Das Fehlen von IT-Spezialisten wurde spätestens seit der Pandemie von einem Grossteil der Manager in Interviews genannt, wenn sie über ihre grössten Herausforderungen sprachen.
Seit etwa ein bis zwei Jahren aber häufen sich Nachrichten von Entlassungen, vor allem aus der Big-Tech-Ecke. Intel hat im Krisenmodus in nur einem Jahr mehr als 20’000 Stellen abgebaut. Microsoft stellte allein im ersten Halbjahr 2025 mehr als 15’000 Leute vor die Türe (und im Vorjahr ähnlich viele), während man Rekordgewinne einfuhr und über Effizienzsteigerungen von 500 Millionen Dollar dank KI schwadronierte. Und Meta-Chef Zuckerberg kündigte nach Musk-Vorbild ein «hartes» 2025 an, in dem nur die High Performer überleben würden – Silicon-Valley-Bullshit-Bingo vor der Entlassungswelle.
Und auch hierzulande lassen sich Zeichen für ein vermeintliches Ende des Fachkräfteproblems finden: Die Medienhäuser (inklusive uns) titelten fleissig zu den steigenden Arbeitslosenzahlen und der sinkenden Zahl ausgeschriebener Stellen, jeweils ganz besonders die IT-Branche betreffend. Dazu kommt die Angst, dass wir alle unsere Jobs an KI-Agents verlieren könnten (siehe Microsoft oben).
Man könnte damit durchaus den Eindruck gewinnen, dass der Bedarf langsam gedeckt ist. Ist die Pandemie-Tech-Boom-Blase nun einfach geplatzt und ICT-Ausbildungen und -Jobs sind in Tat und Wahrheit gar nicht mehr so gefragt und damit auch nicht mehr attraktiv?
ICT-Berufsbildung Schweiz präsentierte unlängst die neue Ausgabe der regelmässig durchgeführten ICT-Fachkräftestudie und Bedarfsprognose mit Ausblick bis 2033. Mehr zur Studie gibt’s ab Seite 54 zu lesen. Und im Rahmen deren Vorstellung betonte Marc Marthaler, Geschäftsführer von ICT-Berufsbildung Schweiz, dass er kein Fan der eingangs genannten Berichterstattung ist, denn sie kultiviere einen falschen Eindruck.
Die Studie, die rückblickend meistens recht gute Einschätzungen enthielt, zeichnet nämlich ein ganz anderes Bild: Wenn die Schweiz nicht mehr IT-Spezialistinnen und -Spezialisten ausbildet als bisher, haben wir 2033 ein noch grösseres Problem als in den letzten Jahren. Statt aufgrund aktueller, kurzlebiger Trends und Entwicklungen in Panik zu geraten und die falschen Schlüsse zu ziehen, sei eine fundierte Prognose mit Weitblick deutlich zielführender, so Marthaler.
Selbstverständlich ist es nicht garantiert, dass die Prognose des Berufsbildungsverbandes korrekt ist. Aber, und hier hat Marthaler ohne Zweifel recht: Historisch gesehen haben sich Innovationssprünge selten negativ auf den Arbeitsmarkt ausgewirkt. Verändert haben sich vor allem die Berufsprofile.
Statt nun in Schockstarre zu verharren, scheint es mir also deutlich zielführender, fokussiert in Bildung – ohnehin das wohl wichtigste Asset unseres kleinen Landes – zu investieren. Denn die neue Berufsprofile schaffen sich nicht von allein.