wir arbeiten bereits mit 70 Prozent aller Hausärzte oder anderen Zuweisenden auf dem digitalen Weg zusammen, und das läuft sehr gut. Es sind immer weniger, die zum Beispiel Austrittsberichte noch auf dem normalen Postweg beziehen. Diese Kommunikation wird weiter ausgebaut. Seit kurzem ist es zum Beispiel möglich, in beide Richtungen Radiologiebilder auszutauschen. Als nächstes sind dann die ganze Anmeldung und Überweisung sowie die Medikation ein Thema.


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