Benchmarking von ICT Services
Quelle: Swiss ICT Magazin

Benchmarking von ICT Services

von Peter Bertschin

Ein Benchmark bedeutet für ein Unternehmen immer auch personelle und finanzielle Investitionen. Die Analyse sollte vor allem dazu dienen, die IT in Form eines sogenannten ‚Commercial and Service Alignments‘ optimal an die geschäftlichen Ziele des Unternehmens anzupassen.

Artikel erschienen in Swiss IT Magazine 2013/06

     

Der Benchmarker übernimmt zwei Rollen: die des Beraters und die des Moderators. Als Berater muss er die vom Dienstleister erbrachten Services analysieren und bewerten, mit Leading Practices am Markt vergleichen und so Optimierungspotenziale identifizieren. Doch wo etwas zu optimieren ist, gibt es in der Regel Divergenzen und diese können wiederum zu Konflikten führen. Konflikte entstehen entweder durch schlecht verhandelte Verträge oder durch Abweichungen zwischen kontrahierter und erbrachter Leistung.
Oft hat sich der Markt weiterentwickelt, so etwa auf Basis neuer Technologien wie Cloud Computing. Falls diese die Anforderungen des Business besser abdecken, sollten sie vom Benchmarker entsprechend berücksichtigt werden.


Bei Unterschieden zu Leading Practices am Markt wendet der IT-Dienstleister häufig ein, diese seien mit der eigenen Situation nicht vergleichbar. Hier greift die faktenbasierte Moderation des Benchmarkers: Seine Analyse muss so granular sein, dass beide Seiten nicht mehr dagegen argumentieren können.

Klassische Kenngrössen

Was sollte nun beim IT-Business-Alignment geprüft werden? Am Anfang stehen sicherlich die klassischen Benchmark-Komponenten: Preise, Serviceinhalte, -qualität und -level. Der Benchmarker betrachtet zunächst die Komplexität der individuellen IT-Dienstleistung, nimmt detailliert die Leistungen auf, bricht diese in ihre einzelnen Bestandteile herunter und bildet sie auf standardisierten Leistungsscheinen ab. Damit kann er dann die Services mit Leading Practices in marktführenden Referenzunternehmen vergleichen. Die Differenzen werden transparent dargestellt und quantitativ wie qualitativ bewertet.
Neben den klassischen Service- und Infrastrukturdaten sollte der Benchmark auch Serviceschnitte und Bundling ins Blickfeld rücken. Oft wird in Outsourcing-Deals die Trennung zwischen ausgelagerten und verbleibenden Services so ungünstig vorgenommen, dass überflüssiger Overhead entsteht – etwa wenn Desktop und Service Desk auseinandergerissen werden.

Neue Abrechnungsmodelle


Ein weiteres wichtiges Feld des Commercial Alignment sind moderne Abrechnungs- und Delivery-Modelle, die stärker auf die individuellen Anforderungen des Kunden eingehen. Beispielsweise können technische Bezugsgrössen (Preis pro MIPS, pro GB etc.) durch branchenspezifische Business-Bezugsgrössen abgelöst werden. Dabei werden alle Leistungen, die den Verbrauch der IT beeinflussen, auf Geschäftsgrössen normiert, so etwa der Preis pro Versicherungspolice, pro Ticket, pro Tonne, pro Kontobewegung, etc. Entsprechende Modelle haben heute erst weniger als 10 Prozent der Unternehmen eingeführt. Und selbst die haben meist noch eine „Schattenbuchhaltung“ mit technischen Verrechnungsgrössen.
Der Grund: Es gibt viele zugrunde gelegte Annahmen, die sich ändern können, wie Volumenkorridore, der Verkauf oder Zukauf von Betriebsteilen etc. Stärker im Fokus steht derzeit ein Utility based Pricing, also eine tatsächlich verbrauchsbezogene Vergütung („Pay what you get“), die z.B. im Cloud-Computing obligatorisch ist.

Rahmenkonstrukt


Beim Commercial Alignment werden nicht nur zwischenzeitliche Abweichungen gegenüber dem Outsourcing-Vertrag geprüft, sondern auch das Rahmenkonstrukt selbst. Neben den Leistungsscheinen werden Struktur, Design und Inhalt einer Revision unterzogen. Entspricht das Vertragswerk marktüblichen Standards? Sind die angenommenen Mengen – im Marktvergleich – realistisch, sind die Anforderungen des Business wirklich notwendig?
Auch hier entwickelt der Benchmarker auf Grundlage von Leading Practices marktgängige KPI, beispielsweise: Wie viele Mitarbeiter teilen sich in einer bestimmten Branche üblicherweise einen Drucker? Das sind etwa in einer Bank mehr als im Versicherungsgewerbe. Benötigt jeder Mitarbeiter einen eigenen Arbeitsplatz, oder ist Desk-Sharing sinnvoll? Welche Service-Zeiten, Qualitäten, Mengen etc. sind in der Branche üblich?
Ein weiterer wichtiger Prüfgegenstand sind die Rahmenkosten. Dazu gehören beim Outsourcing insbesondere die Transitionskosten. Der Dienstleister legt sie oft auf die Laufzeit des Vertrags um, so dass die genaue Höhe für den Kunden nicht transparent ist.
Ähnlich verhält es sich mit den Kosten für das vertraglich vereinbarte Monitoring und Reporting, die oft nicht direkt abgerechnet, sondern allgemein verrechnet werden.
In all diesen Fällen muss der Benchmarker die Situation prüfen und konkrete Regelungen vorschlagen. Weitere Untersuchungsgegenstände im Rahmenwerk sind u.a. Bonus-Malus-Regelungen, Zahlungsbedingungen, Preisanpassungen, Benchmarkklauseln sowie die Frage, wie mit den Ergebnissen des Benchmarks umgegangen wird.

Agile Werteketten

Generell können Empfehlungen auf Basis eines Benchmarks dazu beitragen, die Sinnhaftigkeit bestehender Restriktionen zu überprüfen. Entscheidend dabei ist, dass durch agilere Werteketten auch der Dienstleister kommerziell und taktisch in eine bessere Lage versetzt wird, um die Lösung auch für ihn attraktiv zu gestalten
Denn: Ein IT-Provider, der ausreichend Entscheidungsfreiheit in Bezug auf die Wahl seiner Mittel (Personalauswahl, Technologieeinsatz, etc.) erhält, ist im Normalfall wesentlich besser aufgestellt, um die vereinbarten Anforderungen zu erfüllen.


Peter Bertschin, swissICT-Fachgruppe Sourcing & Cloud. Client Director Information Services Group.


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