Diskussionspunkt war der Einsatz biometrischer Überwachungssysteme im öffentlichen Raum (siehe auch in der Printausgabe S. 25).
Fakt ist: Die Technologie zur biometrischen Überwachung der Bevölkerung (aka Gesichtserkennung) ist zweifellos da. Ob man aber etwas, nur weil es vorhanden ist, zwingend auch testen soll? Diese Frage lässt sich anhand von genügend Beispielen aus der Vergangenheit mitunter schmerzhaft leicht beantworten.
Doch statt eine Grundsatzdebatte über Überwachung loszutreten, möchte ich lieber über fehlgeleitete Technologiebegeisterung schreiben. Denn: Während gewisse Kreise in der Politik jede neue Möglichkeit zur Überwachung von Herr und Frau Schweizer feiern, kommt die Digitalisierung dort, wo sie den Bürgerinnen und Bürgern tatsächlich nützen würde, kaum vom Fleck.
Über ein Paradebeispiel haben wir am 26. November auf www.itmagazine.ch geschrieben: «Der Kanton Thurgau wagt einen neuen Schritt beim E-Voting: In der Abstimmung vom 8. März 2026 werden die ersten im Kanton wohnhaften Schweizerinnen und Schweizer das E-Voting-System nutzen können. Für den Versuch wurden als Pilotgemeinden Amriswil, Bichelsee-Balterswil, Bischofszell, Kradolf-Schönenberg und Hauptwil-Gottshaus ausgewählt. Wenn der Test erfolgreich verläuft, sollen weitere interessierte Thurgauer Gemeinden schrittweise ab 2027 dazukommen.» Man beachte die Formulierung «wagt» und sei entschuldigt, wenn man die Metropolen Bichelsee-Balterswil oder Hauptwil-Gottshaus nicht kennt. Ah ja: «schrittweise» sollen ab 2027 weitere Gemeinden dazukommen. Ist das Fortschritt? Vielleicht. Aber mit der Geschwindigkeit eines ISDN-Zugangs aus den 90er Jahren. Warum dauert es so lange, bis digitale Behördendienste endlich flächendeckend Realität werden? Warum scheitert das elektronische Patientendossier seit Jahren an politischer Konzeptlosigkeit und föderalem Flickwerk? Weil echte digitale Innovation in der Verwaltung ungleich komplizierter ist als ein Kamera-Test am Bahnhof? Weil man Datenschutz hier ernst nehmen und in robuste, sichere Infrastruktur und Lösungen investieren müsste?
Wirklich zukunftsweisend wäre, wenn die Schweiz endlich digital abstimmen könnte. Dann wäre die Stimmbeteiligung vielleicht auch höher – und möglicherweise wäre die Zürcher Volksinitiative «Für ein Grundrecht auf digitale Integrität» der Piratenpartei Ende November nicht mit 74,6 Prozent so kläglich untergegangen. Eine Initiative, die sicherlich nicht völlig deplaziert ein Recht auf Datenschutz, gegen Willkür und für den Erhalt analoger Zugänge forderte. Übrigens: Auch der abgeschwächte Gegenvorschlag scheiterte.
Digitale Rechte? Offensichtlich zu abstrakt für die Mehrheit. Eine Mehrheit, die analog abstimmt.